Hi,
ich habe gerade meiner Tochter eine Gesangsstunde gegeben und dabei festgestellt, dass sie "falsch herum" atmet.
Wenn sie einen Atemimpuls gibt (z.B. das berühmte f - s - sch), dann geht die Zwischenrippenmuskulatur nach innen, nicht nach außen.
Ich kenne das eigentlich so, dass man es einmal zeigt, und dann funktioniert es praktisch bei jedem sofort - in diesem Fall war es aber nicht so.
Die Haltung ist aber gut, und der Gesang (für eine Anfängerin) auch gut, soll ich das Problem ignorieren?
Das von Dir beschriebene (und ich gehe davon aus, korrekt beobachtete) Atemfehler-Stereotyp ist gar nicht so selten anzutreffen.
Bei Jugendlichen sind die klanglich negativen Folgen meistens nicht gravierend oder gar nennenswert bemerkbar, da sie in ihrem "Ungestüm" meistens auf eine anderweitig überschießende Art oder aufgrund größerer Reserven kompensieren. Bei Erwachsenen macht sich diese Art "Hochatmung" in der Regel schnell klanglich negativ bemerkbar (Stimmsitz rutscht in die Kehle, der Klang ist gepresst und eng, Heiserkeit tritt schnell auf usw.).
Wichtig ist es, die Unterbauchspannung und vor allem die Beckenbodenspannung zu überprüfen. Gerade letzteres kann der Schüler kann der Schüler - und überhaupt jeder - eigentlich gut selbst erspüren: geht bei dem "f" / "p" / "sch" oder beim Ausstoßen eines kräftigen Pfiffs oder eines lauten "Ha" der Anus (Schließmuskel, gut zu lokalisieren) nach innen oder nach außen? Bei mangelnder Beckenbodenspannung geht er typischerweise nach außen wodurch nicht nur viel von der Energie des Ausatmens sozusagen versickert, sondern die Zwischenrippenmuskeln kompensatorisch ausgleichend aktiv werden und sich der Brustkorb einengt.
Ein leicht zu praktizierender Rat ist, vor dem "p" usw. den Anus leicht (!) einzuziehen (so als ob man "einen Wind nicht fahren lassen möchte") und damit auf einfache Weise eine angemessene Beckenvorspannung zu machen. Die nötige Unterbauchspannung stellt sich damit meistens von alleine gleich mit ein.
Wenn das Fehl-Stereotyp nicht gravierend und schon fest sitzend ist, öffnet sich so der Brustkorb meist spontan wieder und die Zwischenrippenmuskeln können sich wieder als nur unterstützende (synergistische) Muskelgruppe von ihrer (Fehl-)Funktion als dominante (agonistische) Atem-Muskulatur "befreien".
Noch ein Wort zum Zwerchfell: Auch wenn uns das Gefühl etwas anderes vermitteln möchte, ist das Zwerchfell ein reiner Ein-Atem-Muskel. Muskeln können sich bekanntlich nur kontrahieren, nicht aktiv dehnen. Um eine entgegengesetzte Aktion zu einem bestimmten Muskel (oder einer Muskelgruppe) zu erzielen, braucht es einen (oder mehrere) entsprechende Gegenspieler (Antagonisten).
Die Antagonisten des Zwerchfells sind in der Hauptsache der Beckenboden, der Unterbauch und die Muskeln des Bauchgürtels.
Dennoch kommt dem Zwerchfell insbesondere bei Sängern und Flötisten eine sehr wichtige Funktion beim Ausatme zu: Da es bei diesen im Atemweg keine den Holz- oder Blechbläsern vergleichbare belastbare Engstelle gibt, muss das Zwerchfell den Ausatemmuskeln dosiert gegenhalten. Bei den erwähnten Bläsern erfüllt das jeweilige Mundstück sozusagen die Funktion einer kontrollierten Stenose (Engstelle), die entscheidend hilft, den Atemstrom zu kontrollieren. Das Zwerchfell kann sich bei der Ausatmung damit meistens völlig entspannen. Die Aus-Atem-Muskeln treten bildlich gesprochen in einen direkten Dialog mit dem Instrument.
Bei Sängern könnten die Stimmlippen diese Funktion zwar auch haben, denn sie bilden die nötige Engstelle. Aber diese sind bekanntlich nicht annähernd so belastbar wie z.B. ein Klarinettenblatt oder ein Fagott-Rohr. Das Zwerchfell muss also dosierend gegen halten um den Atemstrom zu kontrollieren und hilft bei der dynamischen Gestaltung. Bei der Flöte reicht die Lippenöffnung nicht als Engstelle und ohne die Gegenkontrolle des Zwerchfells wäre die Luft in weniger als einer Sekunde völlig ausgeatmet.
Gut spürbar ist dieser Halte-Reflex des Zwerchfells als eine Aufweitung des Rumpfes etwa auf der Linie des unteren Rippenbogens, also dort, wo das Zwerchfell peripher am Rumpf ansetzt. Reflektorisch öffnet sich damit gleich der ganze Rumpf, so daß sich damit auch die nötigen Resonanzräume des Brustkorbs öffnen und der Klang größer und freier wird.
Also genau das Gegenteil des vom TE beschriebenen Fehl-Stereotyps.