Ein Gitarrenlehrer sollte es sich auch mMn nicht zu bequem machen mit "der/die will's ja nicht anders". Denn trotzdem kann man den Schüler doch ermuntern, sich mehr zuzutrauen und ihm/ihr Wege aufzeigen, die auch darüber hinaus führen.
Absolut.
Ich finde auch, dass es eine der Hauptaufgaben eines Lehrers (ganz allgemein) ist, den Horizont seiner Schüler zu erweitern und ihnen zu helfen einen eigenen Standpunkt zu entwickeln.
Mittlerweile arbeite ich als Musiklehrer an einem Gym und einer Gesamtschule und ein guter Teil meines Unterrichts dreht sich um Musik mit der die Kids noch wenig bis keinen Kontakt hatten und ihnen auch Raum zu geben um eigene Erfahrungen zu sammeln.
Ein Gitarrenlehrer sollte einen Plan haben oder noch besser: Mit dem Schüler zusammen einen Plan entwickeln.
Der kann (eher: muss) aber mMn ganz individuell sein.
Für viele Leute ergibt es sicherlich Sinn zu wissen wie Töne heißen und wo sie liegen, aber mir fallen auch zig Beispiele ein, die ich selbst erlebt habe, wo das eben nicht der Fall ist.
Deswegen stimme ich grundsätzlich dem Themenstarter durchaus zu, empfinde aber die Dogmatik ("was zur Hölle tut ihr mit eurer Zeit???" = aka: man MUSS es anders machen) als überzogen.
Man muss immer im Auge behalten ob die Schüler das auch anwenden.
Beispiel aus der Schule: Im Lehrplan steht, dass wir in der 8. Klasse Intervalle mit den Kids machen. Wenn man die das nun auswendig lernen lässt, noch mit ein paar Hörbeispielen verknüpft (Liedanfänge etc), dann können die das auch nach einiger Übung. Aber sie wenden das danach nicht regelmäßig an. Wenn ich dann in der Oberstufe frage, was ein Intervall ist, haben 99% aller Schüler das vergessen.
Und so sehe ich das mit allen möglichen Dingen, was das Musikmachen betrifft. Ich hab eine ganze Menge an Dingen, die ich im Studium gelernt habe, für die ich aber keine praktische Anwendung habe und die ich deswegen zu einem guten Teil auch schon wieder vergessen hab. Beispielsweise alles Mögliche an musikalischen Figuren. Sowas wie Katabasis, Anabasis, Passus duriusculus etc.. da krieg ich vielleicht noch ne Handvoll zusammen. Als ich im Studium war, konnte ich da sicher über 30-40 auswendig. Hab ich seit dem nicht mehr gebraucht, die Auswendiglernerei war also letztlich eher Zeitverschwendung.
Und wenn jemand eben erstmal nur Akkorde lernen möchte, werde ich als Lehrer nicht da sitzen und ihm sagen, dass er doch erstmal alle Noten auf dem Griffbrett auswendig lernen muss, sondern fokussiere mich wahrscheinlich erstmal auf Grundakkorde, auf Rhythmen, Zupfmuster, auf Bewegungen der Finger und und und...
Und wenn dann vielleicht mal die Frage aufkommt, was manchmal die Zahlen an den Akkorden bedeuten (oder ob es noch interessantere Akkorde gibt), dann kann man das Thema aufmachen, was Intervalle sind, wie Akkorde eigentlich aufgebaut sind (und hier kommt dann ins Spiel, welche Noten wo auf der Gitarre sind), warum es verschiedene Griffe für den gleichen Akkord gibt und wieso diese sich im Klang unterscheiden und wieso es manchmal sinnvoller ist den einen statt dem anderen zu verwenden etc pp..
Weil DANN hat man einen konkreten Anwendungsfall.
@McCartey-59 hat einen anderen Anwendungsfall: Ich will mit anderen zusammenspielen. Auch hier ergibt es Sinn, das man genau weiß was man spielt, damit man sich verständigen kann.
Hatten wir gestern bei unserer Weihnachtsfeier. Da haben alle Lehrer meiner Schule, die ein Instrument spielen, zusammen ein paar Weihnachtslieder für das Kollegium gespielt. Wir hatten 20 min zum Proben, also wirklich nur genug um ein paar grundlegende Dinge abzusprechen. Noten hatten sich vorher alle angeguckt.
Das kam dann so gut an, dass nach einer Zugabe gerufen wurde. Also haben wir gemeinsam Jingle Bells improvisiert. Der Pianist hat nur Tonart und Anfangston gegeben und dann haben da 20 Leute das Lied gespielt, weil sie wussten welche Akkorde dazu gehören und wussten welche Töne dazu gehören. Keiner hatte Noten.
Also ja, je mehr man weiß, umso besser und einfacher und mehr Möglichkeiten hat man.
Man sollte aber trotzdem im Auge behalten, dass nicht jeder ein Profi-Musiker werden möchte und deswegen auch manchmal die Überzeit limitiert ist und möglicherweise andere Dinge Priorität haben, als Zeit in das Auswendiglernen von Tönen zu stecken, wenn man dafür kein Anwendungsszenario hat.