Kann man sagen je mehr # Vorzeichen, desto höher klingt der Song ?
Es gibt ja viel Esoterik um das Thema "grundsätzlicher Charakter von Tonarten", aber die obige Aussage ist natürlich definitiv nicht haltbar.
Beweis durch Widerspruch (reductio ad absurdum):
D-Dur hat zwei Kreuze, also rechnerisch 5 Kreuze mehr als Es-Dur (das hat nämlich 3 Bes), und dennoch klingt Es-Dur einen Halbton höher als D-Dur.
Oder: Ges-Dur klingt genau wie Fis-Dur (es sind exakt die selben Tasten auf dem Klavier bzw. die selben Bünde auf der Gitarre), diese beiden Tonarten sind enharmonisch verwechselt identisch. Aber Ges-Dur hat 6 Bes und Fis-Dur hat 6 Kreuze und sie müßten deshalb extrem (!) unterschiedliche Charaktere haben, obwohl sie sich nur vom Notenbild her unterscheiden, aber ansonsten völlig ununterscheidbar sind.
Oder meinst Du mit "höher" nicht unbedingt die Tonhöhe, sondern eher allgemein einen "klareren, strahlendernen, brillanteren usw." Klang?
In der gleichstufigen Stimmung sind Unterschiede der Tonarten durch unterschiedliche Verhältnisse der Tonleiterstufen zueinander eliminiert, bei anderen Stimmungen hängen diese vom Grundton ab und so bereinigt sind die Unterschiede auch wieder eliminiert.
Hinzu kommt noch, daß der Kammerton (Stimmton) im Laufe der Jahrhunderte stark schwankte und noch nie einheitlich gesehen wurde. Allein das verschiebt ja schon die zugesagten Eigenschaften.
Über das Thema läßt sich trefflicht streiten (wie auch hier im Board in mehreren Threads, ich finde nur gerade keinen).
Letztendlich sind die Eigenschaften meiner Meinung nach eher den Tonarten
namen als dem hörbaren Klang zugeordnet, genau wie die althergebrachten Blumensymbolik eher eine Frage der Codierung/Abmachung/Definition/Tradition ist. In manchen Kulturen ist weiß die Farbe der Trauer.
In der Praxis zählen wie gesagt eher konkrete Eigenheiten der beteiligten Instrumente (Beispiel: wenn man sich auf einer Klarinette schlecht/schwer zu greifende Töne abquält, die man per Ansatz dann noch nach oben oder unten korrigieren muß, klingt das Ergebnis weniger fließend/locker/offen/rund als wenn sich ein Ton mühelos spielen läßt).
Wenn man eine Gitarre tiefer stimmt, ändert sich der Klangcharakter nicht, weil die Tonhöhe sich ändert, sondern vor allem, weil die Saitenspannung verringert wird und somit die Obertonzusammensetzung bzw. der gesamte "Sound" sich ändert.
Das ist auch der Grund, Sinfonieorchester höher zu stimmen: die stärker gespannten Saiten klingen schärfer/härter (bzw. "brillanter", wenn man es positiv formulieren möchte).
Instrumenten-unabhängig ist jedoch die Tatsache, daß gleiche Intervalle in der Tiefe schwerer zu unterscheiden sind, was u. a. dazu führt, daß man z. B. im Baßbereich kleine Tonabstände in einem Akkord vermeidet, weil das alles zumatscht und unschön klingt. Richtig "tief unten" hat man in der Regel deshalb nur Oktaven oder maximal Quinten.
Übertragen auf den normalen "Arbeitsbereich" heißt das: Wenn man ein und dasselbe Arrangement in verschiedenen Tonarten/Tonhöhen spielt, klingt es irgendewann in den Extrembereichen definitv nicht mehr gut. Es gibt einen optimalen Bereich, der allerdings eher vom konkreten Stück/konkreten Arrangement abhängt als von der absoluten Tonart.
Jetzt habe ich eigentlich schon wieder viel mehr geschrieben, als ich wollte, und werde der Thematik dennoch nicht gerecht.
Die Quintessenz für mich lautet jedoch auch gerade deshalb:
Laß das Ohr entscheiden und dich nicht von esoterischen Faustformeln leiten, es sei denn, Du möchtest absichtlich eine historisierende Symbolik in Deiner Musik haben.
Das hätte aber eher mit Symbolik/Mystik zu tun als mit Musik.
Viele Grüße
Torsten