Wenn natürlich der eigene Anspruch sehr tief ist dann ist ein gutes Digi eventuell brauchbar.
Den eigenen Anspruch an Qualität kann man nur definieren, wenn man echte Vergleichsmöglichkeiten hat. Schon deshalb hat die Gesellschaft einen Kultur und Bildungs Auftrag wahrzunehmen, der sich nicht durch kommerziellen Erfolg rechtfertigen muss. Dazu gehört für mich ganz entscheidend das Schulwesen, natürlich auch das Musikschulwesen. Wenn da "aus Budget Gründen" mit Krücken gearbeitet werden muss, hat die Gesellschaft den Bildungsauftrag nicht wahrgenommen. Eine breit gefächerte Kultur ist KEIN Luxus, sondern notwendiger Teil einer funktionierenden Gesellschaft und sie muss uns das auch wert sein.
Ein Digital Piano in der Musikschule hat auch seine Berechtigung, so wie auch Keyboards oder Synthies. Es darf aber niemals als Ersatz für das Original herhalten müssen. Wenn ich in der Musikschule Klarinette lerne, dann mache ich das auch nicht auf einem EWI. Nur bringt da eben jeder im Normalfall sein eigenes Instrument mit.
Das Problem beschränkt sich ja nicht auf Pianos. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Qualität wird mehr und mehr gegen "conveinience" getauscht. Es sind immer nur kleine Schritte, aber immer in die gleiche, nach meiner Meinung falsche Richtung. Ein bisschen bequemer - der Unterschied ist kaum erkennbar. Vielleicht noch ein bisschen bequemer...
Es geht schleichend. Schon weil der Kontakt zu echter Qualität immer seltener und schwieriger wird. Mittlerweile wächst eine ganze Generation auf, die an MP3 komprimierte und "geautotunete" Musik gewöhnt ist, an tot komprimierte und "optimierte" Bilder aus dem Mobiltelefon, an Plastik Musik aus dem Computer, an Fertigfutter aus der Chemiefabrik, ...
Und immer mehr fangen an, das als "normal" anzusehen und das Echte als "irgendwie ungewohnt und weniger erstrebenswert".
Und sie diskutieren dafür über "mehr Layer" oder "mehr Polyphonie", über "mehr Megapixel", "mehr Streaming", "Effektgeräte", "Dynamik Kompression" oder "mehr Geschmacksrichtungen bei Kaffee(ähnlichen Heißgetränken)".
Und wenn ich mir ansehe was für "Unterhaltung" über den Fernseh
kanal angeboten und scheinbar auch in großem Stil konsumiert wird...
Literatur? Ah, nee, ich warte bis es auf Netflix als Action Serie kommt.
Dass ein wachsender Anteil Jugendlicher nach Abschluss der Schule in der eigenen Muttersprache nicht sinnerfassend lesen kann wundert mich da auch nicht mehr.
Der Tiefpunkt ist scheinbar noch nicht erreicht.
Mir hat zum Glück vor einigen Jahren das Saxophon und jetzt auch das Klavier einen Weg aus dieser technologischen Sackgasse gezeigt und mir wieder die komplexe Klang Welt der live gespielten Natur Instrumente eröffnet - Fehler und Unzulänglichkeiten inklusive. Seitdem empfinde ich elektronische Hilfsmittel wieder als das was sie in Wirklichkeit sind: Hilfsmittel, um vorübergehend ein Problem zu lösen, das auf anderem Weg aktuell nicht anders gelöst werden kann - etwa um nachts Klavier zu üben.
Und ich kann es viel mehr würdigen, wenn jemand eine anständige Live Performance bringt, wohingegen mir beim Anblick eines Playback Kasperltheaters das Abendessen hoch kommt.