Hallo zusammen,
eigentlich wollte ich nichts zu dieser Diskussion beitragen, die sich meinem Eindruck nach hier eher auf den mit elektronischen Helferlein erzielbaren Output konzentriert. Wenn es nur darauf ankommt, dann ist das zu 50% oder 100% mit Playback-unterlegte Geturne in Musicals oder vergleichbaren Darbietungen auf Datenträgern, im TV, YT oder sonstwo im Netz unschlagbar. Das ist aber der reine Consumer-Aspekt.
Es ist sicher nur eine Minderheit, die als Konsumenten darauf Wert legen, dass das Produkt nicht nur Fassade ist, sondern bis auf den Grund echt ist bzw. aus dem besteht, was die Fassade vorgibt zu sein - als Beispiele seien Klassikdarbietungen oder Jazz-Musik im intimen Rahmen genannt. In manchen anderen Branchen als der Musik wird es hingegen von einer Mehrheit als besonders wertig angesehen und als solches auch kommuniziert, wenn das Produkt durch und durch echt, quasi durchschaubar oder elementar verständlich funktioniert. Als Beispiele seien hier Echtholzmöbel oder mechanische Schweizer Uhren genannt. Für beides gibt es genauso gute oder vielleicht sogar besser funktionierende KI-Alternativen. (Zugegeben, bei den Möbeln spielt KI eher in der Produktion als beim fertigen Produkt eine Rolle). Bei diesen Beispielen ist der wirtschaftliche Erfolg oft fragil - vergleichbar zur Musik. Das ist ja der hier im Forum oft beklagte Zustand.
Obwohl ich selbst eher der rationalen Fraktion angehöre, möchte ich an dieser Stelle aber auf einen bisher nicht genannten emotionalen Aspekt für den Produzenten bzw. Musiker hinweisen: die Arbeit ohne weitergehende Hilfsmittel, elektronischer, KI-gestützter oder sonstiger Art, und ohne solche gewisse Fertigkeiten oder Ziele zu erreichen führt oft zu einer inneren Befriedigung und einem Selbstwertgefühl, welche mit Unterstützung durch potente Helferlein niemals zu erreichen sind. "Das habe ich selbst gemacht ohne Zuarbeit anderer", "das ist aus dem Vollen geschnitzt".
Das gilt für die selbst gefundene Lösung einer Mathe-Aufgabe, man steht doch mit einer ganz anderen Haltung da, wenn man die Lösung selbst entwickelt hat und nicht nach Art eines Trüffelschweins diese aus dem Internet herausgekratzt hat. Oder wie fühlt man sich, wenn man die 100m erstmals unter 11 Sekunden gelaufen ist, obwohl es mit dem Fahrrad oder Moped mühelos schneller gegangen wäre. Und wieviel besser fühlt es sich für den Spieler an, einen Tango auf dem Akkordeon hingekriegt zu haben, sodass es sich auch nach Tango anhört, ohne dass eine Rhythmusmaschine und irgendwelche sonstigen KI-Helfer im Hintergrund einen Rhythmus- und Klangnebel ausbreiten. Und die passenden Sounds aus einem Roland herauszufieseln oder nach den passenden Apps zu suchen - das Trüffelschwein lässt grüßen.
Also halten wir auseinander: wer dem Mehrheitspublikum gefallen will und möglicherweise davon leben muss, der muss sich nach dem schieren Output richten. Und der ist nunmal mit KI oder ähnlichem meist leichter zu optimieren als ohne. Wer es sich als Musiker erlauben kann, etwas für seine eigene oder die Seele eines Minderheitspublikums zu tun, der wird das eher ohne künstliche Helferlein erreichen.
Meint morino47