Der Club der toten Quinten
Ein ganz persönlicher Rückblick auf ein außergewöhnliches Wochenende
...wieder einmal ist das Wetter trostlos, der Himmel grau, leichter Sprühregen. Diesmal im Bayrischen Wald unterhalb des Brotjacklriegels (1016m üNN), bei meinen Eltern; der Vater heizt den Kachelofen an, damit es am Abend angenehm warm ist in der Stube (nach seinem Verständnis so zw. 28 und 30° C....) Und so verwundert es nicht, dass die Gedanken abschweifen, zurück zum vergangenen Wochenende, zurück nach St.Georgen....
....angenehm warm war es auch in Inge´s Loft-Atelier-Studio-Wohnung, wo sich 19 Akkordeonspieler und -Interessierte eingenistet und breitgemacht haben. Breitgemacht im wahrsten Sinne des Wortes, denn es war (wie schon von Monheim her bekannt) eine gigantische Materialschlacht mit 24 Akkordeons, 2 Gitarren, einem Dudelsack, 5 Kisten Bier, 3 Flaschen Hochprozentiges, unzählige Weinflaschen, 40 (!) Frikadellen ( für die nichthochdeutschen: Fleischpflanzerl, Buletten, Fleischküchle, Klopse, Hawai-Pralinen usw.)
3 versch. Aufläufe, Nudelsalat, 2 superleckere Kuchen (ich bin und bleib halt ne Nachkatze...) und kiloweise Noten....
Doch zurück zum Anfang:
Wie im Board besprochen, holte Max-maxito ( natürlich in den obligatorischen Sandalen....) mich am Freitag Morgen zuhause ab, um zum Treffpunkt des Schwarzwald-Treffens zu fahren, der Firma Hohner in Trossingen, wo uns die Ehre zuteil wurde, extra für uns Akkordeonisten eine Werksbesichtigung zu erleben, die - so die Insider - offiziell gar nicht mehr durchgeführt werden. Wie es sich für uns Schwaben gehört, waren wir überpünktlich und konnten uns vorher noch mit ´nem Kaffee und ´ner Brezel stärken.
Vor den Toren der wohl bekanntesten Akkordeon-Fabrik der Welt dann das Zusammentreffen mit den anderen Teilnehmern; freudige Begrüßung der bekannten Gesichter, erstes Überprüfen der "virtuellen" mit den realen, noch unbekannten Personen, dann rein ins Allerheiligste.... photographieren verboten!!! 2 Führungskräfte, der Fertigungsleiter und der Leiter Entwicklung und Forschung, nahmen sich die Zeit, uns die heiligen Hallen des Trossinger Werkes zu zeigen. Von ehemals 5000 Mitarbeitern vor Ort auf ca. 180 geschrumpft, sind noch ca. 20 Mitarbeiter der Akkordeon-Produktion für die Modelle Corona, Genius, Gola und Morino tätig.
Die Führung ging durch große Materiallager zu einer vollautomatischen Fertigungsstrasse, in der ca. 1 Mio -Kunststoff-Blockflöten und 1 Mio. Mundharmonikas gefertigt werden (pro Jahr, versteht sich); vorbei an einer riesigen Versandabteilung, in der sich 2 Mitarbeiter meiner Meinung nach nicht gerade überarbeiteten, vorbei an einer sehr übersichtlichen Holzwerkstatt mit wenigen Arbeitsplätzen und Maschinen, in denen wohl die Gehäuse für Morino, Gola und Genius hergestellt werden. Highlight für uns waren natürlich die Arbeitsplätze, an denen dann die Modelle entstehen; wir konnten beobachten, wie eine Piano-Tastatur aufgebaut und wie Stimmplatten auf den Stimmstock gewachst wurden, einem HZIMM ( wer´s nicht weiß, stehe in die Ecke und schäme sich....!!) beim Sortieren von Stimmplatten zusehen, den Aufbau einer Bassmechanik beobachten, beim Stimmen zusehen und zuhören, und erlebten die Endkontrolle einer Morino.
Obwohl ich persönlich den Eindruck hatte, dass man seitens Hohner einiges nicht gezeigt hat, weil es einfach nichts zu sehen gab, dass das Nichtbeantworten mancher Fragen (Stichwort China) deutlicher war, als es eine Antwort gewesen wäre, so darf man doch davon ausgehen, dass man beim Erwerb eines Hohner-Oberklassen.Akkordeons ein Qualitätsprodukt "Made in Germany" bekommt. Die beiden neuen Morino´s von Franzi und Nobi bestätigen mir diesen Eindruck!.
Nach einem sehr reichhaltigen Mittagessen (angesichts der Größe der Portionen mussten einige von uns rausgerollt werden....) im Landgasthof "Bären" ging es zur Werkstatt von Pedro Gomez, der im Industriegebiet Schura eine hochmoderne, einladende Akkordeon-"Klinik" hingestellt hat. Herrn Gomez durfte ich als eindrucksvollen, bescheidenen Menschen kennenlernen, der nur den Mund auftat, wenn er auch was zu sagen hatte, dem aber keine Frage zuviel war. Man spürt die Kompetenz dieses Mannes für unser geliebtes Instrument sofort.
Wir wurden in einem eigenen, sehenswerten Museum empfangen, in dem mehr Modelle aus Klingenthal als aus Trossingen zu bestaunen waren, und während wir Herrn Gomez mit unseren Fragen löcherten, nahm er sich noch die Zeit, das eine oder andere Instrument von uns auf Herz und Nieren zu prüfen.
Da ich schon einige Instrumente spielen durfte, die hier generalüberholt wurden, konnte dies meinen Eindruck nur bestätigen: Wer sein geliebtes Instrument in gute, fachlich kompetente und liebevolle Hände zur Reparatur geben möchte, ist hier genau an der richtigen Adresse!!!
Für mich steht fest: meine kleine Bugari wird bei "Gomez" überholt!!
Die anderen Events, die wir noch geniessen durften, wurden von anderen Teilnehmern schon eingehend beschrieben, sodaß ich diese hier überspringen kann.....
....nur eines muß ich noch hinzufügen: bei seinem Vortrag erklärte uns Herr Lindemaier den Quintenzirkel und wie ein Akkordeon anhand von Grundton, Quinte, großeTerz gestimmt werden kann, wobei es sich um eine tote, nichtklingende Quinte handelt, also ohne Schwebung; erst durch die richtige Stimmung der Terz kommt es zu eine leichten Schwebung im Dur-Akkord und damit zum Leben....
.... diese Erklärung und Formulierung hat unsere Phantasie für den Rest des (sehr langen) Abends dermaßen beflügelt, dass daraus sofort ein Duo "Die toten Quinten" entstand (nämlich Franzi & Leo) und wir uns nach reichlichem Genuss von Franzi´s Apfelbrand spontan zum "Club der toten Quinten" zusammen schlossen....
....
Trotz aller großartigen Events und Eventchens beeindruckt mich ( und das nachhaltig) bei diesem Treffen am meisten, dass es möglich ist, 20 grundverschiedene Menschen in einen Topf zu werfen, mal kurz umzurühren und serviert wird nach kürzester Zeit eine Familie.....
...eine Familie, wo jeder so sein darf wie er ist, wo jeder auf den anderen eingeht und Rücksicht nimmt, wo jeder dem anderen helfend unter die Arme greift, wo jeder dem anderen zuhört und wo ihm zugehört wird..... und jeder den anderen mag... auf seine ganz persönliche, grundverschiedene, nicht immer einfache, aber immer EINZIGARTIGE Art!!!
.... sorry, ich muß mir grad ein Tränchen verkneifen......
Inge, Franzi, Manu, Carsten, David, Heinz mit Ehefrau, Leo, Manfred, Max, Norbert, Olaf, Ralf, Reinhard, Tim, Sobby, Stefan (ich hoffe, Du schriebst Dich nicht mit "ph",Accordion!!) und Willy........ ihr seid einzigartige Menschen, ich bin sehr stolz, Euch kennen gelernt zu haben.... und ich mag Euch!!!!
In tiefer Dankbarkeit
[FONT="]Euer Roland[/FONT]