Mit dem Präzedenzfall meinte ich das so, dass es mal schön wäre zu wissen inwieweit die Drohungen wirklich auch juristisch gefährlich sind.
Bisher war es noch nicht wirklich gefährlich. Und es sind eher kleine Firmen, die uncool reagieren, als große, die sich entsprechende Anwälte leisten könnten. Große Firmen reagieren eher gelassen. Die rufen mal an und fragen, "was denn da los ist".
Sagen wir's mal so: Die Palette dessen, was manche Leute hier gerne möchten, ist weit. Manche missverstehen das WWW 2.0 derart, dass sie meinen, dass nun mal sie ganz persönlich dran sind, der Welt zu sagen, wo es denn lang geht. Es ist sicher so, dass es im WWW einfacher ist, eine Meinung zu Gehör zu bringen als meinetwegen vor 20 Jahren in einem Leserbrief in einem Printmagazin. Hier im WWW 2.0, wo User Inhalte für User generieren, ist es schon möglich, mit neu gemischten Karten an diesem Spiel teilzunehmen. Je mehr Leser es allerdings gibt, desto mehr potenzielle Schreiber versammeln sich auch. Und wer Facebook oder Youtube beobachtet weiß, dass es mittlerweile dort eher selten geworden ist, dass irgendwer eine große Welle lostritt, weil viel zu viele ein lustiges Bild/Video von ihrem Hund posten.
Bei uns beginnen Selbstdarsteller und Protagonisten in eigener Sache dann oft sehr schnell unhöflich und laut zu werden, wenn ihre Message im Chaos des Meinungsgewirrs unterzugehen droht. Die Aufforderung der Moderatoren, sich in dem Rahmen dessen zu halten, was wir alle als "Netiquette" verstehen, wird dann eben als Angriff auf die Meinungsfreiheit gesehen.
Ich habe, Kraft meiner Befugnis als V.i.S.d.P. schon vor Jahren die Wacht über die Regeln an ein Team von Moderatoren abgegeben. Diese Gruppe bestimmt weitgehend, was man hier darf und was nicht und ich greife selten bis nie ein. Demgegenüber bekomme ich vergleichsweise häufig Messages mit Vorschlägen, dass man alles eben doch auch anders machen könnte. Das läuft meistens darauf hinaus, dass eine Sichtweise einer Einzelperson oder einer kleinen Gruppe, die aus irgendeinem Grund von der Sichtweise der Moderatoren abweicht, von mir gegen die Moderatoren durchgesetzt werden soll.
Sehr oft sind es Fälle, wo es ein User irgendjemand gerne heimzahlen möchte. Nehmen wir den Fall, dass irgendwer sich irgendwo in Deutschland von irgendeinem Gitarrenverkäufer unzufriedenstellend behandelt fühlt. So, und der denkt in seinem Groll zuhause: "Na warte..." und möchte nun die geballte Macht des Musiker-Boards gegen das kleine Verkäuferlein einsetzen und erreichen, dass kein User hier sich jemals wieder in diesen Laden verirrt.
Wollen wir das? Die Mods hier sagen klar: "Nein, das wollen wir nicht, weil wir nicht wirklich wissen, wer in dem Disput Recht hat." Und darauf folgt dann eine Litanei von PMs, wo der vergrätzte User mich zu überzeugen versucht, dass sein Anliegen der guten Sache dient und dass endlich mal irgendjemand Initiative ergreifen muss und diesem unsäglichen Gitarrenverkäufer das Handwerk legen muss. Das passiert schätzungsweise 1-2 Mal pro Woche und kostet mich - wenn ich darauf eingehen würde Stunden an Argumentationsarbeit.
Es wird quasi verlangt, dass ich Recht spreche in einem Fall, in dem ich allenfalls partiell die Argumentation einer Seite kenne. Und wenn ich antworte, ich sei gar nicht zuständig, weil solche Entscheidungen das Team der Moderatoren trifft, werde ich entweder beschimpft, oder eben zugetextet, ob es denn richtig sei, ausgerechnet diese Moderatoren entscheiden zu lassen, man könne das ja auch anders sehen... erst heute wieder passiert...
Pranger gab's im Mittelalter, und es hat gute Gründe, dass es sie heute nicht mehr gibt - auch wenn es tatsächlich den einen oder anderen Gitarrenverkäufer geben mag, der seinen Job suboptimal ausführt. Wenn wir zulassen, dass unter dem Deckmantel von Artikel 5 GG hier Menschen öffentlich in die Pfanne hauen, verstoßen wir nicht nur gegen die allgemeine Rechtssprechung, sondern wenden uns auch gegen einen moralischen Zeitgeist, der Pranger für überwunden sieht.