Noch mal zum Loudness War:
der ging ja schon viel früher los und zwar in den 90ern. Den Begriff gab es damals noch nicht, aber man muss sich nur mal das "Californication" Album von den Red Hot Chili Peppers anhören. Ich weiß noch, als ich das Album zum ersten Mal bei einem Bekannten über eine "fette" Anlage gehört hab und es zu digitalen Verzerrungen kam. Damals dachte ich auch zuerst, dass es an der Anlage lag, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass ein Album solch einer großen Band so "schlecht" gemastert ist.
Ich kann ja verstehen, dass manche Leute Musik nur als Hintergrundbeschallung nutzen und nicht bewusst hören und daher einen Mix bevorzugen, der immer schön gleichmäßig laut aus dem Lautsprecher kommt und das am besten auch druckvoll. Da kann es schon ganz schön nervig sein, wenn Passagen sehr leise sind und plötzlich im nächsten Moment ein Sturm losbricht.
Aber muss sich das auf alle Musikrichtungen übertragen? Gerade im Metalsektor finden sich doch noch sehr viele Leute, die "physische" Alben kaufen, also CDs und LPs (die sind vom Loudness War ja nicht so betroffen), trotzdem setzt sich der Trend auch hier fort. Absolutes Negativbeispiel ist natürlich "Death Magnetic" von Metallica.
Dann geht es weiter mit irgendwelchen Remastered Versions, die ja so viel "besser" klingen sollen. In den meisten Fällen wurde aber auch hier nur die Lautheit erhöht. Hier würde ich als Negativbeispiel die remasterten Versionen der Megadeth-Alben von 2004 nennen. Davon abgesehen, dass einiges neu eingespielt/gesungen wurde, klingen die Alben auch ganz anders als die originalen Aufnahmen. Die Musik hört sich nicht mehr nach 80er- oder 90er-Jahren an, sondern klingt so, als wäre sie in den 2000ern aufgenommen.
Schlimmer finde ich es aber noch, wenn die Plattenfirmen die Alben heimlich remastern und man gar nicht weiß, dass man eine "qualitativ eingeschränkte" Version kauft.
Etwas ähnliches hat auch Jimmy Page in der aktuellen Guitar in einem Interview behauptet. Ihm ist auch aufgefallen, dass die neuen Auflagen vieler Alben "schlechter" klingen, als die Erstausgaben und er daher versucht, diese aufzutreiben.
Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, das alle Neuauflagen "schlecht" sind. Manche Künstler bringen es auch fertig diese Alben wirklich in verbesserter Qualität neu abzumischen.
Mir stellt sich auch die Frage, ob man als Musiker, wenn man Songs/Alben verkaufen will, bei diesem Wettstreit mitmachen muss, um überhaupt wahrgenommen zu werden oder ob man nicht mehr "Erfolg" hat, wenn man sich bewusst für ein "dynamisches", angenehm zu hörendes Mastering entscheidet. Ich mache das auch ein wenig von der Musikrichtung abhängig. Im Bereich Klassik, werden die wenigsten einen "schlechten" Mix akzeptieren, bei dem jegliche Dynamik fehlt. Diese Musik wird aber auch anders konsumiert. Man muss richtig hinhören und sich Zeit nehmen, damit sie sich einem erschließt. Mit Abstrichen sehe ich diese Präferenz auch im Bereich der "Rockmusik" (als ganz weit gefassten Begriff). Viele Leute, die sich ein Album kaufen und es auf einer wertigen Anlage hören, wollen auch einen guten, angenehmen Mix. Man liest immer wieder, wie sich Leute über übersteuerte Mixe beschweren.
Hört man aber auch mal Stimmen, dass die CD von Helene Fischer oder Casting-Nudel-08/15 bis an die Grenze gepusht wurde? Eher weniger, was wohl auch darin liegt, dass die Art von Musik anders gehört wird. Es wird zwar auch genügend Leute geben, die sich diese Songs über eine sündhaft teure Anlage geben, aber diese "Partymusik" hört man doch eher auf Partys
, in Discos, im Radio oder in der Straßenbahn über popelige Handylautsprecher. Das soll jetzt keine Abwertung gegenüber Schlager, Pop oder anderer Musik für die breite Masse sein, auch wenn ich keinen Zugang dazu finde. Aber wenn ich Musik in diesem Kontext höre (das trifft natürlich auch auf andere Sparten zu
), mache ich mir nicht so viel aus einer feinfühligen Produktion. Hauptsache die Mucke knallt und der Bass bollert. Die Leute wollen mitgrölen und abgehen. Davon abgesehen ist ein großer Teil produzierter Musik eh nur mit einer kurzen Halbwertszeit versehen und nicht für die Ewigkeit gedacht (der Sommerhit 2014, der Song zu WM...). Musik ist halt auch ein Wirtschaftszweig und es soll so viel wie möglich an Kohle rausgepresst werden und das in kürzester Zeit.
Mir ist auch aufgefallen, dass unter den Leuten, die vermehrt Charts und Mainstream hören sowieso viel weniger Sammler sind. Meistens haben diese Leute ihre Compilations, Maxis mit Abstrichen auch Alben nach einem halben bis einem Jahr irgendwo verkauft, verschenkt oder in die Tonne gekloppt. Die Musik hat sie einfach nicht mehr interessiert, da nicht mehr aktuell. Bei Freunden, die Rock, Metal etc. hören sieht das anders aus. Da werden Sammlungen komplettiert, Importe gekauft oder in kleinen Plattenläden seltene Releases gesucht.
Wenn man mit Musik Erfolg haben möchte, muss man sich auch sehr mit seiner potenziellen Hörerschaft auseinandersetzen.
Wie wird die Musik konsumiert, kaufen die Leute eher Alben oder nicht, werden viele Konzerte besucht, nehmen die "Fans" es mir krumm, wenn ich überall anbiedere und meinen Ar... in jede Kamera halte...
Klar, mit anspruchsvoller "Nischenmusik" werde ich wohl nicht zum Multimilliardär mit Villa in Beverly Hills. Ein "Popsternchen" mit leichtverdaulichem Sommerhit, den jeder mitsingen kann ohne sich geistig zu verausgaben hat da schon bessere Karten. Wahrscheinlich wird sich aber in ein paar Monaten niemand mehr an einen erinnern... Dafür schreit auch niemand "Ausverkauf!", wenn man bewusst seine Songs für die breite Masse anpasst und als Werbegesicht hinhält.
Dieter Bohlen, auch wenn ich mit dem Typen nichts anfangen kann, hat offen zugegeben, dass er mit "anspruchsvoller" Musik nicht so viel Kohle machen kann und ist daher voll in die "Louie Louie-Leckie Schleckie-ich schreibe einen Song und mach daraus ein ganzes Album"-Schiene eingestiegen. Anscheinend scheinen viele ja darauf zu stehen...