Hallo allerseits,
interessantes Thema.
Auch ich bin u.a. ein Fan von alten, "speziellen Orgeln".
Wenn ich auch den "cheesy" Klang von Heim- und auch so manchen Transistororgeln eher nicht mag, gab es doch darunter einige interessante Modelle. Manche davon wurden auch in einigen - heute legendären - Musikstücken verwendet und sind vielleicht auch deshalb "Kult".
Zu erwähnen wäre z.B. die Lowrey TBO-1, dessen Marimba Repeat Preset hat Pete Townshend bei dem The Who Song "Baba 'O Riley" eingesetzt (gleich zu Anfang im Intro zu hören). Oder Jean Michel Jarres "Oxygen" würde ohne die Stringflächen aus der Eminent 310 (plus Phaser) auch nicht so klingen.
Ich nenne immerhin drei solcher alten "Orgel-Schätzchen" mein eigen, welche vielleicht keinen ganz so großen Kultfaktor haben, aber über sehr eigenständige und unverwechselbare Klänge verfügen, welche sich m. E. auch heute nicht zu verstecken brauchen (und halt nicht "cheesy" klingen).
Meine "neueste" Errungenschaft hatte ich letzten Sommer als defekt geschossen und überarbeitet, eine Vermona ET 6-1 von 1974. Diese einmanualige Orgel (fünf Oktaven) aus DDR-Produktion sticht durch einen tollen Federhall und einen mit Kniehebel zu modulierenden Wha-Wha Effekt heraus, zudem hat sie zwei verschieden schalt- und mischbare Registergruppen und diverse sonstige Effekte (Vibrato, Repeat), welche sich jeweils in Stärke und Tempo regeln lassen. Somit lassen sich auch ohne externe Effekte schon sehr sphärische Klangflächen erzeugen.
Dann hatte ich mir vor ein paar Jahren eine Philips Philicorda 22GM751/22T inkl. originalem Untergestell zugelegt, diese müsste etwa aus dem Jahr 1967 datieren. Diese Orgel (einmanualig, vier Oktaven, hergestellt wohl in den Niederlanden oder Westdeutschland) funktionierte bis auf zwei Register und dem Federhall einwandfrei. Letztes Frühjahr habe ich dann auch auch diese überarbeitet und zusätzlich noch mit einer Stereo-Klinkenbuchse modifiziert, so dass ich mit einem speziell angefertigten Klinkenkabel externe Effektgeräte einschleifen und über die eingebauten Lautsprecher wiedergeben kann. Diese Orgel erinnert klanglich stark an die typischen Transistororgeln der 1960er Jahre (z.B. VOX Continental), hat dabei aber einen eigenen, etwas weicheren Klang als z.B. die VOX. Trotzdem hat sie richtig "Eier" und kann mit einem eingeschleiften Leslieeffekt (ich benutze den NEO MiniVent II) und etwas Crunch sogar über die internen Lautsprecher sehr rockig klingen.
Am längsten davon besitze ich schließlich eine Elka X-705, Baujahr etwa 1980. Da schließt sich dann auch der Kreis zur Frage von
@242 :
Kann jemand was zu den Modellen von Elka sagen?
Die italienische, zweimanualige Elka X-705 galt seinerzeit - trotz seiner etwa 80kg inkl. Zubehör - als transportabel (hatte ein Chop-Case-Gehäuse mit Stahlrohrbeinen) und war damals der feuchte Traum vieler Alleinunterhalter. Jean Michel Jarre hatte damals wohl eine - optisch etwas gepimpte - X-705 auf seiner 1981er Tournee dabei. Es gab auch die technisch baugleiche Elka Artist 707, diese war eine "Holzkommode" für den stationären Heimgebrauch.
Diese Elka besitzt ein Rhythmusgerät inkl. vielseitig einstellbarer Bass-Akkord Begleitpattern. Diese Sektion gab es damals auch als Einzelgerät, nannte sich Elka Wilgamat. Darauf konnte ich allerdings bislang immer gern verzichten, weil das klingt RICHTIG "cheesy"... Dann hat das Teil zwei Sinus-Zugriegelsätze (sieben im Unter-, neun im Obermanual) sowie verschiedene schaltbare Perkussions-Fußlagen. Mit Leslie(-effekt) klingt das gar nicht so übel, kommt aber an den "dreckigen" Klang einer echten Tonrad-Hammond nicht heran.
Des Weiteren sind für jedes Manual ein getrenntes String-Ensemble inkl. Piano- und Clavichord-Preset eingebaut. Diese gab es auch einzeln als Elka Rhapsody 610, somit sind quasi sogar zwei davon in der Orgel vorhanden! Diese Stringsektion war der Hauptgrund, dass ich mir seinerzeit dieses Trumm angeschafft habe. Ich bin ein großer Fan dieser alten Stringmaschinen und das Rhapsody 610 (z.B. in den 1970ern verwendet von Tangerine Dream und Volker "Mist" Kahrs von Grobschnitt) ist sehr selten zu bekommen und wenn, dann sehr teuer und/ oder in schlechtem Zustand.
Dann hat das Teil noch einen Preset-Polysynth für Begleitflächen, da ist klanglich an den paar Presets nichts weiter veränderbar.
Zuletzt wäre noch der Preset-Monosynthesizer zu erwähnen, welcher durch viele veränderbare Parameter sehr vielseitig ist und auch sehr ordentlich klingt. Diesen gab es auch als Einzelgerät, nannte sich Elka Solist 505.
Mit zugehörigem Stummel-Basspedal und Schweller (inkl. Varationsschalter für den Wilgamat) sowie zahlreicher Einzelausggänge für die verschiedenen Sektionen, lässt sich mit der Orgel schon so einiges anstellen.
Inzwischen ist es aber leider so, dass sich die Ausfälle bei meiner X-705 immer mehr häufen, ein großes Problem sind bei diesen Orgelmodellen u.a. die Kontaktwannen für die zahlreichen steckbaren Platinen (die Orgel ist komplett modular aufgebaut), welche im Laufe der Jahrzehnte zu immer mehr Ausfällen neigen. Dazu kommen etliche kratzende Potis, aussetzende Schalter und schwergängige Zugriegel. Irgendwann werde ich auch diese Orgel dann mal richtig durchreparieren müssen, scheue mich aber immer noch wegen des doch recht immensen Aufwandes.
Das ist dann auch immer die Kehrseite der Medaille, einige nicht so "kultige" Orgelmodelle sind recht günstig erhältlich (ich habe für jedes dieser Teile deutlich unter 200 Euro bezahlt, die Philicorda kostete sogar weniger als 100 Euro), allerdings muss einem auch bewusst sein, dass immer mal was daran zu reparieren ist, weil die Dinger eben auch alle deutlich über 40 Jahre alt sind. Wobei ich z.B. die Vermona bewusst als Sanierungsfall gekauft hatte, da ich sehr gern an den alten Analogschätzchen arbeite und ich tatsächlich ein besserer Techniker als Keyboarder bin...
Man kann sich mit entsprechend dickem Geldbeutel aber durchaus auch ein durchrepariertes und restauriertes Gerät in die Hütte stellen und sich daran erfreuen, aber auch hier ist man vor Ausfällen sicherlich nicht gefeit.
Und auf die Bühne nehme ich solche alten Instrumente auch nur im absoluten Ausnahmefall mit, immerhin gibt es heutzutage für fast alles wesentlich leichtere und ausfallsichere Digitalemulationen oder Nachbauten (auch wenn die Originale immer ein Quentchen besser sind).
Gruß
Michael