Jau.
Dass Einfachheit nicht gleichstehend für Banalität ist, haben viele Komponisten bewiesen.
Mozart beispielsweise gilt als jemand der bewusst einfache Melodien erfand, die man einen Abend in der Oper gehört hat und die am nächsten Tag in den Gassen gepfiffen wurde.
http://www.youtube.com/watch?v=G_yBnqO4Hm8
In einer Doku wurde er mal als erster Popmusiker bezeichnet, obwohl Vivaldi diesen Weg meiner Meinung nach schon 70 Jahre früher eingeschlagen hat
http://www.youtube.com/watch?v=ogVn3rwB5-E (gut da muss man von den Modulationen Absehen - aber das Thema besteht meiner erinnerung nach aus nur 2 Akkorden - kann grade nicht hören)
Während Bach zur gleichen Zeit unglaublich komplexe Sätze mit starker harmonischer Vielfalt erdachte und improvisierte, da kommt dann auch nicht dieses einfache Thema wie in den vorgängerbeispielen raus.
http://www.youtube.com/watch?v=k9yp-sVrOjo
Weitere Beispiele von nicht Banalen Komponisten mit wenig harmonischer Vielfalt:
http://www.youtube.com/watch?v=Urfjyj4FnUc
Die Carmina Burana ist harmonisch glaube ich auch zu riesigen Teilen harmonisch sehr einfach und trotzdem eine geniale Komposition.
http://www.youtube.com/watch?v=QEllLECo4OM&feature=related
Edwar Griegs galt wegen seiner berühmten kurzen Stücke als "Meister des Einfachen".
http://www.youtube.com/watch?v=pPLXNmKvLBQ
Davor hatte sein nordischer Kollege Jeans Sibelius Angst und immer versucht in die großen Sinfonien zu kommen und sie möglichst komplex in ihrer Tonalität zu erschaffen. Gelang ihm auch, allerdings ist er kurioserweise mit einem kleinen Stück berühmt geworden (Valse Triste) - das hat ihm damals richtige Panik verschafft weil er nicht wie Grieg "enden" wollte
... abgesehen von der Tatsache, dass er Alkoholiker wurde (oder schon immer war?)
Also auch die Klassik ist voll von Trendströmungen zum "einfachen".
Von Schumanns Kinderszenen und dem Album für die Jugend ganz abgesehen. Der Schumann wollte sich damit ein wenig gegen die zu immer mehr Komplexität greifenden Komponisten seiner Zeit "wehren)
http://www.youtube.com/watch?v=1h49BLAtN0Q
Die Nussknackersuiten von Tschaikovski kann man am Bass an manchmal mit 2-3 Tönen komplett spielen.
In Rockpopbereich gibts auch so viele Beispiele - 2-3 Akkorde und trotzdem von Anfang bis Ende gut.
http://www.youtube.com/watch?v=gEUhgs0tdkI
http://www.youtube.com/watch?v=mQiDs9tKZv4
http://www.youtube.com/watch?v=ZFOSMJ1aP1c (10 Minuten 3 Akkorde)
http://www.youtube.com/watch?v=fvPpAPIIZyo
http://www.youtube.com/watch?v=manxPVTLth8
Ach da gibts so viele...
Das mit der Frickelei bei Dream Theater kann ich auch nachvollziehen. Hier kommt die harmonische Vielfallt mit der rhytmischen und der metrischen zusammen. Wirkt wie eine Überdosis, aber wenn man das verdauen kann und auch etwas Ausdauer hat. Dennoch finde ich die kompositionstechnisch überbewertet und übertrieben.
Es gibt aber großartige Beispiele bei deinen das nicht übertrieben wirkt und auch ein Nichtmusiker Gefallen finden könnte
http://www.youtube.com/watch?v=n4WEAHRLorM - hier kommen fast alle Töne mal als Grundton vor und einige verschiedene Taktarten mal dran und trotzdem wirkt der Song wie aus einem Guss.
Ganz anders, fast schon banal und doch vielleicht sogar besser (wer will das schon entscheiden) sind natürlich die Toolies
http://www.youtube.com/watch?v=r0Pg3WY-4Dg
11 Minuten lang d-moll ... und doch hat man das Gefühl, dass jeder Ton genau da sein muss wo er ist.
Und wie banal es dann wirklich ist sollte man mal versuchen herauszufinden indem man das 1:1 nachspielt. Da habe ich schon oft Bauklötze gestaunt.
In Funkbereich schließlich ist die HAmronik auch schnell mit den Bandmitgliedern abgesprochen. Da ist der Groove dann letzlich der Punkt an dem es interessant wird. Ein fest für Bassisten
http://www.youtube.com/watch?v=wDZFf0pm0SE
Und auch im Jazz
http://www.youtube.com/watch?v=faJE92phKzI (hauptsächlich 2 Akkorde)
Wo liegt also jeweils der Reiz für den Hörer? Ich denke alle Komponisten haben Musik geliebt und es nicht vordergründig als Geschäft gesehen. Und alle haben ihr eigenes Ding gemacht und versucht das was in ihrem Kopf gut klang vielleicht auch mal gegen wirtschaftliche Bedenken oder verächtlich belächelnde Komponistenkonkurrenz durchzusetzen.
Das Bohlen und Guetta banal wirkt, wird damit zu tun haben, dass sie selbst nicht ernsthaft versuchen dem Publikum etwas zu zeigen oder einen Inhalt zu transportieren. Dass sie die Musik vielleicht auch nichtmal mögen. Wie ein Zuhälter seine Nutten auch nicht mögen muss. Würde Bohlen immernoch Musik machen, wenn das nur sein Nebenerwerb wäre?
Das heißt nicht, dass es nicht auch von Musikliebhabern schlechte und uninspirierte - banale Mucke geben kann. Aber man kann das nicht an der Melodie, am Rhytmus, Harmonik und schon gar nicht am Genre absolut messen.