Hallo zusammen und vielen Dank schon mal für die vielen Antworten - ich werde jetzt mal versuchen, nach und nach auf das einzugehen, was ihr schreibt, da waren schon viele gute Gedankenanstöße dabei.
@Jakari:
Scheiss auf die Gesangslehrerin (4 Jahre Unterricht sind genug), geh raus auf die Bretter, such Dir ne Band bzw Musiker.
Lass mal alles Gehirne ala Fortschritte usw weg, und "... lebe Deine Stimme" mit Mitmusikern. Drück Dich aus, und lern davon.
"Gehirne" habe ich von dir schon mal in einem anderen Zusammenhang gelesen, zum Hirnen neige ich tatsächlich. Ich würde nicht grundsätzlich sagen, dass 4 Jahre Unterricht "genug" sind, aber 4 Jahre Unterricht, in denen sich am eigentlichen Thema so wenig bewegt, sind definitiv schon zu viel und rausgeschmissenes Geld (auch wenn das nur ein Nebenaspekt ist). Den Versuch, mit anderen Leuten zusammen zu musizieren, habe ich bisher erst einmal unternommen, da war ich auch ziemlich motiviert. Aber da stieß ich - neben der Unvereinbarkeit unserer musikalischen Vorlieben - auch ziemlich schnell auf die von dir erwähnte Unsicherheit, und da habe ich mich auch schwer getan, das zu "liefern", was ich eigentlich kann. Aber das waren auch Leute, die ich aus einem anderen Zusammenhang persönlich kenne und sehr mag, vielleicht nicht die besten Voraussetzungen, um sich in die Musik fallen zu lassen.
Das mit der Verkrampftheit habe ich mir bisher so erklärt, dass eine Stimme ja was sehr Persönliches ist - schief oder scheußlich zu singen, ist irgendwie peinlicher, als ein Stück am Instrument zu vergeigen. Wenn Gesang nicht gut klingt, wird das m. E. viel schneller auf mangelndes Talent geschoben (auch, weil diese unseligen Castingshows suggerieren, dass da draußen unzählige Stimmwunder herumlaufen, die mit ein paar Coaching-Sessions singen können wie Whitney Houston); wenn sich jemand am Instrument verspielt, denkt der Zuhörer eher, dass da einfach noch die Übung und/oder Erfahrung fehlt. Beim Singen geht's irgendwie auch noch mehr um eigene Emotionen, glaube ich. Vielleicht habe ich aber auch eine verschobene Wahrnehmung vom "Gehirne".
Nichtsdestotrotz ist Singen das, was ich machen möchte. Und damit springe ich mal zu dem, was
@Abendspaziergang schrieb:
Was hälst du davon (wenn du es noch nicht tust) so mal als ganz anderen Ansatz, ein Instrument zu lernen und deine Probleme im oberen Bereich und mit der Intonation einfach erst mal zu ignorieren und dich auf diese Weise anders mit Musik zu beschäftigen? Vielleicht ist das auch nur die subjektive Sicht eines Gitarrenspielers: Selber ein Instrument zu spielen oder zu lernen, zu dem man singen kann, hält meines Erachtens auch die Motivation aufrecht, fördert das Gehör und das Rhythmusgefühl in einer Weise, wie ich es mir ohne Instrument kaum vorstellen kann.
Ich habe auch schon mit dem Gedanken geliebäugelt, Klavier spielen zu lernen, um mich selbst begleiten zu können. Abgeschreckt hat mich bisher der zusätzliche Aufwand der Stunden, die Kosten und auch, dass ich nicht so richtig wüsste, wo ich ein Klavier hinstellen soll. Gitarre reizt mich eigentlich nicht besonders - auch wenn es das Einfachste wäre, ich habe in der Schulzeit mal eine Zeit lang autodidaktisch Gitarre gespielt und sehr viel geübt. Das ließe sich sicher reaktivieren, auch wenn ich Jahrzehnte nicht gespielt und das Notenlesen fast verlernt habe. Aber wir haben hier sogar eine Gitarre herumstehen, die könnte ich zumindest mal stimmen. Mit Gehör und Rhythmusgefühl (und eigentlich auch mit der Intonation, auch wenn die Hörprobe was anderes suggeriert, aber das hängt mit der Schwierigkeit des Stücks für mich persönlich und falschem Stimmsitz zusammen, glaube ich) habe ich eigentlich weniger Probleme.
Trotzdem liegt für mich der Fokus darauf, dass ich Singen möchte, weil es das ist, was mich fasziniert. Und ich trete (trotz der Unsicherheit, die ich beim Proben und auch in der Gesangsstunde nie ganz ablege) tatsächlich gerne vor Publikum auf, ich finde das Gefühl dazustehen und mit meiner Stimme etwas rüberzubringen, das andere erreicht - also diesen besonderen Moment des "Teilens" mit dem Publikum - unglaublich erhebend und schön. Gar nicht mal so sehr wegen des Applauses danach, sondern wegen des Gefühls währenddessen. Ich genieße das sehr, auch wenn es bisher nur in diesem bescheidenen Rahmen und geschützten Raum stattfand. Beim Auftritt "trägt" mich dann auch irgendwie das Adrenalin, also wohl dieses Gefühl des "Liefernmüssens", von dem
@antipasti schreibt.
@Basselch
Dann kommst Du um Technik-Übungen nicht herum
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Du mußt ja nicht stundenlang jeden Tag durchpowern, aber "nur" locker vor sich hin singen wird vermutlich echte technische Probleme nicht lösen.
Ja, das hatte ich befürchtet. Ich neige einerseits sicherlich dazu, mich zu wenig aus meiner Komfortzone zu bewegen (auch wider besseres Wissen), andererseits fehlen mir auch ganz klar Freiräume fürs Singenüben. Zu Hause bin ich nur sehr selten wirklich allein (und das Haus ist ziemlich offen gebaut, da hallt es ziemlich, wenn ich Gesangsübungen mache). Eine Zeit lang war ich da deutlich radikaler mit meinen Mitbewohnern aka Familie, aber der Mut zur Abgrenzung gegen "Ruhestörungsbeschwerden" hat mich zwischenzeitlich etwas verlassen (vielleicht auch durch den schleichend einsetzenden Frust). So lange ich das Gefühl hatte, dass sich etwas bewegt, konnte ich das irgendwie besser verteidigen. Aber du hast natürlich Recht, von nichts kommt nichts.
@antipasti
Natürlich muss man nicht gleich regelmäßig mit eigener Combo auftreten. Aber wenn du tatsächlich nur für sporadische Miniauftritte als Solistin agierst, aber ansonsten nur im Schutz der Gruppe oder zuhause nebenbei, dann fehlt vielleicht einfach die regelmäßige Herausforderung, die Komfortzone zu verlassen.
In der Gruppe habe ich natürlich einerseits den Spaß daran, mit anderen zusammen Musik zu machen (und ich finde verblüffenderweise viel Gefallen am Gospelsingen, obwohl ich mit den kirchlichen Inhalten nullkommanull anfangen kann, ich mag aber das "Spirituelle" und den Klang), andererseits ist so ein Chor natürlich auch ein relativ autoritär geführtes und hierarchisches Gefüge und ich nur "ein Schräubchen im Getriebe". So eine richtige Herausforderung ist das natürlich nicht, zumal wir da zwei gute Solistinnen haben, die eine musikalische Vorbildung haben - ich neige dann frauentypisch dazu, mich damit zu vergleichen und mir ein eigenes Solo erst recht nicht zuzutrauen.
Das mit der Komfortzone schrieb ich ja oben schon: Mein Ehrgeiz oder Anspruch kollidiert tatsächlich oft mit meiner Bequemlichkeit (oder Konfliktscheu bzw. Scheu, für meine eigenen Belange einzustehen, manchmal auch aus Scham). Als ich mit dem Singen anfing, war das noch etwas anders. Die Stagnation nimmt mir eher noch mehr Wind aus den Segeln und lässt mich kleinmütiger werden. Das beobachte ich aber, ohne bisher den Hintern hochgekriegt zu haben, daran etwas zu ändern. Bei dem einmaligen "Band-Experiment" vor einem knappen Jahr ist es bisher geblieben, ich habe danach nicht mehr großartig weiter gesucht. Vor kurzem habe ich mich wieder mit jemandem unterhalten, der einen Sänger/eine Sängerin für ein Bandprojekt suchte. Dem schwebte aber (wie den Leuten des gescheiterten Bandprojekts) auch eher die rockige Schiene vor. Mich zieht's, wie du weißt, eher in Richtung Jazz und Soul, eventuell auch Chanson (Stücke von Brel, Aznavour und Barbara könnte ich mir gut vorstellen).
Danke für den Anstupser, nach dem Sommer (bis dahin bin ich musikalisch noch ziemlich ausgelastet) sollte ich tatsächlich mal gezielt in diese Richtung suchen. Musikprojekte gibt's hier genug, gibt, glaube ich, sogar eine Open Stage für Jazz und Soul (
@Jakari). Ein bisschen befürchte ich, dass dich da den Altersschnitt gewaltig hebe, aber vielleicht ist das auch unbegründet.
@Bell
Ich würde dir auch zu einem Lehrerwechsel raten. Jeder (auch Instrumentalisten) sollte nach zwei, drei Jahren den Lehrer wechseln und sich auf einen neuen Input einlassen, weil es sonst oft zu einer Stagnation kommt. Oder eine Weile ganz ohne Unterricht singen. Nach 4 Jahren solltest du ja wissen, wie das geht. Die Bruchlage sollte man natürlich weiterhin üben, aber in kleinen Schritten, z.B. Glissandi von b-c", dann b-cis", b-d"... und das immer wieder, nicht zu laut und ohne Erfolgsdruck.
Nachgedacht habe ich über einen Wechsel schon länger, weil ich diese Stagnation auch bei anderen ihrer Gesangsschüler beobachte, die ich aus dem Chor kenne. Nach anfänglichen Fortschritten hat sich dort überall so ein gewisses "Plateau" eingestellt. Ich habe fast ein schlechtes Gewissen, das zu schreiben, aber ich merke auch seit etwa einem Dreivierteljahr verstärkt, dass mich ihre "Bilder" und ihr Ansatz nicht mehr so erreichen. Vielleicht habe ich auch selbst "zugemacht", weil es an einem bestimmten Punkt nicht mehr weiterging oder ich es nicht mehr umsetzen konnte. Vor dem Wechsel zurückgeschreckt bin ich bisher, weil diese Lehrerin auch den Chor und die Workshops leitet, also aus einem gewissen Interessenskonflikt heraus. Andererseits sind solche Abhängigkeitsverhältnisse natürlich auch auf die Dauer nix, wenn sie mich selbst nicht weiterbringen. Und der Wunsch, mich mal eher in Richtung Pop/Swing/Contemporary zu orientieren und auszuprobieren, wäre auch eine relativ "unverfängliche" Begründung für einen Wechsel.
Es stellt sich übrigens die Frage, ob du für Popgesang unbedingt ein g" brauchst. Das kommt ja ohnehin nicht vor. Wenn du keine klassische Literatur singst, brauchst du dich wegen deines Tonumfangs nicht zu stressen,
Nein, da hast du Recht. Aber auch Popliteratur kommt (wie man in der Hörprobe hört) ja nun mal nicht ohne einen gewissen Tonumfang aus, eine knappe Oktave ist da definitiv zu wenig, es sei denn, ich verlege mich auf Rappen oder Sprechgesang ;-).
@Shana
Was mir aber vor allem auffällt ist, daß du - für mein Ohr - ziemlich uninspiriert klingst in diesem Song. Intonation ist da aus meiner Sicht gar nicht das primäre Thema. Nach meinem Gehör öffnest du dich den Emotionen darin nicht. DEINEN Emotionen. Du denkst - und singst - technisch, bzw mit der Erwartung technisch unzulänglich zu sein.
Ich kenne so viele SchülerInnnen, bei denen das genau so ist. Schöne Stimmen, alles gut, kommen jahrelang in den Unterricht... und gehen doch nie den Schritt weiter, sich einzulassen auf die eigene Stimme, deren Ausdruck, deren Eigenart, deren Ausdrucksfähigkeit und Wildheit. Weg von immer schön, immer sauber, immer im sicheren Bereich....
Danke, du schreibst mir irgendwie ziemlich aus der Seele. Genauso geht es mir, und ich habe eher das Gefühl, mich da noch weiter reinzuschrauben, statt mich Stück für Stück rauszudrehen aus diesem Thema. Das Komische ist ja, dass meine Gesangslehrerin genau das propagiert - das Singen mit "Leib und Seele" -, das ich aber einerseits von Natur aus durch meine eigene Persönlichkeitsstruktur, andererseits aber auch durch den hohen musikalischen Anspruch, den sie selbst (unterschwellig, ohne das je explizit zu thematisieren) rüberbringt, gar nicht so recht umsetzen kann. Ich habe nie so richtig das Gefühl, mich "fallen lassen zu können", einfach Spaß zu haben, ohne zu bewerten, was da aus mir herauskommt. Das liegt wahrscheinlich primär gar nicht mal an ihr, aber irgendwie verstärkt sich diese Tendenz bei mir eher im Laufe der Zeit, statt einem besseren Körpergefühl und Spaß an der Sache zu weichen. Ich werde immer kontrollierter und schule mein Gehör für all die Fehler und Unzulänglichkeiten meines Gesangs, statt ihn zu genießen.
Außer bei Auftritten, denn da komme ich in den von dir beschriebenen Flow:
die Ekstase des Singens.
Singen ist so großartig, es ist Selbst-Hingabe
Danke fürs Ausformulieren, genauso fühlt es sich bei Auftritten an.