Von Nieten und vom Nieten...
Jetzt haben wir eine ganze Weile die Stimmzungen angeguckt... aber ein weiterer wichtiger Punkt ist, wie die Stimmzunge auf der Stimmplatte befestigt wird.
Ein einfaches, bewährtes und erprobtes Verfahren ist dazu das Nieten. Wird schon immer so gemacht und wird auch vermutlich in naher Zukunft auch weiterhin so gemacht werden von den Stimmplatten Herstellern. Dazu wird die gestanzte Stimmzunge auf die Platte gelegt, ausgerichtet, Nietstift reingesteckt und anschließend festgenietet. - Fertig - Einfach und meist recht dauerhaft.
Und weil man die Stimmzungen oft noch von Hand einlegt und ausrichtet, wird praktischerweise nahezu immer der Niet von hinten durch die Platte gesteckt, damit man von oben arbeiten kann und die Zunge auf den Nietbolzen schon mal draufstecken kann , ohne dass man die Stimmplatte umdrehen muss. Und wenn alles eingerichtet ist, dann drückt die Nietmaschiene den Niet zusammen und staucht den Bolzenüberstand zu einem mehr oder weniger breiten Nietkopf, der die Stimmzunge auf die Platte presst.
Das sieht im allgemeinen dann so aus:
Fein, fein denkt man.
Und wenn man von der Sitrnseite draufschaut, sieht s so aus:
und da sieht man, dass der Nietkopf mehr oder weniger kugelförmig aussieht und keineswegs an der Kontaktfläche zur Stimmzunge den breitesten Durchmesser aufweist!
Und das kann sich negativ auswirken. Denn es kann hierbei passieren, dass der Nietkopf die Stimmzunge am Innenrand etwas ins Nietloch drückt. Das widerum bewirkt, dass die Ränder der Stimmzunge sich hochwölben und somit nicht mehr sicher und flächig aufliegen. Dadurch kann die Stimmzunge um den Nietpunkt etwas kippeln und im Laufe der Zeit kann sich die Zunge auch etwas "freischwingen" und die Befestigung ist nicht mehr ganz so stabil wie anfangs -Was einerseits Schwingungsenergie frisst und andererseits sich auf die Stimmkonstanz auswirkt. Letzeres ist natürlich doof. Vor allem deswegen, weil es erst mit der Zeit auftritt.
Tritt sowas auf, ist die Stimmplatte Schrott und wird ausgetauscht. Reparatur ist in aller Regel nicht sinnvoll, weil man auch beim Nachnieten die Verformung der Stimmplatte nicht korrigieren kann.
Und weil die Stimmplattenhersteller um diesen Umstand wissen, werden bei den besten Qualitäten die Nietköpfe von Hand geklopft. - Das sind dann die sogenannten "Tipo a Mano" (oder Handarbeitskalsse II) und die noch besseren "A Mano" Stimmplatten (das sind die sog. Handarbeitsklasse I Stimmplatten). Hierbei wird nicht von einer Maschine der Nietkopf zentral von oben breitgedrückt, sondern von Hand mit einem feinen Hammer der Nietbolzen reihum schräg angeklopft, wodurch sich der Niet flächiger und breiter auf die Stimmzunge draufdrückt. Und vor allem soll sich der Rand des Nietkopfes besser auf die Stimmzunge drücken, damit die Zunge auf breiter Basis und schön großflächig auf die Platte gedrückt wird.
Hier als typisches Beispiel für eine solche Stimmplatte, eine handgenietete "A mano" Stimmplatte aus einer Gola:
Man sieht auf dem Bild sehr schön die verschiedene Flächen, die dem Nietkopf das typische pyramiedenförmige Aussehen geben. Die werden mit dem Hammer geschlagen und damit wird der Nietkopf wesentlich breiter, als der Nietkopf der maschinenegenieteten "Noname"-Platte wie im Bild weiter oben.
Sehr schön denkt man sich - so will ich es haben - Das ist halt gute alte Handarbeit!
Aber der Teufel steckt im Detail! Und das erkennt man, sobald man auch hier die Stimmplatte (die ja zu der besten käuflich erwerbbaren Qualität gehört!) von der Seite anschaut:
Auch diese Nietkopfform zieht sich zur Stimmzunge hin etwas zusammen und wird wieder enger. Und ebenso erkennt man, dass der Nietkopf nicht reihum gleichmäßig geschlagen wurde, sondern einseitig etwas breiter und flacher geklopft wurde! Wie auch ! Ist ja schließlich Handarbeit und damit ist jeder Nietkopf abhängig davon, wie der Meister grade getroffen hat. Und dadurch besteht grundsätzlich die gleiche Gefahr wie bereits oben beschrieben, dass sich bei diesen doch wesentlich teureren Stimmplatten genauso die Stimmzunge verbiegen können und dass die Stimzunge sich verformen kann und kippelt...
...und dann entpuppt sich die hochgelobte teure Handarbeitsplatte als genauso instabil und als Schrott, wie die maschinengenietete "Noname" Stimmplatte
...Ja ist denn nun die Handarbeitsstimmplatte keinen Deut besser, als die einfache?
Nu das nun wieder auch nicht! Die ist in der Summe schon besser!
Denn die werden ja immerhin von Hand gefertigt und jede einzelne auch per Augenschein vom Meister kontrolliert, was bei der maschinenegenieteten nicht der Fall ist. Somit fallen Unregelmäßigkeiten und Fehler viel eher auf und die Qualität ist insgesamt schon deutlich besser. Abgesehen davon, dass die "A Mano" und "Tipo A Mano" Stimmplatten auch einen viel engeren Zungenspalt in der Platte aufweisen und sorgfältiger vorgestimmt werden - auch das macht eine Verbesserung der Quaität aus. Von daher bekommt man schon sehr wohl eine deutlich bessere Qualität.
Ja aber... geht das nicht besser und zuverlässiger?
Doch! Das geht!
und wie das aussieht sieht man sehr gut an den beiden Bildern eienr Artiste-Stimmplatte:
Und was ist nun hier das besondere?
Der "Witz" an der Sache ist, dass die Artiste Stimmplatten nicht wie üblich auf der Zungenseite vernietet werden, sondern auf der Plattenrückseite. Zudem ist der Nietkopf sehr breit und auf der Seite, die der Zunge zugewandt ist in Richtung Nietbolzen am Kopf hohlgeformt. Damit liegt immer der Nietkopf mit dem breiten Rand auf der Zunge und drückt diese sehr breitflächig auf die Platte. Somit bleibt der Zunge gar nichts anderes übrig, als flach auf der Platte zu liegen. Und obendren wurde der Zungenfuß noch zusätzlich mit Epoxidharz eingestrichen, um eventuelle Restspalte sicher auszumerzen.
Kippelnde Zungen und schlechte Ansprache durch Wölbung des Zungenfußes sind bei der Bauform unbekannt.
Und obendrein muss der Niet von der Gegenseite nicht so breit gedrückt werden, sondern muss nur den Nietbolzen sicher in der Platte verstemmen. Auch das mindert das Risiko von Verformungen zusätzlich.
Und die Erfahrungen und Rückmeldungen von Spielern die eine Atlantik oder eine Morino mit Artistestimmplatten haben bestätigen dies:
Diese Stimmplatten sind über die Jahre extrem stimmstabil, funktionieren für die Tatsache, dass es sich hier um maschinengenietete Massenware handelt äußerst gut! Es gibt etliche Instrumentemit mit Artistestimmplatten, die auch nach Jahrzehnten kaum Verstimmungen aufweisen! Eher ist wahrscheinlich, dass die Ventile abfallen oder das Wachs bröselig wird.
Ja super ... Und warum wird das heutzutage nicht bei allen gemacht?
Tja, das ist eine Gute Frage!
Die Patente hierfür sind seit Jahrzehnte ausgelaufen - Die Technik ist also frei verfügbar.. Man könnte also, wenn man wollte!
Aber man darf die Trägheit der Industrie und der etablierten Handwerker nicht unterschätzen. Eingefahrene bewährte Wege werden nur äußerst ungern verlassen. Solange es auch so funktoniert, wird wie bisher weitergemacht. Und außedem ist dieser handgeklopfte (oder eher handverklopfte) Nietkopf ein weithinbekanntes Qualitätszeichen für gute Qualität und das lässt sich hervorragend verkaufen!
"Handmade" gilt einfach immer noch als gutes Argument, für gutes Geld, das dafür verlangt werden kann!
Und es kommt ein Umstand hinzu, der die Handproduktion erschwerden dürfte:
Wenn man die Bauform der Artistestimmpaltten auf die Handarbeitsplatten übertragen will, dann muss man von vorne die Zunge einrichten und von der Rückseite her nieten. Dafür muss man aus Gründen der einfacheren Handhabung die Platte umdrehen und somit gibt dies die Gefahr, dass die zuvor eingerichtete Zunge wieder verrutscht. ..Dann muss man die Platte wieder wenden, neu einrichten, umdrehen, ...
Das macht die Sache auch nicht einfacher und auch nicht preiswerter.
So und was ergibt sich daraus als Fazit:
Es gibt verschiedene Methoden und es gibt darunter Punkte, die besser sind, als bei anderen Methoden und es gibt schlechtere. Leider sind nicht alle guten Methoden auf den besten Stimmplatten vereinigt, sondern verteilt:
Einfache Massenware mit maschinennietung einerseits - Beste Befestigung der Stimmzunge auf Massenware (Hohner Artiste) mit mitterer Qualität der gesamten Stimmplatte andererseits. Und noch die Handabeitsplatten mit nicht optimaler Vernietung, dafür aber bester Zungenspalt für gute Ansprache und sorgfältigerer Zungenvorbearbeitung.
Nu könnt man ja hergehen und sagen, dann machen wir wenigstens die Artisteplatten in die normalen Akkordeons rein, die ist doch schon ganz gut, auch wenn die als reine Maschinefertigung konzipiert wurde.... Nuja, leider wird die Artistestimmplatte nicht mehr hergestellt! ... So ist die Welt! ... Es überlebt nicht zwangsläufig das bessere!
Und als trost zu guter letzt:
Das was man in den Akkos so drin hat funktoniert ja in den allermeisten Fällen sehr zufriedenstellend und macht meist auch keine Probleme! Man kann also auch mit einer zweitbesten Lösung ganz gut leben (
auch wenns zugegebenrmaßen besser ginge.. aber das macht halt derzeit keiner!)
So long!
Und trotz und vor allem viel Spaß beim spielen wünscht euch
maxito