Hast du Genesis und/oder Phil Collins schon mal "Live" gesehen? Dort macht weder Brad Cole noch Tony Banks einen großen Bahnhof über ihr auf den Studio-Alben benutztes Equipment.
Tony Banks selbst hat sich nie auch nur ein bißchen dafür interessiert, wie er sich früher angehört hat. Der alte Genesis-Sound war ein notgedrungenes Zufallsprodukt, weil Banks sich das Equipment, das er eigentlich wollte, für den Sound, den er eigentlich wollte, nicht leisten konnte. Das Electra-Piano hatte er nicht gezielt wegen seines Sound ausgesucht, sondern weil es so ziemlich das einzige E-Piano war, für das er Geld hatte. Wollen tat er ein Rhodes. Den ARP ProSoloist hat er auch nicht des speziellen Sound wegen gekauft, sondern weil es nicht für einen Minimoog reichte, den er eigentlich wollte.
Als er sich besseres Equipment leisten konnte, versuchte er nie, den alten Genesis-Sound zu replizieren, weil er den gar nicht mochte, sondern er versuchte, den bestmöglichen Sound zu erzielen, also an den Sound ranzukommen, den er eigentlich im Kopf hatte, mit seinem Billigequipment aber nicht umsetzen konnte.
Und was machen heute die Genesis-Fans? Beschweren sich darüber, daß sich Tony Banks nicht anhört wie früher.
Wenn es um Gear-Porn geht, solltest du dir die Band "The Musical Box" ansehen.
http://www.themusicalbox.net/ Die sollen die Gabriel-Zeit sehr authentisch covern: mit Kostümen und Instrumenten etc. Das wäre z.B nicht ganz so meins
Gabriel-Ära-Genesis sind tasteninstrumentenmäßig übersichtlich und schon zahllose Male repliziert worden. Genau für solche Bands hat der Genesis-Fan und Synthesizerspieler Joachim Verghese den Verghese Pro-Soloist Rack gebaut, einen dedizierten, spezialisierten virtuell-analogen Rackmount-Klon des ARP Pro-Soloist, den er lange anhand von originalen Pro-Solist-Aufnahmen akribischstens feingetunt hat. Wenn es so etwas gibt, dann gibt's dafür auch den Markt. Und das sind Gabriel-Ära-Genesis-Tributebands.
Post-Gabriel-Ära-Genesis sind auf demselben Authentizitätslevel um Größenordnungen schwieriger umzusetzen und daher die wahre Herausforderung.
Wo bitte ist das legitim, von einer LIVE-Band in Sachen Equipment-Treue mehr zu erwarten als wenn die Originale live spielen? Es steht NIRGENDS, dass eine Tributeband die Aufgabe hätte, die STUDIO-Sessions 1:1 zu kopieren.
Es steht nirgends geschrieben. In der Praxis ist es aber oft genug wirklich so.
Bei vielen Bands besteht der Großteil der Hörerschaft aus Leuten, die diese Bands im wesentlichen aus dem Radio hören. Weil im Radio aber selten Live-Versionen laufen, sondern praktisch immer Studioproduktionen, kennen diese Leute auch nur Studioproduktionen. Als Nicht-Musiker fehlt ihnen auch der Anreiz, der für uns Musiker Live-Versionen interessant macht. Sie wollen statt dessen das hören, was sie kennen. Und das sind die Studioversionen, die sie aus dem Radio kennen. Bei Post-
...And Then There Were Three-Genesis, mehr noch bei Post-
Invisible Touch-Genesis und Solo-Phil Collins, stellen solche Leute einen sehr erheblichen Teil der Zielgruppe. Setzt man denen eine veränderte Live-Version vor, sagen die: "Was ist das denn für'n Scheiß? Das klingt ja voll anders, überhaupt nicht wie Collins/Genesis!"
Den Rest machen die Genesis-Fans aus. Und die sind, wie ich schon schrieb, selbst nicht mit dem zufrieden, was Tony Banks live macht. Wenn es nach denen ginge, würde das, was Tony Banks auf der Bühne macht, tatsächlich wie auf der Platte klingen und nicht meilenweit von der Platte entfernt und auch nur in Banks' Ohren geiler. Wenn True Collins einen konkreten 21.-Jahrhundert-Live-Sound von Genesis replizieren würden, würden diese Leute dagegen protestieren.
Selbst auf der Tour, die sich an die jeweiligen Albumaufnahmen unmittelbar anschloss, haben/hatten Bands in der Regel nicht ihr Studio-Equipment dabei. Weder Queen noch Genesis noch sonstwer. Selbst Gearfreaks wie Jarre haben sicher im Studio noch ein, zwei Schätzchen mehr aufgefahren als sie live benutzen.
Es ging mir nicht darum, daß True Collins das gesamte Studioequipment von Genesis seit 1975 auf die Bühne tragen sollen, auch wenn ihr alle glaubt, ich hätte das geschrieben.
Ich habe nie verlangt, daß True Collins z. B. für die berühmten Prophet-5-Sachen unbedingt einen echten, leibhaftigen Sequential Circuits Prophet-5 Rev. 2 auf die Bühne stellen. Wenn hier im Forum einer weiß, wie übel gerade die Rev. 2 einem häufiges Bewegen nimmt (gerade diese Version neigt gern zu Platinenbrüchen und daraus resultierendem Abrauchen von Op-Amps), dann bin das ich.
Ich wage aber mal zu behaupten: Mit Arturia Prophet V kämen True Collins näher an den originalen Prophet als mit dem AL-1 in Kronos. Mit einem Creamware Pro-12 ASB kämen sie noch näher dran. Und aktuell könnten sie einen Vergleich ziehen zwischen der ASB und dem U-he RePro-5, sehen, welcher authentischer ist, und dann in Zukunft mit dem touren. Will sagen, wenn die alte ASB näher am Prophet ist als RePro-5, touren sie weiter mit der ASB; wenn nicht, Highend-Mobilrechner mit RePro-5.
Ja beim Wort nehmen kann man sie. Aber wo steht da was von Studio? Da steht "Original" - und da würde ich als Referenz immer ein Livekonzert der Originalbands erwarten.
Du bist ja auch Musiker.
Bin ich der einzige, der sich noch an Zeiten erinnert wo man Bootlegs gesammelt hat? Nicht, weil man die offiziellen Livealben nicht hätte bezahlen wollen oder können (die hatte man zusätzlich natürlich auch!). Nein: man wollte möglichst JEDE Version der Songs auf Platte haben, gerne auch von mehreren Gigs derselben Tour, gerade WEIL sie eben immer etwas anders klangen. Wer die Ärzte oder Queen kennt, weiß, was ich meine...
Ist in Jarre-Kreisen heute noch üblich.
Und in Jarre-Kreisen ist es auch nicht ganz unüblich, Replica-Covers von Material zu bauen, das nie auf offiziellen Tonträgern veröffentlicht wurde, nur eben schwierig, weil das bei Live-Versionen meist den Einsatz zumindest eines echten Schlagzeugers und eines echten Bassisten bedingt.
Bei der Supertramp Coverband gehört natürlich ein Original Wurlitzer auf die Bühne, wehe, der Keyboarder kommt mit einem Nord, dann gehe ich sofort wieder!!!
Du weißt aber schon, daß Supertramp auch noch Alben nach
Crime Of The Century gemacht haben? Den Titelsong der
Breakfast In America prägt nämlich kein Wurlitzer, sondern ein Yamaha CP-70, CP-70B oder CP-80.
Das eigentlich Reizvolle beim Covern sind ja "eigene" Versionen bzw. Liveversionen, die in manchen Fällen sogar das Original an Einfallsreichtum bzw. musikalischem Reiz bei weitem geschlagen haben - gibt es ja genügend Beispiele dafür.
Bei einer Tributeband, die sich eine absolut hochdetaillierte authentische 1:1-Kopie des Originals auf die Fahnen geschrieben hat und damit wirbt?
Martman