Wer kann sich anmaßen, etwas als Kunst zu bezeichnen? Der Erschaffer eines Werks oder der Zuhörer/-schauer? Letzterer immer oder nur, wenn er zur Zielgruppe gehört? Muß man als Empfänger etwas davon verstehen, um es bewerten zu können? Knifflige Sache das alles. Ich weiß, daß ich Musik höre und mache, die andere oftmals als chaotischen Lärm empfinden, ich liebe Filme, bei denen mich hinterher andere oftmals ankucken als hätte ich gerade ein Kleinkind verspeist. Das hat aber etwas mit Erfahrung und den Arten von Kreativität zu tun. Birkenbihl unterscheidet z.B. zwischen konvexer und konkaver Kreativität. Der Künstler erschafft etwas (konvex), aber erst, wenn es jemand erkennen kann (konkav) schließt sich der Kreis - etwas ungelenk formuliert. Analog zu antipastis Gedanken "...das kapiert keiner". Sollte ein Künstler deshalb darauf Rücksicht nehmen und seine Werke so erschaffen, daß sie verstanden werden? Oder sollte er sich nicht darum scheren? Es gibt natürlich beides, letzteres ist dann oft "seiner Zeit voraus". Picasso beispielsweise hat ja irgendwann nicht mehr gemalt was zu sehen war, sondern versucht, mehrere Aspekte und Ansichten in ein Bild zu packen. Wenn das neu ist, muß erst das Bewußtsein dafür entstehen, damit es erkannt werden kann. Weiß man es aber, geht man natürlich anders heran als jemand, der keine Ahnung hat, was das soll. David Lynch ist auch ein gutes Beispiel, man versteht seine Filme besser, wenn man weiß/begreift/erkennt, daß er nicht nur die direkte Handlung zeigt, sondern das, was in den Charakteren vorgeht. Eine Kunstform ist ja in gewisser Weise eine Art der Kommunikation, und nur wenn jemand versteht was ich sage, entsteht auch ein Bild/Film/Song. Der Empfänger muß also nicht nur das Vokabular und die Grammatik kennen, sondern auch Bedeutungen erfassen können und in der Lage sein, sie mit wasauchimmer zu verknüpfen. Daher kommt ja die Situation, daß ein Kunstwerk irgendwo präsentiert wird und der eine findet es phänomenal, während ein anderer denkt 'was für eine Geldverschwendung'. Man könnte also sagen, Kunst entsteht erst in dem Moment, in dem sie erkannt wird. Es gehören also immer mindestens zwei dazu.
Wir tun uns hier ein wenig schwer mit der Bezeichnung Kunst und dem Beruf des Künstlers. Die Amerikaner machen da keinen großen Hehl draus, da gibt es eine Menge "Artists" und keiner schert sich drum. Wenn sich bei uns jemand als Künstler bezeichnet, denken wir schräge Dinge über ihn. Eigentlich komisch, denn die Kunst ist eines der ältesten Gewerbe überhaupt und noch dazu von größter Bedeutung für die Kultur (und somit die Identität) eines Volkes bzw. der Menschheit. Jedes kreative Werk ist ein Beitrag zur Kultur, wie gering dieser auch sein mag. Dazu gehört aber dann z.B. auch dieser Song (aus Österreich glaube ich - ich weiß den Titel leider nicht mehr), der als Gag gedacht war, aus ein paar vorgefertigten Loops auf die Schnelle zusammengeklickt wurde und dann plötzlich in den Charts landete. Da gab es dann Diskussionen, weil tatsächlich wohl aus einer Sample-Library und einem einzigen Ordner einfach Brocken zusammengesetzt wurden und das war's. Auch das gehört zur Kultur, aber ist es Kunst - eher nicht.
Letzten Endes muß das jeder selbst entscheiden. Angenommen, ich bezeichne meine Musik als Kunst. Un nu?
Was nützt es mir oder sonstwem? Bezeichnet sie jemand anders als Kunst kann mir das Bekanntheit/Ruhm/Geld bringen...oder auch nicht. Dieses Kunst-Etikett ist also nicht wirklich von Bedeutung.
Ich habe 20 Jahre lang irgendwelchen Coverkram auf die Bühne gebracht. Z.T. originalgetreu nachgespielt, z.T. eigene Interpretationen. Kunst würde ich das nicht nennen, ich war einfach Dienstleister. Einige Jahre länger hingegen schreibe ich eigene Musik, da ist es mir völlig wurscht, ob es jemandem gefällt (ich bin sogar immer wieder überrascht, wenn es das tut). Meine Arbeitsweise dabei ist eher ungewöhnlich, da fast alles improvisiert ist. Ich nehme ein Instrument, drücke auf "Aufnahme" und los geht's. Dann wird mit weiteren Instrumenten darauf reagiert. Ich mache nur komplette Takes und verwende i.d.R. immer den ersten. Es wird vorher nichts geplant, zuweilen schreibe ich Texte vorher, in letzter Zeit improvisiere ich aber auch den Gesang und bin somit vom Entstehungsprozeß fast immer überrascht, manchmal erschrocken, manchmal angewidert, manchmal köstlichst amüsiert. Und da ich somit quasi Erschaffer, als auch erster Rezipient bin, kann ich ganz schamlos hergehen und es als Kunst bezeichnen