Analog Modeling: Wie "authentisch" bzw. nahe am Original?

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Tolayon
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Nachdem die Debatte gerade eben wieder im "Nord Lead 4"-Thread aufgeflammt ist, dachte ich ich eröffne hier mal eine allgemeine Grundsatzdebatte.

Ganze 18 Jahre ist es nun her, seit der "Analog Modeling"-Hype in Gestalt des damals sensationell neuen Nord Lead 1 seinen Anfang nahm. Andere Hersteller, gerade auch die großen Japaner sprangen schnell auf den Zug auf und schickten ein, zwei Jahre später jeweils ihre eigenen Versionen ins Rennen. Der Roland JP-8000 gilt bis heute als Klassiker, auch der Yamaha AN-1X (der einzige dezidierte VA-Synth dieses Herstellers) kann sich nach wie vor hören lassen, auch wenn er im Vergleich zum JP eher ein Nischendasein zu fristen scheint.
Korg hat sich derweil nicht lumpen lassen und mit dem Prophecy (monophon) und ein Jahr später Z1 (bis zu 12-fach polyphon) gleich Multi-Synthese-Monster auf den Markt gebracht, welche neben Analog- auch noch Physical Modeling und einige weitere Spezialitäten frei von Sample-Rom-Beständen auf Lager hatte. Leider konnte keines der Imitate auch nur annähernd überzeugend klingen (gerade die Natur-Emulationen feilen weit hinter den älteren VL-1 von Yamaha zurück), so dass diese alten Korgs heute nur noch von "Spezialisten" gesucht werden, welche gerade die digitale Eigenständigkeit des Sounds zu schätzen wissen.

Und damit sind wir auch schon mitten im Thema:
Bis heute scheint es zumindest einigen Herstellern Schwierigkeiten zu bereiten, analoge Synthesizer vollkommen authentisch auf binärer Basis nachzubauen, gerade auch Korg. Ich glaube es war der Radias, welchem in einem Testbericht der "Keyboards"-Zeitschrift bescheinigt wurde, mehr "digitale Hitze" statt analoge Wärme zu verströmen.

Ein weiteres Beispiel wäre die "Nova"-Reihe von Novation. In einem Youtube-Video wurde die kleinste Variante Mini-Nova demonstriert, ohne Frage ein potentes kleines Synth-Monster, aber "analog" klingt anders, wie gerade gegen Ende des Videos deutlich wurde. Dort diente der Mini-Nova nämlich als Masterkeyboard zur Ansteuerung von Arturias virtuellem Mini-Moog-Plugin und siehe da, auf einmal klang es schon viel wärmer und fetter, eben typisch nach Moog, auch wenn ein analoges Original noch eine Spur besser sein dürfte.

Man sieht (und vor allem hört) also, rein technisch sind weitestgehend authentische Emulationen durchaus machbar. Ich habe aber den Eindruck, dass die meisten Hardware-VAs nach einem "eigenständigen", eben typisch digitalen Klang streben, während die originalgetreuen Brüder allesamt als reine Software existieren (der Arturia Origin wäre vielleicht eine der wenigen Ausnahmen, eine zeitlang gab es auch noch die "ASB"-Expander von Creamware, die sich jeweils einem analogen Vorbild widmeten).

Ein Stück weit ist es, wie ich anhand einiger Diskussionen mitverfolgen konnte offenbar auch eine Frage der Philosophie:
Will bzw. sollte man die alten analogen Originale wirklich ersetzen oder nur ergänzen ?

Ähnlich wie schon beim "Acoustic Modeling" lassen sich auch hier die Hardware-bedingten Grenzen der Originale überwinden; ein neuer Wavetable-Oszillator zusätzlich zu den "analogen" Wellenformen lässt sich per Software-Update leicht integrieren, oder man erzeugt mit nur einem Oszillator gleich sieben oder mehr gegeneinander verstimmte Sägezähne, ein Feature, mit welchem der JP-8000 schlagartig eine neue Klangästhetik in die Trance- und Techno-Welt einführte.

Demgegenüber sind bei den Nachahmungen realer Analog-Synthesizer schon im Vorfeld gänzlich andere Überlegungen anzustellen. Sicher könnte man auch einen Prophet-V-Clone mit einem "Supersaw"-Modus ausstatten, aber wichtig ist hier erst einmal die Authentizität der einfachen Wellenformen, Filter und sonstiger Komponenten. Alle über das Original hinausgehenden Erweiterungen sind dementsprechend als optionale Kür zu sehen und werden auch oft über eigene Fenster/ Menügruppen eingebunden.
Manchen Analog-Enthusiasten geht es übrigens schon zu weit, wenn man eine Mini-Moog-Emulation polyphon spielbar anbietet, denn dadurch würde das Besondere des monophonen Originals verloren gehen.
Aber Hand aufs Herz: Würde hier jemand wirklich einen nur monophonen digitalen Hardware-Minimoog-Clone kaufen, der sich auch in seiner übrigen Ausstattung nur strikt an das Original hält und keine noch so geringe Erweiterung (wie PWM oder Ringmodulator) bietet?

Um wieder auf die klanglichen Eigenheiten/ "Defizite" der virtuell-analogen Synthesizer zurückzukommen:
Ein oft zu hörendes Merkmal ist die zuweilen ins Kreischen übergehende Rauheit der digital emulierten Oszillatoren. Ich selbst habe kurz vor der Jahrtausendwende mal einen Korg Z1 angetestet, der spitze Sägezahn in Verbindung mit der ebenfalls typisch digital klingenden Filter-Resonanz hat mich gleich abgeschreckt und ich dachte, da klingt selbst mein damaliger Roland JV-1000 (bekanntermaßen Sample-basiert) "wärmer".
Nun sollte man meinen, dass dies mit fortschreitender Technik und schnelleren Prozessoren kein Problem mehr sein sollte, aber selbst der brandaktuelle Prophet 12 (ein hybrider Synth mit analogen Filtern) klingt mit den nackten Oszillatoren gnadenlos rau, erst das Herumschrauben an einigen Parametern lässt die Sägezähne auch schon vor dem Filter etwas wärmer und lebendiger klingen.

Worüber ich ebenfalls oft lese, sind digitale Artefakte in Form von Aliasing oder sonstigem "Schwurbeln", welche anscheinend so gut wie alle VA-Synthesizer in besonders hohen oder tiefen Tonlagen produzieren, was mir angesichts von 24-Bit-Wandlern mit einer möglichen Auflösung von 96 KHz und mehr schon etwas seltsam erscheint.


Wie seht ihr die Gegenwart und vor allem Zukunft der VA-Synthese, wird sie - vielleicht schon bald - die Originale restlos überflüssig machen und sollte sie dies auch tun?
Denkbar wäre ja, analog zum HX-Konzept auf der Ebene der Hammond-Clones, eine digitale Soundkarte, die man anstelle der originalen Hardware in das Gehäuse eines betagten Analog-Synths einbauen kann.

Oder denkt ihr, die Entwicklung wird noch mehr in Richtung Eigenständigkeit gehen und die VA-Synthesizer werden und sollen bewusst weiterhin zumindest ein Stück weit "digital" klingen, um den echt analogen nicht vollends den Rang abzulaufen?
 
Eigenschaft
 
Hallo,


Ich denke mal das virtuell erzeugte Instrumente innerhalb einer Mischung ihre Daseinsberechtigung haben, und dort nur schwer vom Original zu unterscheiden sind. Allerdings können sie meiner Meinung nach niemals das Echte ersetzen.

Die Energie die z.b. von einem Klavier, einem echten Drumset oder einer Gitarre ausgeht, läßt sich nicht in einen Chip pressen.

Ähnlich verhält sich das bei analogen Synthesizern. Ohne auch nur die leiseste Ahnung davon zu haben warum das so ist, habe ich noch keinen digitalen Synth gehört der auch nur annähernd an den Klang eines analogen Synthesizers herankommt.

Ich habe mir stundenlang Demos vom neuen Prophet 12 angehört, weil das eigentlich mein nächster Kauf werden sollte. Was für eine Entäuschung.

Jetzt werden einige wieder sagen das man den Klang eines Synthesizers nicht nach einem Youtube Video beurteilen kann, das sehe ich aber nicht so.

Ich würde sogar so weit gehen das man gute Klangqualität auf einem Handy oder Ipad Lautsprecher hören kann.
Als Beispiel kann man den wunderschönen Klang des Schmidt Synthesizers selbst durch das Messegetöse sehr gut heraushören.


MfG.
Frank Kleinwächter
 
Sagen wir mal so: Wenn so ein Modeling-Synth nur Minimoog kann, wird man dafür keine horrenden Summen hinlegen müssen. Beispiel: Creamware/Sonic Core Minimax ASB. Hardware, digital, kann nur Minimoog und liegt gebraucht im Preisbereich eines Virus C. Dito SSM-Prophet in Form des Pro-12 ASB und ARP Odyssey (Mk 2 oder 3?) als Prodyssey ASB.

Jetzt nehmen wir mal so ein Teil, heutzutage wohl eher mit Arturia-Software drunter, machen es rein monophon und reduzieren die Möglichkeiten auf die eines echten Minimoog zuzüglich MIDI und evtl. noch USB. Jetzt kann man es auf einem derart schwachen DSP fahren, daß das Gehäuse das Teuerste am Gerät wird, und wenn's nicht unbedingt auch die Haptik eines Minimoog mit den gleichen Potikappen sein muß, kann man auch das noch eindampfen. Ich meine, mit einer der Gründe, warum sich die ASBs so zögerlich verkauften, war, daß man Geräte von der Größe eines Virus hatte, die nur einen konkreten Synth imiterten. In kleinerem Formfaktor wären sie dahingehend schon wieder attraktiver, und sie würden dadurch auch hardwareseitig weniger kosten. Minimoog-Sound auf Fricke-Größe zum Fricke-Preis.

Why not? Wenn das Teil gut und authentisch klingt, das Nachbarforum™ es offiziell als genehm abnickt und auch Moogulator keinen digitalen Schwurbel™ hört, verspricht das, ein Erfolg zu werden. Vielleicht könnte man dann auch andere analoge Klassiker im Kleinformat virtuell wiederauferstehen lassen, sofern die sich schrumpfen lassen.

Trotzdem sehe ich im Hardwarebereich eher die Fortführung dessen, was schon angefangen wurde: die Emulation mehrerer Analogklassiker in einem Gehäuse. Ion, Micron und Miniak haben es vorgemacht, Origin hat's zur Perfektion getrieben, und der King Korg ist das jüngste Beispiel. Gerade Arturia zeigt, was heute für Technik zur Verfügung steht. Da wird nicht an generischen Oszillatoren und Filtern usw. herumgefrokelt, bis sie ungefähr wie Moog oder ungefähr wie Jupiter klingen – da kommt Physical Modeling zum Einsatz, das die Originalschaltungen nachrechnet. Auf leistungsfähigen DSPs kann man das auch in Hardwaresynths einsetzen.

Mehrere Synths in einem Gehäuse bringen natürlich gewisse Kompromisse mit sich. Vor allem entfällt die komplette Originalhaptik, die komplette Originalbedienoberfläche. Puristen werden sich daran stören, beim Moogschrauben nicht diese typischen fetten Potikappen aus der Luftfahrtindustrie (kein Witz) in der Hand zu haben. Aber wie bitte will man die Oberflächen von 10 oder 20 emulierten Klassikern auf einem Synth in Hardware nachbilden – besonders wenn darunter bekannt ausufernde Maschinen wie Jupiter-8, CS80 oder Matrix-12 sind? Außerdem gibt's Fälle, da will man gar nicht die ganze Originalhaptik. Wenn man einen Matrix-6 oder JX-8P am Gerät programmieren will, wird man kirre, sowohl als Analogverwöhnter als auch als Workstationverwöhnter. Und Matrix-1000 und GX-1 kann man überhaupt nicht am Gerät schrauben.

Dann eher eine vereinheitlichte Lösung. Endlosregler, darüber Displays. Gab's schon etliche Male, kann man jederzeit wieder machen. Festbeschriftung hat den Nachteil, daß sie sich den Synthmodellen nicht anpassen kann, also flexibel machen. Oder eine Kombination aus einem Touchscreen und programmierbaren Echtzeitreglern.

Das andere Lieblingsmeckerthema von Puristen ist ja die Ausstattung. Nicht, daß ein Klon irgendwas vom Original nicht kann, das passiert höchst selten. Eher, daß ein Klon auf einmal Sachen kann, die er gar nicht können sollte, weil das Original die nicht kann. Jüngstes Beispiel ist der MS-20 in der Kronos, der auch polyphon geht. Dem könnte man mit entsprechenden Schaltern (in Menüs, da muß man nicht ständig ran) begegnen, die Zusatzfeatures freischalten. Einen, der die Polyphonie freischaltet oder erweitert, einen für andere Funktionen, alle standardmäßig abgeschaltet.


Die zugrundeliegende Engine sollte gleichwohl hochwertig sein. Ich erwähnte ja schon Arturias Elektronik-Physical-Modeling. Das geht im Grunde überall anzuwenden. Diskret aufgebaute Synths sind einfach. ICs gehen auch, Arturia hat den Prophet-5 gemodelt. Digital ist Software, da muß nicht gemodelt werden. Wandler kann man heutzutage auch gut nachahmen, siehe der Verschmutzungsmodus auf Rolands VC-1-Karte (D-50 für V-Synth und VariOS) und der eine oder andere DX7-Klon. Mit anderen Worten: Alles schon dagewesen. Und DSP-Leistung ist heutzutage kein Thema mehr. Man sehe sich mal an, wie alt der Virus TI2 ist, was der alles kann, und dann, wieviele Stimmen der damals schon hatte.

Solch gehobene Authentizität ist absolut sinnvoll. Es kostet zwar einiges an Entwicklungsarbeit, manches aber nur einmal, das kann man immer wieder bzw. für länger verwenden. Rechenleistung ist kein Argument mehr für einfache und gegen realistische Lösungen. Ein Argument für Authentizität ist ganz klar: Mach es authentisch, bevor die Konkurrenz es authentischer macht. Mit einer angenäherten Ungefähr-Emulation gewinnt man keinen Blumentopf, wenn ein Konkurrent in derselben Preisklasse vor einem halben Jahr einen Synth hingestellt hat, der klingt, als wenn U-he oder Xils die Firmware programmiert hat.

Solche Super-VAs haben durchaus eine Existenzberechtigung. Es gibt genügend Musiker, die authentische Analogsounds haben und mit Hardware arbeiten wollen. Das heißt, generische VAs oder gar Rompler kommen nicht in Frage, alles aus einem Klapprechner oder Tablet zu holen, kommt auch nicht in Frage. Originalgear hat aber auch seine Tücken:
  • Platzbedarf und Gewicht einer umfassenden Synthesizerausstattung gehen auf keine Kuhhaut
  • voll spannungsgesteuerte, besonders diskret aufgebaute Analogsynths sind alles mögliche, aber nicht stimmstabil – fragt Jarre
  • gewisse Klassiker sind nicht speicherbar – schon in den 70ern sind gewisse Künstler oder Bands teilweise mit mehreren baugleichen Synths (z. B. Minimoogs) getourt, weil man nicht auf andere Sounds umschalten konnte
  • wenn sie speicherbar waren, war das Sichern und Zurückspielen des Speichers ein Akt für sich (proprietäre RAM-Karten, Tapebuchse, überhaupt nicht möglich)
  • Instandhaltung und Ersatzteilversorgung gerade bei den Synths ab Mitte der 70er – ein SSM-Prophet ist eine Zicke und braucht viel Zuwendung, und wenn am CS80 was kaputtgeht, braucht man ein Schlachtgerät, weil es keine Ersatzteile mehr gibt
  • Rauschverhalten – das Rauschen eines alten Hall- oder Effektgeräts mag seinen Charme haben, aber z. B. ein Polymoog hat einen katastrophalen Rauschabstand, den kein Noisegate wirklich bändigen kann – fragt Benny Andersson
  • MIDI führte man ein, als man schraubbare Oberflächen abschaffte – die "coolen" Synths haben fast alle kein MIDI, und das wird man spätestens dann brauchen, wenn man einen Sequencer einsetzt (und nein, CV/Gate hatten die meisten auch nicht)
Man stelle sich mal auf einen Doppelständer einen King Korg und einen Miniak. Jetzt stelle man sich vor, die Synths, die die beiden emulieren können (wenngleich das noch kein Arturia-, U-he- oder Gforce-Niveau ist), hätte man alle "in echt" da, und zwar genügend, um auch die entsprechende Anzahl an Sounds für einen ganzen Liveauftritt zu haben. Allein die ganzen Minimoogs. Und jetzt stelle man sich vor, man müßte den ganzen Kram spielen. Spätestens wenn der Jupiter verstimmt ist, vergeht einem die Laune.

Mit so einem Super-VA hätte man diese Sorgen nicht. Da steckt alles in einem Gehäuse, speicherbar, total-recall-bar, stimmstabil, platzsparend und ohne den Bedarf eines ganzen Technikerstabs.

Auch was Tolayon sagte mit dem "Technik-Implantat", mit dem man die Hülle eines intern abgerauchten Synthesizerklassikers mit Digitaltechnik weiter am Leben halten kann, ist durchaus sinnvoll. Wie gesagt, bei nicht wenigen Synths ist die Ersatzteillage irgendwo zwischen katastrophal und überhaupt nicht mehr existent. Daß so begehrte Synths wie der Yamaha CS80, wie ich schon schrieb, nur mit "Organspenden" am Laufen gehalten werden und im Zuge dessen der gern als Schlachtvieh genutzte CS60 ausstirbt, ist der beste Beweis. Den alten Gehäusen kann man ein längeres Leben bescheren, wenn man sie mit moderner Digitaltechnik kombiniert. Entkernen, neue, erheblich kleinere Digitaltechnik rein, vielleicht sogar Speicherbarkeit erweitern, und man hat einen Oldtimer mit moderner Technik, der immer noch wie der Oldtimer klingt – nur daß er jetzt z. B. sich nicht mehr ständig verstimmt –, gleichzeitig aber höchstens noch die Hälfte wiegt. Mit voller MIDI-Implementation würde ein redigitalisierter CS80 sogar ein affengeiles Masterkeyboard abgeben (Poly Pressure!).

Bei einem Minimoog (eigentlich unnütz, im Minimoog steckt Landmaschinentechnik™, der raucht nicht ab, und wenn, ist das relativ leicht zu beheben) könnte man nicht nur MIDI nachrüsten, sondern einen Klangspeicher, den man über USB managen kann (USB To Device, Mobilgerät dran, macht sogar den Laptop überflüssig), und zum Aufrufen der gespeicherten Sounds gibt's Doppelbelegung der Tastatur. Umrüstsätze für den Prophet-5 würden die beiden SSM-Generationen stabil und wartungsarm machen und der CEM-Generation (wahlweise) den alten SSM-Sound bescheren.

Vor allem ist das eine preiswerte Rettung, wenn eins der eigenen großen Analogschätzchen mal das Zeitliche segnen sollte. Was macht man dann mit dem heißgeliebten, aber abgerauchten Xpander? Reparieren lassen? Wird entweder schweineteuer inklusive Versand ins Ausland, weil gerade diesen Schaden in Deutschland keiner repariert kriegt, oder ist gar nicht möglich, weil gerade was kaputtgegangen ist, wofür es keine Ersatzteile gibt. Entsorgen? Nein, die Nerven hat man nicht, einen optisch noch schönen Xpander als Ganzes dem Elektroschrott zu überantworten, wo man gerade über den plötzlichen und unerwarteten Verlust der Funktionsfähigkeit hinwegkommen muß. Zum Angucken aufstellen? Nee, nimmt viel Platz weg und setzt auf der Riesenoberfläche Staub an, außerdem ist er zum Hinstellen zu schade – wäre er, liefe er denn noch. Zum Schlachten weggeben? Die Nerven... Aber es gibt doch eine Rettung: Da kann man doch die ganze alte Elektronik rausreißen und statt dessen Digitaltechnik einbauen lassen bis hin zu neuen Displays! Kein Rumärgern mehr mit alter Analogtechnik, neue Features, vernünftiges MIDI, der gleiche Sound wie vorher, und günstig wird's auch noch, weil man die Analogkomponenten in Zahlung geben kann, die dann zum Originalrestaurieren von Xpandern und Matrix-12en genutzt werden kann, deren Eigner sie auch von innen original halten will.


Wo man solche Sachen heute noch einsetzen soll? Gerade in elektronischer Musik, VSTis und iOS-Apps hin oder her. Und zwar dann, wenn es klingen soll wie vor ein paar Jahrzehnten. Früher hatte Elektronik immer etwas Futuristisches. Im Augenblick aber gibt's mehr denn je einen Blick zurück, der sich nicht mit Scheuklappen auf den Minimoog und die 303 reduziert. Klassische Elektronik, die EDM-Vorläufer, New Wave, Synthpop, der Sound der 80er, all das ist im Moment gefragter denn je. Wieviele Elektronik-Acts kokettieren heutzutage ganz offen mit den Stilistiken und den Klangcharakteristiken von damals.

Das im Studio hinzukriegen, ist die halbe Miete. Klar, das geht auch mit VSTis. Aber live? Da kann man nicht einfach einen Laptop oder ein iPad hinstellen. Das gab's in den 80ern noch nicht. Wenn man das Feeling der 80er rüberbringen will, muß das auch optisch geschehen, und das geht nur in Form von Synth-Setups, die aus viel Hardware bestehen. Das Auge ißt mit, das wußten schon die Bands, die am hinteren Bühnenrand Marshall-Attrappen aufstellen ließen, und das weiß Jarre, der teilweise seltene Synths im Wert von über 100.000 € auf der Bühne installieren läßt. Für die Masse schwebt da das "Synthesizermusik war früher noch schwer zu machen"-Feeling mit, und ganz besonders spricht es die an, die Synthesizer spielen, die damals Synthesizer gespielt haben, oder die damals gern Synthesizer gespielt hätten, sich die Dinger aber nicht leisten konnten (selbst mit Ferienjobs bekam man als Schüler nicht mal das Geld für einen Poly-800 oder Alpha Juno zusammen) und sich darauf beschränken mußten, mit verklärtem Blick in Prospekten und Fachzeitschriften zu blättern mit Synthpop auf dem Kopfhörer.

Das wäre dann auch ein erstklassiges Einsatzgebiet für "redigitalisierte" Klassiker. Sie sehen authentischer aus, besonders, wenn beim technischen Umbau das Gehäuse zugunsten der Roadtauglichkeit nicht in Mint Condition zurückversetzt wurde. Und vielleicht erkennt der eine oder andere im Publikum die Synthesizer wieder, von denen man damals träumte und mit höchster Ehrfurcht sprach, während sie einem unter den Händen von Horn, Clarke, Moroder & Co. unentwegt aus dem Radio entgegenschallten.

Eine komplette Abkehr von den klassischen Sounds sehe ich also nicht. Nicht jetzt, nicht kurzfristig, und weil es inzwischen nicht mehr die hart abgegrenzten musikalischen Moden und besonders Revivals gibt, die es noch vor einigen Jahren oder Jahrzehnten gab – heute ist musikalisch und klanglich alles erlaubt –, auch langfristig nicht. Eher wird in absehbarer Zeit sogar noch mehr mit dem Retro-Futurismus sowohl der 70er als auch der 80er kokettiert.


Den "harten", "digitalen" Sound mancher heutiger VAs wird es weiterhin geben, aber nicht mehr so sehr, weil man es nicht anders kann. Das werden dann eher Synths sein wie der Venom, die absichtlich so gestrickt werden und dann eher damit überraschen, daß sie auch "warm" können. SuperSaw ist inzwischen selbst fast schon vintage, und Trancehupen sind inzwischen so ein Klischee, daß sie gerade deswegen verwendet werden.

Möglicherweise wird sich die Welt der VAs in Zukunft dreigliedrig aufteilen: erstens die Vintage-Emulatoren, zweitens das Harte, Digitale, Schneidende (dazwischen dann die 8-Bit-Ästhetik), drittens Hi-Fi à la Accelerator, nur noch weitergetrieben, also der digitale "perfekte Synthesizer" ohne Artefakte, ohne digitalen Schmutz und ohne imitierten analogen Schmutz, wo das Fehlen von "Charakter" selbst zum Charakter wird.


Martman
 
Worüber ich ebenfalls oft lese, sind digitale Artefakte in Form von Aliasing oder sonstigem "Schwurbeln", welche anscheinend so gut wie alle VA-Synthesizer in besonders hohen oder tiefen Tonlagen produzieren, was mir angesichts von 24-Bit-Wandlern mit einer möglichen Auflösung von 96 KHz und mehr schon etwas seltsam erscheint.

Aliasing lässt sich auch mit höheren Sampleraten (die Bits per Sample sind irrelevant) nicht vermeiden, nur verringern, das liegt in der Natur der digitalen Sounderzeugung. Gerade in den höheren Lagen ist man schon bei wenigen Obertöne über dem Grundton in Frequenzbereichen, die jenseits der Nyquist-Frequenz liegen und somit Aliasing produzieren. Je weiter über der doppelten Samplingfrequenz diese Schwingungen liegen, desto tiefer die gespiegelten Aliasing-Artefakte.

Allerdings sind die Filter und Algorithmen, die das Aliasing abschwächen, in den letzten Jahren sehr viel besser geworden. Dass man das auch schon vor 10 Jahren gut konnte zeigen allerdings die schon erwähnten Creamware-Produkte. Dazu brauchte man aber für damalige Verhältnisse recht viel Prozessing-Power und das mit speziellen Sound-DSPs. Heutzutage ließe sich das vielleicht schrumpfen, aber was die Creamware-Geräte attraktiv macht, ist doch m.E. gerade die Bedienoberfläche, die sich eng an die Originale hält.

Moderne virtuell-analoge Softsynths (z.B. u-he Diva) lösen das Aliasingproblem u.U. durch massives Oversampling, was durch moderne Multicore-Prozessoren ermöglicht wird. Reine Hardware-Synths mit so viel Prozessingpower gibt es m.W. nicht auf dem Markt.
 

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