Warum die günstigen Modelle heute so gut sind, erklärt das natürlich nicht. Vermutlich führt der Konkurrenzkampf und die Retouremöglichkeiten für Endkunden im Versandhandel genauso zu einem Wandel, wie bessere Qualität durch die herstellenden Betriebe. Die Zeit der Hinterhoffertigung ist wohl eher großen Massenherstellern gewichen, die u.U. auch für mehrere Marken produzieren.
Aber auch hier spielt die Sache mit den Einsteigermodellen eine Rolle. Wenn man Anfängern schon für wenig Geld relativ gute Instrumente anbietet, die z.B. von Gitarrenlehrern empfohlen werden, kann man sie u.U. ein Leben lang binden und diese Kundschaft wird dann, sofern sie weiterhin Gitarre spielt, irgendwann auch teurere Modelle kaufen.
An der Stelle bleibt zu sagen, dass man da auch nochmal in verschiedene Käufer, bzw. Altersgruppen unterscheiden muss, auch gemessen an dem was, sozialökonomisch gedacht, an Kaufkraft in Schichten und Altersklassen möglich ist.
Als Schüler und Student können sich viele die Oberklasse nicht leisten, da gibt es dann erstmal die günstigeren Gitarren und Bässe von Ibanez (Gio)/Squier/Epiphone ... man äugt zwar in Richtung der teureren Instrumente, drückt sich die Nasen an den Schaufenstern platt und probiert die gerne mal wieder, aber einen gescheiten Sound bekommt man auch relativ gut mit den günstigen Modellen hin. Hier darf ich auch nochmal an die vielen Blindtests erinnern, die es online gibt und die man auch selbst mal machen sollte. Ich habe als ganz blutiger Anfänger mal meine "Billigklampfe" einem Freund in die Hand gedrückt, der damals gerade volljährig geworden, als Studiomusiker gejobbt hat. Komischerweise klang die dann fast genauso wie seine superteure ESP.
Wenn die Schüler und Studenten dann mal fertig sind, ist der Appetit auch noch da und man kann sich mal was leisten, dann wird auch wieder Geld investiert und es wird doch mal was teureres von den Großen gekauft. Irgendwann ist das ganze dann entweder erstmal gesättigt oder aber es gibt andere Schranken.
Ich würde mir auch gerne noch einiges an Equipment holen, momentan bin ich da allerdings mit dem Platz limitiert. Zwei Amps und drei Gitarren stehen bereits im Wohnzimmer und meine Frau ist absolut nicht begeistert ... irgendwie erkennt sie aus einem seltsamen Grund das formschöne Design und die inhärente Grazie und Kraft der Instrumente und Verstärker nicht - der Zauber der den Dingen innewohnt! Folglich heißt es nun für mich, dass ich mich von einem Teil meines Equipments trennen muss, bevor neues Equipment gekauft werden kann oder aber alles im equipmenttechnischen Status Quo stagniert.
Was kann mich nun als Käufer noch reizen? Gute Angebote? Bessere Qualität zum günstigen Preis? Sammlerstücke und Raritäten? Boutiqueequipment? Gitarren und Bässe vom Gitarrenbauer?
Ich kenne jedenfalls einige Menschen die neben den Instrumenten aus dem Mittelklassesegment und Oberklassesegment die sie schon in Besitz haben, eine gewisse Lust auf weitere Instrumente haben ... da wird dann auch schonmal an die Gitarre vom Gitarrenbauer gedacht, die etliche tausend Euro kostet. ... kein Bonus für die Industrie und weder der heimische Schrank, noch der Schrank beim Händler oder das Lager beim Händler und der Industrie werden leerer!
Die Industrie wird sich wohl erstmal nicht so schnell selbst auffressen, aber sie wird neue Wege gehen müssen. Vor zwei Wochen sagte mir ein Bekannter, der schon lange Profimusiker ist, dass die Qualität in den letzten zwanzig Jahren ziemlich gestiegen ist, dass es aus spieltechnischer und technischer Sicht an den Instrumenten des günstigen Segments nur noch wenig auszusetzen gibt und dass die Mängel, die es zu bemerken gibt, höchstens auf einem für früher ziemlich hohen Niveau sind. Er hat einen Warwick Bass aus den 80ern, damals ziemlich teuer, sein erstes teureres Instrument ... und er meinte, dass es genau diese Klasse heute eben schon für einiges unter 1000€ gibt ... damals hat ihn der Basse über 2000DM gekostet.
Wenn man sich die Instrumente mal anguckt, die in letzter Zeit auf den Markt kamen ... was gab es da? Einige kommen mit technischen Updates und viel mehr hat man eher neue Farben und Lackierungen gesehen, andere Hölzer, Verschmelzung von Formen, etc. ... da passiert evtl. einiges, aber welche Möglichkeiten bleiben dann noch? Es wäre höchstens denkbar, dass die Geschichte mit den Customshops noch etwas "revolutioniert" wird und auch dieses Segment für den Endkunden erschwinglicher wird.
Genau hier geschieht auch das was evtl. passieren könnte, nämlich dass der Vertrieb als Bindeglied nochmal wegfällt und die Endkunden eher direkt bei den Produzenten kaufen können.
Diese Entwicklung hat auch schon teils im IT-Sektor stattgefunden, wenn es Endprodukte und ähnliches geht. Da wurden von bestehenden Handelsfirmen neue Firmen gegründet, die sich über günstige Preise und agressive Werbung sowie trendorientierung an der Jugend, die die Kaufkraft von Papa und Mama im Rücken haben) mit geschicktem Marketing am Markt platzieren konnten und als nächstes wurde die Qualitätsstufe der Produkte angehoben. ... die Zwischenhändler fielen da schon direkt weg und die Ware wird entweder über die Mutterfirma bestellt und in Europa vertrieben oder aber die Produkte gehen schon direkt von den asiatischen Fabriken aus zum Kunden. Die Gewinnspanne ist so hoch, dass potenzielle Qualitätsstreuungen und Kosten der Rückläufer gar nicht erst ins Gewicht fallen.
Daher halte ich es durchaus für denkbar, dass die Firmen demnächst noch direkt den Zwischenhändler wegfallen lassen. Ohnehin können sich viele die Lizenz- und Knebelverträge der Großen ja kaum noch leisten.