Endstufe
Bekannt ist:
- Endröhren werden 4x 6P3S (= 6L6GA)
- Ausgangsübertrager war mal für 6x EL84
- Phasenumkehrstufe ala Marshall mit einer ECC83
- Die Endstufe soll aufgrund der zu erwartenden niedrigen Leistung (Anodenspannung ca 300 V, da geht nicht so viel!) komprimierend ausgelegt werden.
Also kein gnadenlos knackiger Cleanamp und hartes Clipping sondern oldschool - dreckig und rund.
Eine genauere Betrachtung des Ausgangsübertragers ergab, dass er nicht wie zuvor beschrieben eine extra Wicklung für die Gegenkopplung hat. Damit kann ich sagen, dass er eine Primärwicklung mit Mittelanzapfung hat (Gegentakt, Push-Pull) und eine Sekundärwicklung bestehend aus vielen Einzelwicklungen:
Es ist denkbar die Sekundärseite (LS1, LS2) anders zu verschalten (Zweiergruppen z.B. oder die zwei Dreiergruppen parallel schalten oder wasweißich), aber vorher sollte geklärt werden, welche Impedanz die Röhren primärseitig "sehen", wenn man den Übertrager so benutzt wie er jetzt ist.
Die erste Frage:
Welchen Anpasswiderstand hat der Ausgangsübertrager? Passt dieser zu den vorhandenen Röhren?
(Hinweis: Ich verwende hier
"Widerstand" synonym mit "Impedanz", also "Betrag von Z"... nur für die ganz genauen...)
Der Anpasswiderstand ist wichtig, da sich danach richtet, ob der Übertrager überhaupt für diese Röhren verwendet werden kann, welche Lautsprecherimpedanz man anschließen muss, in welchem Arbeitspunkt (Klasse A, Klasse AB) man den Verstärker am besten betreibt usw.
Zur Ermittlung dieses Anpasswiderstandes Raa (Widerstand zwischen den Anoden, wird bei Gegentaktverstärkern so angegeben) verfahre ich folgendermaßen:
- primärseitig zwischen a1 und a2 eine Spannung U1 anlegen, diese messen
- gleichzeitig die Spannung U2 am Lautsprecherausgang zwischen LS1 und LS2 messen
- Spannungsübersetzungsverhältnis berechnen:
ü = U1 / U2
- Widerstandsübersetzungsverhältnis berechnen:
R1 / R2 = ü^2 = U1^2 / U1^2 = Raa / RL
Dabei ist Raa der gesuchte Anpasswiderstand, den die Röhren "sehen" und RL der Widerstand / die Impedanz des Lautsprechers.
Gut, wie groß wähle ich nun U1?
Im normalen Betrieb liegt zwischen "+", also dem primärseitigen Mittelabgriff und den äußeren Enden a1 und a2 jeweils im "worst case" die volle Betriebsspannung von 300 V Spitze an. Das bedeutet, dass zwischen a1 und a2 ruhig 230 V angelegt werden können - der Übertrager lacht darüber.
Diese 230 V darf man natürlich NICHT direkt aus der Steckdose entnehmen, da hier sämtliche Schutzvorkehrungen fehlen und falls der Übertrager einen Defekt hat oder man sich bei den Wicklungen vertan hat, kann man sich selbst oder den Übertrager ziemlich beschädigen. Also NICHT EINFACH NETZSPANNUNG ANSCHLIESSEN!
Diese Arbeiten sind - wie alles andere drumrum auch - nur was für Leute, die wissen was sie tun. Wenn ihr nicht versteht, was ich hier schreibe - FINGER WEG.
Ich habe hier einen Trennstelltrafo, mit dem ich Spannungen von 0-250 V bereitstellen kann. Die Ausgangsspannung hat keinen Erdbezug (ist potentialfrei).
Dieser hat zusätzlich eine 40 W Glühlampe als Strombegrenzung eingebaut, d.h. selbst wenn ich den Übertrager falsch anschließe, dann sättigt nur der Eisenkern des Ausgangsübertragers und die Lampe leuchtet.
Damit ergibt sich diese Schaltung:
Durch die Glühlampe liefert der Trennstelltrafo keine 230 V sondern weniger. Das macht aber nichts, denn wenn U1 kleiner wird, wird ja auch U2 kleiner und interessant ist nur U1/U2.
Die Messung ergibt:
U1 = 205 V
U2 = 8.57 V
Damit:
ü = 23.92
ü^2 = 572
Das heißt Raa = 572 * RL.
Damit ergibt sich gerundet:
Raa = 2.3 kOhm mit RL = 4 Ohm
Raa = 4.6 kOhm mit RL = 8 Ohm
Raa = 9.2 kOhm mit RL = 16 Ohm
Diese Werte gelten für den Übertrager an sich. Für die Betrachtung der Endstufe und der Röhren selbst mit den dazugehörigen
Datenblättern muss man diese Werte noch durch zwei teilen, da sich die Röhren ja die Arbeit teilen und die Angaben in den Datenblättern immer für ZWEI Röhren gelten. Die Gegentakt-Endstufe würde ja auch mit zwei Röhren funktionieren.
Raa,paar = 4.6 kOhm mit RL = 4 Ohm
Raa,paar = 9.2 kOhm mit RL = 8 Ohm
Raa,paar = 18.4 kOhm mit RL = 16 Ohm
Okay, das sind jetzt die Werte für ZWEI Röhren. Dummerweise finde ich keine Datenblattangaben für Ua = Ug2 = 300 V und diese Raa. Also selber machen:
Eine Röhre aus diesem Paar sieht dabei ein Viertel dieser Impedanz, da die Mitte des Übertragers an + angeschlossen ist und sie am Ende, also Raa,paar/4:
Ra, Röhre = 1.15 kOhm mit RL = 4 Ohm
Ra, Röhre = 2.3 kOhm mit RL = 8 Ohm
Ra, Röhre = 4.6 kOhm mit RL = 16 Ohm
Damit kann ich jetzt,(Pi mal Daumen) die Lastgeraden ins Kennliniendiagramm einzeichnen:
Mit Ua0 = 300 V (Annahme bei Volllast, da Leerlaufspannung irgendwo bei 310..320 V) und einer Widerstandsgeraden, die durch U = 300 V bei I = 0 und I = 300 V / Ra (das sind dann 260 mA, 130 mA und 65 mA bei den drei verschiedenen RL) definiert ist, kommt man zu diesem Bild:
Das sind die Lastgeraden für Ruhestrom Null (hart Klasse B).
Wir wollen aber eher AB...
Ich habe eine Bestätigung, dass die Röhren auf die 6L6GC-Grenzdaten von Fender spezifiziert sind. Das heißt, sie müssten 30 W Anodenverlustleistung können (siehe 6L6GC).
30 W an 300 V wären 100 mA. Das kann der Netztrafo sicher nicht und das wäre Klasse A.
20 W bei 300 V sind 67 mA Ruhestrom. Davon 70 % wären 14 W oder 46 mA. Also sollte ich irgendwo zwischen 30 mA und 50 mA landen.
Verschiebe ich nun die Lastgeraden so, dass sie durch den 50 mA - Punkt gehen (300 V, 50 mA), dann sieht das so aus:
Nächste Frage: Überlaste ich damit die Röhren?
Leider geben die Datenblätter die ein paar Beiträge vorher angesprochenen Verlustleistungshyperbeln nicht an
Also selber einzeichnen.
Mit P = 30W und I = P / U kann man sich ein paar Punkte hinbasteln und dann die Hyperbel selber ziehen:
Man sieht hier schon, dass man diesen Ausgangsübertrager mit vier dieser Röhren in allen drei Lautsprecherimpedanzen (4 Ohm, 8 Ohm, 16 Ohm) betreiben könnte, ohne die Röhren zu überlasten!
Ich bin jetzt zu faul, die Hyperbel für 20 W auch noch einzuzeichnen, aber die wird ohnehin nur in der Mitte kurz geschnitten und da Röhren thermisch träge sind, wäre das auch bei einer Röhre, die nur 20 W aushält, kein Problem.
Nächste Frage: Welche Ausgangsleistung kann ich erwarten?
Dazu muss man sich fragen, welche Spannungs- und Stromänderungen auftreten können. Das kann man ebenfalls einzeichnen (hier für den mittleren Anpasswiderstand, also 8 Ohm), die Grenzen dabei sind nach oben hin 0 V Gitterspannung und nach unten hin 0 A Strom:
Damit bekommt man einen Anodenspannungsbereich von
415 V - 40 V = 375 V
und einen Anodenstrombereich von 165 mA (der rechte untere Punkt des Dreiecks ist 0 mA).
In meinem Hinterkopf steht, dass die Ausgangsleistung bei Klasse A (wir haben AB!)
P = DeltaUa * Delta Ia / 8 ist
Das wären hier P = (375 V * 0.165 A) * 1/8 = 7.7 W.
Das ergäbe bei vier Röhren viermal so viel, also 7.7W * 4 = 30.8 W
Ich erwarte also eine Ausgangsleistung von ca. 30 W
Das passt verdammt gut zu den 28 W, die ich gemessen habe, wenn man Rechenfehler, Zeichenfehler und die Verluste im Trafo berücksichtigt
Macht man die Berechnungen für 4 Ohm und 16 Ohm, dann kommt man auf ähnlich große Werte (27.5 W, 28.7 W), aber beide sind kleiner als der Wert für 8 Ohm.
Als nächstes kommt das Endstufenschaltbild dran. Wird nix besonderes
Edit: Nur zur Klarstellung: Man muss das hier nicht machen, aber ich wollte mal wieder in Kennlinienscharen rumkritzeln. Wenn jemand der Meinung ist, dass ich Mist gebaut habe, dann bitte korrigieren - ich bin da auch kein Profi mehr...ist lang her