...da das Thema mit den Chambering hier eigentlich durch ist, dann vielleicht doch über das Thema hinaus, weil hier Dinge in den Raum gestellt werden, die mit meiner naturwissenschaftlichen Betrachtung nur zum Teil übereinstimmt..
Bei der Diskussion ums Trocknen von Holz muss man immer im Hinterkopf haben, dass jede Region auf der Welt eine gewisse Luftfeuchtigkeit hat und das die übers Jahr schwankt. Es wird und muss also eine Restfeuchtigkeit im Holz bleiben. Das Trocknen (Abtransport von Wasser) beruht nur auf Feststoffdiffusion, was vergleichsweise langsam passiert. Eine Versiegelung/Lackierung, kann einen Diffusionsprozess zusätzlich verlangsamen. Wie Holz auf den Wasserentzug genau reagiert, ist schwer vorherzusagen, weil das "Strukturgerüst" anisotrop (richtungsabhängig) ist d.h. die Stabilität ist in Wuchsrichtung eine andere, als quer dazu. Auch verändern sich die Eigenschaften von außen zur Stammmitte und dort, wo es zur Verzeigung kommt.
Letzteres kann und wird bei Wasser/Volumen-entzug zu Spannungen im Material führen, bis zur Rissbildung, wenn man das Holz ungünstig aussucht. So viel zu den Fakten.
Ob und welche Auswirkungen die "Spannungen" auf den Klang einer Gitarre haben wird, ist völlig offen. Vielleicht sind diese Spannungen sogar essentiell für einen vintage Klang, da ja nur alte gut durchgetrocknete Instrumente auch gut klingen. Da sollte man einen Teufel tun und diese durch "Schütteln" und Cryo zu beseitigen!
Überhaupt Cryo und Physik... zunächst ist bei fast allen Stoffen ein Temperaturwechsel ein reversibler Prozess. Insbesondere Abkühlen führt dazu, dass die Molekülbewegung und Diffusionsprozesse sich verlangsamen. Wenn ich also eine Struktur vergleichmässigen/"Entspannen" möchte, ist Abkühlen eine kontraproduktive Maßnahme. Immerhin bei einem eher gleichmäßigem Molekülgefüge, wie bei Metallen, können durch Tieftemperaturkühlung wohl auch messbare irreversible Strukturänderungen bewirkt werden.
Bei Holz ist das aber ungleich komplizierter aufgebaut. Hier haben wir praktisch keine kristallinen Bestandteile, sondern nur amorphe Makromoleküle (Lignin, Cellulose,...), die die Holzfasern bilden und eine
Sekundärstruktur bilden. Makromoleküle selbst kann man warm und kalt machen, aber da sie völlig ungeordnet und eben nicht in einer Kristallstruktur vorliegen, ist das auch völlig reversibel ohne das sich Eigenschaften verändern werden.
Bleibt das vielzitierte "Restwasser". Wie liegt das im Holz eigentlich vor? Wohl kaum als makroskopische "Tropfen", die beim Gefrieren eine merkliche Volumenänderung bewirken. Wohl aber wird Wasser feinverteilt in den Fasern aborbiert und in den Poren auch gasförmig in Form wasserdampfgesättigten Luft. Dieses Wasser wird bei tiefer Temperatur kondensieren, gefrieren und zu einem Unterdruck von vielleicht 30-40 mbar sorgen, was jetzt nicht sooooo viel ist. Der entstehende Unterdruck durch die Volumenkontraktion durch die Gaskühlung ist da schon höher: Von 1 bar -> ca. 0.3 bar bei Abkühlung 20° --> -170°C. Da kann sich vielleicht sogar die Sekundärstruktur verändern. Allerdings nach dem Einfrieren entspannt sich das auch Gas wieder. Wenn man aber sehr langsam auftaut, kann der Druckausgleich auch über die Poren erfolgen und die Strukturänderungen bleiben erhalten.....
Aber es beißt die Maus kein Faden ab, den meisten Lebewesen bekommt es nicht gut, wenn sie eingefroren werden!!!
Aufgrund der Anaomalie des Wassers entstehen beim Gefrieren vom Wasser (und nur bei Wasser!) enorme Drücke, wenn es eingeschlossen wird und dort wo es eingeschlossen ist, kann es die Sekundärstruktur irreversibel zerstören.
Das kann "Cryotuning" IMO bewirken!
Doch wieso soll das einen ähnlichen Effekt haben, wie das natürliche Altern einer Gitarre??? Wo sind da dir Parallelen?
...und Wasser gefriert bei 0°C (...gut aufgrund der gelösten Bestandteilen vielleicht erst bei -20°C); also warum braucht's dann die -173° von flüssigem Stickstoff??? Wieder neue Fragen.....
Wer bis hier her meinen Ausführungen noch gefolgt ist, möchte meinen Diskurs entschuldigen... aber wenn ich all die "Begründungen" lese, warum ein Altern oder eben Cryo sich positiv auf den Klang auswirken soll schaudert es mich einfach oft. Ich habe auch keine besseren Erklärungen, aber viele der Begründungen sind für mich doch ziemlich unlogisch.
Ich glaube dagegen nach wie vor, dass vintage Instrumente allenfalls dadurch überproportional gut klingen, weil die, die nun tatsächlich 50 Jahre und mehr "überlebt" haben, schon von Anbeginn toll und besonders waren und daher eher weiter genutzt und bewahrt wurden, als schlechtere Exemplare. Aber natürlich habe auch Gurken die Zeit überstand, was sich mit der Realität deckt: Vintage ist auch keine Garantie für den "Überton".... wollte ich auch nur mal gesagt haben...