Wo sind denn die Mediziner hier...?
Die brauchen wir nicht, obwohl wir mit
@Vali eine hätten. Zumal die Diskussion ums Rauchen hier in regelmäßigen Abständen wiederholt wird, ohne dass neue Erkenntnisse hinzukommen.
Rauchen ist in mehrerer Hinsicht schädlich, soviel sollte klar sein. Inwieweit es der Stimme/dem Singen unzuträglich ist, hängt aber von vielen überwiegend individuellen Aspekten ab.
- Wieviel rauche ich?
- Wie lange rauche schon? Wann habe ich angefangen? Wie alt bin/war ich, als ich angefangen/aufgehört habe? Wie alt bin ich überhaupt?
- Wie gut ist Stimme trainiert? Wie lange singe ich schon?
- Wie ist meine Konstitution ansonsten?
- Wie robust ist meine Stimme veranlagt? Nicht jede Stimme kann gleich viel ab.
- Trinke ich zusätzlich noch vermehrt Alkohol oder kiffe ich?
- Was ist überhaupt meine gesangliche Referenz? Ein Adam Lopez hat da sicher andere Prioritäten als ein Robbie Williams, der auch mal etwas heiser klingen darf.
Art Garfunkel (der von Simon und ...) hat mal gesagt, sein Stimmumfang habe sich um drei Halbtöne (nach oben) erhöht - ein Riesenunterschied gegenüber
Was Popstars halt so sagen, wenn der Tag lang ist ...
Garfunkel hat - exemplarisch für viele Popmusiker seiner Generation - Jahrzehntelang, also den größten Teil seines Lebens geraucht, gekifft und vielleicht noch anderes mehr. Erst vor wenigen Jahren wurde er wieder mal bei einer Verkehrskontrolle mit einem Joint erwischt. 2010 musste er wegen einer Stimmbandlähmung, die er auf sein langes Raucherleben zurückführte, eine Reunion-Tour mit Paul Simon absagen. Da war er aber auch schon 63.
Wir sind uns wohl einig, dass er die meiste Zeit trotz des Lebenswandels ganz gut gesungen hat. Nun verändert sich die Stimme wie jedes andere Organ aber auch rein altersbedingt ständig: sie wird tiefer (bei Männern später wieder höher) und nutzt sich ab. Man hört häufig davon, dass man alle zehn Jahre einen halben bis einen Ton seiner Range verliert. Auch als Nichtraucher. Und dass eine Stimme, die nicht mehr ganz jung ist und vielleicht nicht mehr so regelmäßig genutzt wird, mit über 60 auch mal streikt, kann man ihr nicht verdenken.
Wenn also Garfunkel jetzt im fortgeschrittenen Alter behauptet, er hätte durch Nichtrauchen drei Halbtöne gewonnen, dann kann das auch bedeuten, dass er die durch Altern verlorenen Töne auf diese Art kompensieren konnte. Oder dass der Zugewinn durch hormonelle Änderungen im Alter bedingt ist. Das ist zwar auch ein netter Effekt, heißt aber nicht, dass man das valide mit dem Rauchstopp begründen kann.
Vermutlich aber das einzige, was ich nie gehört habe, ist eine Verschlechterung
Adele war leidenschaftliche Raucherin, bis sie auf einer Tour 2011 die Stimme verloren hatte und sie zudem plötzlich Angst bekam, mal an Krebs zu sterben. Da war sie gerade mal 23. Fünf Jahre später behauptete sie, dass ihre Stimmqualität abgenommen hat, seit sie das Rauchen aufgegeben hat. Ja sogar, dass ihr die hohen Töne schwerer fielen als vorher. Auch sagte sie: "Die Leute mit den schönsten Stimmen rauchen immer. Auch
Bruno Mars raucht Kette wie eine alte Frau."
Adele ist die damals noch recht junge und gut trainierte Stimme sicher nicht wegen des Rauchens weggeblieben, sondern schlichtweg wegen Überlastung und Stress, da sie als plötzlich gehypter Shootingstar natürlich kaum noch Pausen einlegen konnte. Außerdem wurde sie zu der Zeit schwanger, was wohl der naheliegendere Grund für's Umdenken war. BTW: Angeblich kann auch Schwangerschaft die Stimme beeinflussen.
Ihre Aussage allerdings, als Nichtraucherin schlechter zu singen, ist wohl schlichtweg Einbildung oder ein Hinweis darauf, dass sie das Rauchen sehr vermisst. Oder einfach ein medienkompatibler Kommentar, um mal wieder im Boulevard zu erscheinen. Vor allem kann man wohl davon ausgehen, dass sie nach ihrer Stimmband-OP und der Geburt ihres Kindes einfach vorsichtiger/gehemmter geworden war mit den hohen Tönen: Seither transponiert sie viele Songs live einen Ton nach unten.
Und noch einen hinterher: Der niederländische Tenor und Schauspieler
Johannes Heesters hat im stolzen Alter von 103 mit den Rauchen aufgehört: Nach 90 Jahren! Genauso lang stand er auf der Bühne. Seine Stimme wurde naturgemäß im hohen Alter brüchiger, aber der tenorige Klang ist geblieben.
Nein: Ich will keine Werbung für's Rauchen machen. Ich will mit den Fallbeispielen nur verdeutlichen, dass die Stimme ein Leben lang vielen Einflüssen und Veränderungen ausgesetzt ist - mitunter auch ganz natürlichen Prozessen. Zudem reagiert jeder Körper anders. Und dass man daher nicht pauschal verifizieren kann, welche Auswirkungen das Rauchen auf die Gesangstimme genau hat.
Fazit: Man kann nicht generell sagen, dass Rauchen zwangsläufig eine bestimmte Stimmverschlechterung auslöst. Man kann auch nicht sagen, dass Nichtraucher diese Verschlechterung nicht bekommen können. Man kann aber sagen, dass Rauchen im Zweifelsfall diese und jene Stimmverschlechterung begünstigt. Im Prinzip wie bei allen Raucherrisiken.