So, ist mal wieder Zeit für's Wochenend-Feuilleton im Steinie-Thread. Ein kleiner Blick hinter die Kulissen, der vermutlich nur eine kleine Leserschaft anspricht, aber ich schreib's trotzdem, weil ich Freude daran habe. Worum geht's? Um vernachlässigte Stiefkinder der Literatur, um Dinge, die fast keiner wahrnimmt, um verrückte Leidenschaften, und unbekannte Berufe. So unbekannt wie mein Beruf, den hier wohl auch die wenigsten kennen. Was bin ich? Die offizielle Berufsbezeichnung heißt "Technischer Redakteur", aber das erfasst die Wahrheit nicht ganz. Eigentlich bin ich seit über 20 Jahren eher "selbständige eierlegende Wollmilchsau", mache technische Redaktion, technische Illustration, 3D-Computergrafik, Fremdsprachen-DTP inklusive schwierig zu bearbeitender Sprachen wie Arabisch, Thai, sogar vereinzelt völlig unbekannte afrikanische Dialekte mit eigener Schrift. Und warum mache ich das alles? Tja, ich schreibe Bedienungsanleitungen für alle möglichen Produkte, solange sie irgendwie technischer Natur sind. Und diese Bedienungsanleitungen brauchen Text, Bilder, und Übersetzungen in alle Sprachen dieser Welt. All das mache ich, und damit verdiene ich das Geld, mit dem ich meine Familie ernähre, und auch das Geld, das ich in mein Hobby "Steinberger" stecke.
Eeeeeeecht? Damit kann man Geld verdienen? Wo Bedienungsanleitungen doch das Dingsbums sind, das eh keiner liest und üblicherweise gleich mit der Verpackung weggeschmissen wird? Und außerdem sind die eh alle unverständlich und lieblos zusammengeklatscht! Ich sag nur: Videorecorder! Ja, das sind so die Dinge, mit denen ich leben muss. Das Vorurteil (---> Videorecorder, heute: Computer, Handy, MP3-Player, etc.), dass alle Anleitungen schlecht sind, die Nutzlosigkeit der Anleitung schlechthin, die vermeintliche Bedeutungslosigkeit meiner Arbeit (braucht man eh nur für's CE-Zeichen, den TÜV und die FDA!), und die Tatsache, in keinem meiner Werke jemals als Autor, Illustrator oder sonstwas genannt zu werden. Ich bin immer nur der "Ghostwriter" für das jeweilige Unternehmen. Und das wird auch so bleiben. Ist Teil des Berufsbildes. Auch die Vorstellung, wie so ein Prozess abläuft, ist generell ziemlich falsch. Die meisten meinen, man kriegt im Endeffekt alles vom Hersteller vorgekaut, und dann bringt man das nur hübsch ins druckbare Bild. Mitnichten. In 99% der Fälle sitzen wir hier mit kryptischer Entwickler-Dokumentation, kaum funktionierenden Prototypen (wenn überhaupt, manchmal nur Konstruktionszeichnungen), und einer Powerpoint-Präsentation, was den das Dingens überhaupt können soll und warum's toll ist. Aus den firmeninternen Präsentationen des Projekts. Tatsache ist: praktisch jedes Manual hier ist das Ergebnis vollständig eigener Forschung, Strukturierung, Einfühlens in die Zielgruppe, Entwickler-mit-Fragen-nerven, Bugs ausgraben, etc.
Aber, was sich die wenigsten vorstellen können: doch, in viele dieser Werke fließt echtes Herzblut. Mein Herzblut. Ich habe diesen Beruf gewählt, weil ich Freude daran habe, wenn ich Technik so erkläre, dass der unbedarfte Laie Nutzen daraus ziehen kann. Ich verstehe sie, und ich kann mit Worten und Bildern umgehen. Der größte Teil meines Schaffens betrifft Medizingeräte. Aber manchmal auch andere Produkte, so habe ich z.B. auch schon Bauanleitungen für den Märklin-Metall-Baukasten illustriert oder (ganz, ganz lange her) Playmobil-Bauanleitungen. Oder Handbücher für Echtdampf-Lokomotiven. Da können dann schon mehr Leute nachempfinden, dass eine gewisse Freude daran existieren könnte. Und nun schließt sich der Kreis langsam, und meine laaaaaaaange Einleitung mündet in den eigentlichen Anlass meines Schreibens:
Ned Steinberger hat gerade zur anstehenden NAMM-Show den
CR4-Radius-Bass angekündigt, und gleichzeitig mit dieser Ankündigung ist auch das
Manual für den CR4/5-Radius-Bass online gestellt worden, das künftig auch in gedruckter Form mit den Bässen ausgeliefert werden soll. Und jetzt ratet mal, wer dieses Manual erstellt hat
Wie kam's dazu? Längere Geschichte. Ich hatte ja hier
darüber berichtet, dass ich Anfang 2013 versucht habe, einen Bass für die Review in der Bassquarterly zu organisieren. Hat ja auch geklappt, und auch über das Erscheinen der Review habe ich berichtet. Aber als der Bass hier ankam, war überhaupt keine Begleit-Literatur dabei. Nix. Und ich dachte mir, das ist doof, wenn dann ein Reviewer erstmal nachforschen muss, was da überhaupt wie funktioniert und warum. Also habe ich mich erstmal hingesetzt und selber geforscht, bis ich wusste, was and dem Bass wie funktioniert. Und das habe ich dann auf zwei DIN-A4-Seiten aufgezeichnet und dem Reviewer in ausgedruckter Form mitgegeben. Gleichzeitig habe ich mal bei Ned nachgefragt, ob denn ein Manual für den Bass noch kommt, und gleichzeitig meine Zeichnungen mitgeschickt. Ned war sehr angetan von den Bildchen, und hat mir ein Word-Dokument (eine Seite) zurückgeschickt, das er mit seinen Leuten hierfür vorbereitet hatte. Äh
ja. Keine Bilder, nur eine Auflistung der Knöpfe, das war's auch. So 'ne Videorecorder-Anleitung halt
Ich habe Ned dann angeboten, dass ich ein Manual erstellen könnte. Ging noch ein bisschen hin und her, bis ich dann tatsächlich loslegen konnte
nachdem ich gesagt hatte, dass ich's sowieso machen werde, egal wie. Aus Spaß an der Freude halt. Und dann ging's los. Praktisch jeden Sonntag des vergangenen Sommers/Herbstes saß ich dran. Zuerst mal habe ich den kompletten Bass in 3D nachgebaut, da ich das in praktisch 95% all meiner Illustrationen als Grundlage verwende. Ist immer sinnvoll, wenn man ein und dasselbe Ding aus verschiedenen Perspektiven betrachten möchte, denn andernfalls fängt man immer wieder bei Null an, und wehe irgendein Detail auf dem Produkt ändert sich noch kurzfristig. Hat zwar auch recht lange gedauert, aber: mir macht sowas ja Spaß
Aus diesem 3D-Modell konnte ich dann alle benötigten Einzelansichten rendern, die dann noch in Illustrator ein wenig "putzen" und ggf. mit Pfeilen etc. versehen, und die fertigen Bilder wurden dann in Indesign mit den begleitenden Texten zusammengebastelt. Das guckt dann in etwa so aus:
Ebenfalls möglich: da ich das Manual aus eigenem Antrieb und ohne jegliche Vorgaben erstellt habe, durfte ich hemmungslos der Kreativität freien Lauf lassen und mir jedes Detail selber ausdenken, so auch z.B. die "gespiegelte" Titel- und Rückseitengestaltung. Die übrigens Ned besonders gut gefallen hat
Erst, nachdem das alles fertig war, habe ich es erstmals an Ned und Gary geschickt, als ersten "Draft" zur Korrektur, Ergänzung, etc. Zurück kam ein auch für mich überraschendes Ergebnis (ich hatte das Manual ja logischerweise in Englisch erstellt): ein Rechtschreibfehler, eine zu ändernde Bezeichnung für ein Dingsbums an der Brücke, und global "allen key" durch "hex wrench" ersetzen. Das war's an Korrekturen, ansonsten nur Begeisterung. Noch ein paar Infos zu den technischen Daten des CR4, plus die "Accessories"-Liste, und fertig war das Manual. Eigentlich schon vor Weihnachten, weswegen ich mich ein bisschen gewundert habe, warum es erst jetzt offiziell erschien. Aber im Zusammenhang mit der Ankündigung des CR4 war das irgendwie logisch, da das Manual ja beide Bässe beschreibt.
Tja, das war's, der Tagebuch-Eintrag über die kleinen Freuden im Leben eines Technischen Redakteurs. Das (Bass-)Universum wird davon keine Notiz nehmen, Instrumente kommen, Instrumente gehen, und Anleitungen werden weggeschmissen, verloren oder vom Hund gefressen. Aber für mich war's ein Vierteljahr der freudvollen Sonntags-Beschäftigung, mit einem Ergebnis, auf das ich auch ein bisschen stolz bin. Ganz alleine selbergemacht
Danke für's Lesen, und ein schönes Wochenende allerseits!
Bernd