Ich komm jetzt wieder mit meinem Lieblingsdreiklang an, dass man das Musikmachen, wie viele andere Dinge im Leben auch, über Hören+Sehen+Fühlen lernt. Wen ich jetzt nerve, weil ich seit 20 Jahren immer das Gleiche schreibe, möge bitte drüber hinweglesen
Aber es ist so eine fundamentale Sache, die sich eher immer wieder bestätigt, je länger ich unterrichte und Ensembles leite.
Viele Musiker praktizieren bewusstes
Hinsehen (auf das Instrument, die Noten, Hände…) und
Hören (eigener Ton, Töne der Mitmusiker, Gesamtklang des Ensembles) beim Musikmachen problemlos und ständig und oft auf hohem Niveau.
Bewusstes
Fühlen wird dagegen oft vernachlässigt, dabei wäre es so wichtig für Gehörbildung. Auf jedem Instrument sind ganz bestimmte Aktionen mit dem Körper nötig, um bestimmte Klänge zu produzieren, die den Körper dann auch wieder in fühlbare Schwingungen versetzen. Palm Muters Beispiel Posaune ist ein hervorragendes Beispiel, da ich das Instrument auch spiele (Hauptinstrument im Studium): die Zugposition fühle ich im rechten Arm und der rechten Hand, den Blasdruck fühle ich im Körperinnern, die Schwingung der Lippen spüre ich rund um den Mund und die resultierende Schwingung des Tones fühle ich im ganzen Körper.
Wer schonmal z.B. Töne der Kontra-Lage auf der Posaune gespielt hat, wird sich an den Gefühlsmix erinnern, er ist - wenn richtig gemacht - physisch und seelisch bewegend. Hinterher ist man durch die Erfahrung ein klein wenig ein anderer Mensch. Ähnlich dürfte es beim ersten Powerchord auf einer E-Gitarre oder dem ersten Tutti-Akkord an einer Kirchenorgel sein. Bewegende Gefühle
Und im Kleinen das gilt auch für eine einzelne gezupfte Saite einer Akustikgitarre. Und vor allem, jetzt kommts, für zwei hintereinander liegende Töne. Wenn man oft Töne auf benachbarten Bünden greift, wird man irgendwann das Spielgefühl mit dem gehörten Abstand (ein Halbtonschritt) zusammenbringen. Ab da bilden das Greifgefühl und der gehörte Abstand eine Einheit. Wir Menschen neigen zur Abstraktion von gehörten Klängen und geben ihnen gerne abstrakte Namen, um sie wiederzuerkennen und zu beschreiben („Martinshorn“, „Japanisch“, „Satzteil“…). Das gleiche kann man auf dem Instrument machen und den Halbtonschritt kleine Sekunde nennen, egal wo der Halbtonschritt auf der Gitarre gespielt wird. Und egal, ob er von einer Gitarre oder zwei Piccoloflöten erklingt.
Wenn man das mit vielen Klängen macht, kommt man vom Sehen+Hören+Fühlen zur Benennung von einfachen musikalischen Strukturen. Das ist ein meiner Meinung nach sehr effizienter Weg zur Gehörbildung.
Darüber hinaus kann man noch andere Dinge in der Gehörbildung lernen als Intervalle, z.B. Formen hören. Dazu ist allerdings erst ein gewisses Vorwissen nötig.