Ich will niemanden ärgern, aber dieses ständige Herumörgeln an 70er-Jahre Fender Gitarren bringt doch nichts. Ich habe eine 73er Strat, bekommen am 21.12.1973 - also wenige Tage vor Weihnachten, ein Datum, das ich nie vergessen werde. 1148 DM hat das Ding damals gekostet. Damals war das richtig viereckiges Geld.
Wenn noch häufiger über 70er Strats unreflektiert genörgelt wird, werde ich mir irgendwann den Kassenzettel, den ich immer noch habe - großformatig einrahmen u. mit Punktstrahlern ausleuchten lassen u. mich als bekennender ´73 Stratfan outen. Für alle die es wissen wollen.
Meine Strat ist klasse, ich würde sie niemals verkaufen. Ich kann gar nicht aufzählen, wie viele mir die Gitarre in den letzten 10 bis 20 Jahren schon abkaufen wollten. OK, da war auch der eine oder andere Sammler dabei, der seine Sammelleidenschaft vielleicht mal bei der Anhäufung von Swatch-Uhren oder Krawatten mit Bärchen-Muster entdeckt hat und jetzt zu dem Schluss gekommen ist, das Gitarren sammeln irgendwie ambitionierter ist.
Ich bin heilfroh, dass ich mich nicht mit diesem ganzen CS-Gedöns, "Master-Buildern", mit werksmässig runtergerockten Relic-Strats, Signature-Modellen von Gitarristen, die bei entsprechender Bezahlung wahrscheinlich auch für Rasiercreme, Zahnprothesen oder Alufelgen werben würden ersthaft befassen muss.
Die Prioritäten haben sich in den letzten Jahr vollkommen schräg verschoben. Die Lackfrage zum Beispiel (Nitrolack, ja oder nein? Wie dick ist die Lackschicht? Nitrogitarren schwingen besser, wenn die Lackschicht dünn aufgetragen ist!) Oder das Gewicht: Ich habe meine Strat nun seit fast 40 Jahren, u. weiss bis heute nicht wieviel das Instrument wiegt. Das interessiert mich überhaupt nicht. Ich werde niemals auch nur in Erwägung ziehen, meine Strat auf die Küchenwaage zu stellen. Heute werden Hardwarteile gewechselt, um ein paar Gramm zu sparen...
Es war nie Gehirnchirurgie, eine gute Strat zu bauen, das konnten die auch in den 70ern. Und zwar vollkommen unabhängig davon, wer das Unternehmen geführt hat. Ich verstehe nicht, warum dieses 70er-Jahre Bashing immer wieder aufgewärmt werden muss, ohne zu irgendeinem allgemeingültigen Ergebnis kommen zu können. Amüsant ist das Thema allemal und ich verpasse auch keinen Thread (btw: die Norlin-Gibsons wären mal wieder für eine vernichtende Bewertung fällig...Stichwort: Kosteneinsparung. Das wäre gleichzeitig eine gute Gelegenheit, die Verwerflichkeit von Pancake-Bodies oder dicken Voluten zu erörtern und vielleicht als Sidekick die Tokais als die besseren Gibsons in den Himmel zu loben...
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Manchmal habe ich den Eindruck, dass man die meisten Threads einfach mit dem Satz beenden könnte: Antesten, eigenes Urteil bilden, selbst entscheiden, Funkstille. Aber scheinbar fängt man jetzt auch noch an Gutachter u. Sachverständige zu beauftragen, um ´rauszukriegen, ob die Fender, auf der man gerade herumklimpert "eine richtig Gute" ist. Bitte nicht falsch verstehen: Ich habe da nichts gegen u. möchte das nicht ins Lächerliche ziehen; das muss jeder selbst wissen. Hoffentlich sind die Gutachter clever genug, sich das ordentlich bezahlen zu lassen.
Ich hätte mir niemals geträumt, dass ich mich mittlerweile fast rührselig "an die gute alte Zeit" erinnere, als die Auswahl z.B. an Strats total übersichtlich war. Eines der zentralen Probleme bestand darin, ob man sich für ein Exemplar in sunburst oder einer anderen Farbe mehr interessiert.
Übrigens war damals keineswegs alles besser: Wenn man in den 70er Jahren in einen Gitarrenladen ging u. ein Frischlingsgesicht hatte, konnte es passieren, dass man aus dem Laden entfernt wurde ("Die Gitarre kannst Du Dir ja doch nicht leisten, Kleiner, zisch ab!). Das würde heutzutage kein Verkäufer mehr wagen.