Du bist in der ersten Fahrstunde ja auch Auto gefahren und nicht Trecker, oder?
Bobbycar würd's wohl hier eher treffen.
Sorry, Goebi, die Jungs hier haben leider absolut Recht. Deine Zurückhaltung ist natürlich zu verstehen, aber es ist in der Tat so, dass man auch als Anfänger eine Menge merkt, wenn das Instrument schlecht ist. Man weiß zwar vielleicht nicht genau, was das Problem ist, merkt aber, dass da "etwas nicht stimmt" - so zum Beispiel beim Abreißen von Tönen, wenn die Polyphonie zu gering ist. Das kann auch schon in ganz simplen Situationen passieren: Stell dir vor, die Begleitautomatik spielt etwas, und es bleiben tatsächlich nur zwei Stimmen übrig - drückst du dann mit jeder Hand eine Taste, gibts kein Problem - sobald du aber mehr als diese beiden Tasten anschlägst, wird unmittelbar einer der Töne "abgewürgt". Sowas hört man auch als Anfänger, denn natürlich erwartet jeder Anfänger, dass wenn er drei Tasten drückt auch drei Töne erklingen.
Was aber noch viel wichtiger ist, und das hast du sogar selbst schon angesprochen, ist die Spieltechnik. Dazu gehören allerdings nicht nur Sitz- und Handhaltung und Fingersatz, sondern auch ganz besonders die Fähigkeit, die Dynamik des Instrumentes zu kontrollieren. Das heißt im einfachsten Fall, laut und leise spielen zu können, bei vielen Instrumenten aber noch viel mehr. Beim Klavier beispielsweise ist der Klang, wenn man die Tasten nur leicht anschlägt, nicht nur leiser, sondern auch weicher und etwas "dumpfer", als wenn man voll reinlangt - dann wird der Klang entsprechend nicht nur lauter, sondern auch aggressiver, brillianter. Die Dynamik zu beherrschen ist mit das wichtigste beim Spielen eines Instrumentes, denn die Dynamik ist das, was die Musik ausmacht - davon lebt sie.
Aus eigener leidiger Erfahrung kann ich daher nur sagen: Anschlagdynamik (d.h. die Fähigkeit des Keyboards, überhaupt unterschiedlich starken Anschlag zu verarbeiten) ist absolut Pflicht, und zwar von Anfang an. Ich hatte in meiner Anfangsphase nämlich auch ein Gerät ohne Anschlagdynamik, und als ich dann irgendwann ein neues bekam, das sie hatte, konnte ich darauf quasi nicht spielen. Ich war nicht in der Lage, stark genug anzuschlagen, um vernünftige Töne zu produzieren, und es hat mich im Anschluss Jahre gekostet, das sauber und kontrolliert hinzukriegen.
Beim Klavier wird das ganze dann noch "schlimmer", denn die Tasten sind ja nicht nur anschlagdynamisch, sondern bieten durch ihr hohes Eigengewicht (im Gegensatz zur Keyboard-Plastiktaste) einen größeren Widerstand beim Spielen. Das macht es fast unmöglich, vernünftig auf einem Klavier zu spielen, wenn man vorher nur Keyboard ohne Anschlagdynamik hatte. Selbst mit Anschlagdynamik ist es schon schwierig. Umgekehrt bietet es aber den großen Vorteil, dass man - wenn man es denn mal gelernt hat - sehr viel ausdrucksvoller und dynamischer spielen kann, wenn die Tastatur entsprechend gewichtet ist.
Nun magst du vielleicht wieder denken, dass es ja noch ein weiter Weg ist, bis solche Feinheiten überhaupt relevant werden - dem ist leider nicht so. Der Grundstein wird sehr, sehr früh gelegt und sollte daher nicht unterschätzt werden. Denn wenn das Fundament schon schlecht ist, wie soll dann alles weitere darauf halten?
Schlussendlich hat toeti mit seiner Aussage oben ebenfalls Recht: Selbst, wenn man nur den Klang betrachtet, der zugegebenermaßen für den Anfang nicht von grundlegender Bedeutung ist, gibt es dort doch einen erstaunlichen Einfluss auf die Motivation des Spielers, gerade wenn es ein Kind ist. Auch das kann ich aus eigener Erfahrung berichten.
Ich ärgere mich daher immer über die Eltern, die ihren Kindern einen kleinen Haufen Elektroschrott als Instrument vorsetzen und dann sagen "wir wissen ja nicht, ob er/sie überhaupt Spass dran hat". In den meisten Fällen wird nämlich durch die Auswahl des Instrumentes (die meisten betroffenen Geräte verdienen diesen Namen eigentlich garnicht) bereits die Entscheidung des Kindes vorweggenommen - es wird keinen Spass haben. Anschließend können sich die Eltern dann natürlich freuen ("ein Glück, dass wir nicht so viel Geld ausgegeben haben"), aber dann hätten sie es sich auch gleich ganz sparen können. Wenn man seinem Kind das Interesse an der Musik
nehmen will, dann sind diese Kisten geeignet. Sonst nicht. Sie sind Spielzeug. Sie mögen als solches unterhaltsam sein, gerade auch für Kinder, aber das ist auch ein "Klavier" von Fisher Price. Ein Instrument, das Freude und Begeisterung für die Musik auslöst, ist das aber alles nicht.
Da du von Keyboardunterricht schreibst, möchte ich auf den Punkt Unterricht an dieser Stelle auch nochmal kurz (
) eingehen. Keyboardunterricht und Klavierunterricht sind zwei VÖLLIG unterschiedliche Dinge. Sie unterscheiden sich nämlich nicht nur im Instrument, auf dem gelernt wird, sondern auch in den Lehrinhalten - und zwar in ziemlich negativer Weise für den Keyboardunterricht. Dort wird üblicherweise zunächst gelehrt, wie man einfache Melodien mit der rechten Hand spielt und dann ggf. mit der Begleitautomatik, gesteuert über die linke Hand, begleiten lässt. Das führt dazu, dass die linke Hand lange Zeit stark weniger gefordert ist als die rechte, was wiederum dazu führt, dass sie einfach weniger kann. Eigentlich genau der falsche Ansatz in Anbetracht der Tatsache, dass die linke Hand bei vielen (allen Rechtshändern eben) ohnehin schon die "schwächere" Hand ist. Tatsächlich ist es so, dass ich auch nach 15 Jahren Unterricht immer noch deutlich schlechter mit der linken Hand bin. Aber auch andere Techniken werden im Keyboardunterricht häufig vernachlässigt, ganz zu schweigen von der Musiktheorie.
Ich lehne Keyboardunterricht aus diesen Gründen ziemlich ab. Das einzige, wozu man dabei geführt wird, kann meiner Meinung nach die typische Entertainer-Spielweise sein - also Begleitautomatik und dazu eine einfache Melodie tasten. Genau so, wie man es von diesen fürchterlich klischeehaften Typen im Glitzeranzug auf Hochzeiten o.ä. kennt. Will man hingegen richtig Musik machen, sei es allein oder mit anderen, sei es Klassik, Jazz, Rock oder Pop, sollte man in meinen Augen Klavierunterricht nehmen. Er ist dem Keyboardunterricht in Theorie und Praxis weit überlegen und öffnet außerdem die meisten Möglichkeiten: Wer gut Klavier spielt und einen einigermaßen abwechslungsreichen Unterricht genossen hat, wird mit vergleichsweise wenigen Problemen auf andere Instrumente (Keyboards, Synthesizer, Orgeln etc.) umsteigen können, während der umgekehrte Weg (u.a. aus den oben genannten Gründen) sehr viel schwieriger ist.
Natürlich gibt es hier auch Ausnahmen, üblicherweise stark abhängig vom Lehrer. Klar, es gibt alte, verbohrte Klavierlehrer, die außer der Klassik sowieso nichts anderes als "Musik" akzeptieren und nicht bereit sind, sich auf Interessen des Schülers einzustellen. Und es gibt selbstverständlich auch Keyboardlehrer, die breit gefächerte Fähigkeiten haben und sowohl Spieltechnik als auch Musiktheorie in hoher Qualität lehren. Beide sind aber (im ersteren Falle zum Glück, im zweiteren leider) eher die Ausnahme. Unter'm Strich fährt man aber mit Klavierunterricht besser.
Deshalb kann ich mich, wie nun schon mehrfach gesagt, den Kommentaren der Kollegen nur anschließen. Lasst euch das nochmal durch den Kopf gehen. Und wenn noch offene Fragen da sind: Immer raus damit, wir helfen wo wir können