Mich würde interessieren ab wann Du dem Schüler sagst er soll ein linkes Instument probieren. Gleich von Anfang an wenn sich der Ersteindruck und Selbstidentifikation dafür aussprechen?
Für mich ist die Frage eines Rechtshänder-Instruments nicht minder interessant. Daher mache ich bezüglich der Haltung zunächst keine Vorgaben, und lasse den Schüler mehrfach zwischen R oder L wechseln (ich habe dafür immer zwei Testinstrumente für beide Händigkeiten bereitstehen). Hier muss ich bereits einschätzen können, ob eine bestimmte Richtungspräferenz lediglich auf Unkenntnis des Instruments oder auf unreflektierter Nachahmung beruht, oder ob sie aus einem intuitiven, und daher ernstzunehmenden Reflex ("fühlt sich richtig an") resultiert.
Grundsätzlich lasse ich allerdings auch weit über die Anfangsstunden hinaus einige Übungen abwechselnd und mit umgedrehtem Instrument mit beiden Händen ausführen: Wer z.B. als Rechtshänder einmal mit der linken Hand Zupfübungen gemacht hat, wird erstaunt sein, wie mühelos anschließend Abzüge/POs funktionieren!
Da auch die Gitarre ein bimanuales Instrument ist (ein Umstand, der sich bei Musikern mit langjähriger Praxis u.a. in einer messbaren Verdickung des
Corpus callosum und damit einhergehend in einer noch stärkeren Vernetzung der ohnehin nicht wirklich als getrennt anzusehenden Gehirnhälften niederschlägt), bei der sich ab einem gewissen Niveau die feinmotorischen Anforderungen beider Hände im Anforderungsgrad nicht mehr wirklich unterscheiden (das reine Plektrumspiel ist natürlich weniger "fingerlastig", stellt dafür aber andere, keinesfalls triviale Ansprüche an die unterstützende Peripherie), halte ich die Frage der R-L-Ausrichtung des Instruments zunächst sogar für weniger bedeutsam.
So liegt mein Augenmerk anfänglich v.a. auf den individuellen Reaktionen angesichts elementarer musikalischer Aufgabenstellungen, die mir bezüglich der Händigkeit im Instrumentalspiel als weitaus aussagekräftiger erscheinen, als laterale Alltagspräferenzen: Instrumentalspiel hat weder etwas mit der Haltung des Schulfüllers zu tun, noch mit den sich bei Linkshändigkeit ergebenden Konflikten zwischen Schreibrichtung und Schreibwerkzeug ("schieben" statt "ziehen")!
Um hier wenigstens einen einzelnen Aspekt zu nennen:
Mit welchem Fuss tappt jemand einen Referenzpuls (Metrum), während einfache Klatsch- oder Anschlagsrhythmen ausgeführt werden?
Im überwiegenden Fall ist dies - auch mehrheitlich bei Linkshändern (!) - der rechte Fuss, was darauf verweisen kann (aber nicht muss), dass sich die linke Gehirnhälfte "theoriekonform" verhält und bei
Timing-Funktionen etwas dominanter agiert.
Es gibt, wenn auch weitaus seltener, auch den umgekehrten Fall - hier zwar etwas häufiger bei Linkshändern, aber durchaus auch bei Rechtshändern.
Wäre dies das alleinige Kriterium (was es allerdings nicht ist und auch nicht sein sollte), würde ich die Anschlagshand als dominantem "Zeitgeber"
in jedem Fall (d.h. unabhängig von sonstigen Händigkeitspräferenzen!) auf der Seite lokalisieren, die das bessere Timing aufweist.
Das wäre dann ein erster Anhaltspunkt für die folgenden Unterrichtseinheiten, aber natürlich noch keine endgültige Entscheidung. Diese hat dann weitere Aspekte zu berücksichtigen, wie z.B. die Stabilität der Motorik bei gleichzeitigen visuellen Aufgaben (Noten, Tabs), oder die Synchronisation von Fingern (simultan oder zeitlich leicht "nachhängend" mit einer deutlich wahrnehmbaren "Führungshand").
Durch die in den ersten Wochen jederzeit gegebene Möglichkeit, zwischen L und R zu wechseln, kann sofort überprüft werden, ob ein auftretendes Problem lediglich allgemeiner Natur ist (dann hilft eben nur Üben), oder sich durch einen Wechsel auf die andere Seite gleichsam "von selbst" wenn schon nicht in Luft auflöst, dann doch zumindest signifikant verbessert.
Da aber immer der Schüler als derjenige, der sagen muss, was sich für ihn "richtig anfühlt", die letzte entscheidende Instanz ist, bedarf es hier einer gewissen Geduld und auch seitens des Schülers einer minimalen Spielerfahrung, damit es nicht zu einer Fehleinschätzung kommt, die z.B. auf eine von der Händigkeit unabhängige Fehlhaltung des Instruments oder aus physiologisch bedingten Störungen im Bewegungsapparat zurückführbar ist.
Der Knackpunkt ist, dass das arg vereinfachende und zudem überholte Modell der Hemisphärendominanz einen Zusammenhang zwischen "Gehirnhälften" und Händigkeit konstruiert, der den Anforderungen des Instrumentalspiels (und auch sonstigen Realitäten) nicht gerecht wird. Richtig ist, dass die Hemisphären zwar tendenzielle Dominanzen haben, und dass die "Signalübermittlung" über Kreuz erfolgt (L steuert R und umgekehrt), dass bedeutet aber nicht, dass Linkshänder zwangsläufig "andersherum ticken".
Ich bin daher zu der rein pragmatischen und allein von instrumentaltechnischen Überlegungen geleiteten Erkenntnis gekommen, dass der überwiegende Teil der Spieler (unabhängig von ihrer Alltags-Lateralität) in erster Linie von einem methodisch, diagnostisch und physiologisch fundierten Unterricht profitiert. In welche Richtung dabei der Gitarrenhals zeigt, ist zunächst unwesentlich und nur in ganz wenigen Fällen wirklich relevant. In diesen Fällen besteht dann allerdings auch Handlungsbedarf.