Hier mal ein interessanter Link, wo sich Karlheinz Brandenburg (Erfinder des MP3-Format) zu diesem Themenkomplex äußert:
http://www.wiwo.de/technik-wissen/das-muss-man-hoeren-468744/
Dass in dieser Zukunft quadratkilometergroße Büroetagen mit Buchhalter-Cubicals, CD-Presswerke und ähnliche Zwischenverwerter keinen Platz mehr haben, finde ich nicht wirklich traurig. Die hatten ohnehin nie etwas mit der Musik an sich zu tun und finden auch andere Aufgaben.
Wie schon oft gesagt, heute und morgen sind das halt dann Apple, Google/You Tube, Facebook und Konsorten. Auch die wollen in letzter Konsequenz nichts als Geld verdienen. Betrachtet man deren Markt- und Machtpostion im digitalen Zeitalter, kann das leicht zu Entwicklungen führen, wo wir in 20 Jahren da sitzen und uns die im Vergleich harmlosen Major-Labels zurückwünschen. Klar - jetzt ist das alles cool und hip und 2.0. Das waren aber die Major-Labels auch einmal, als da z.B. 1961 ein 28-jähriger Afroamerikaner namens Quincy Jones in der obersten Führungsriege saß. Was ist daraus geworden? Ich halte es für einen wirklich fatalen Trugschluß, anzunehmen, dass die nächste Generation an Verwertern, da irgendetwas machen würde, dass besser für Musiker, Musikultur, etc. wäre. Das Gegenteil ist zu befürchten, da sich vermutlich die Oligopole noch weiter konzentrieren werden und sich ja sogar schon Monopole entwickeln. Gegen Apple läuft ja schon seit längerem eine Klage wegen Kartellbildung.
Auf schlicht faktisch völlig falsche Tatsachenbehauptungen, z.B. zum Thema GEMA, gehe ich nicht mehr ein. Ich kann nur eins sagen: Meiner Erfahrung sind viele Musiker kommerziell v.a. auch aus dem völlig simplen Grund nicht erfolgreich, weil sie schlicht über die Strukturen und Verwertungsmechanismen nicht im Geringsten bescheid wissen (sich dabei aber oft genug besonders gut informiert fühlen). Sie stimmen lieber einfach in die platte und meist sachlich völlig falsche Kritik z.B. an der GEMA ein, als sich wirklich damit zu beschäftigen. Täten sie das, könnten und würden sie auch monetär profitieren. In anbetracht dessen, habe ich es aufgeben, da "Aufklärung" leisten zu wollen.
Aber zum Thema:
Interessant finde ich v.a. die Frage nach dem "Format" des Produktes (nicht das technische Format der Musik). Der allseits unbeliebte Dieter Gorny hat mal das Beispiel mit dem Mineralwasser gebracht. Irgendwer (ich glaube konkret war es zuerst Evian) hat es geschafft, ein praktisch überall kostenlos verfügbares Gut zu einem kommerziell verwertbaren Produkt zu machen. Es braucht ein hübsches und praktisches "Format" (=Flasche) und emotionale "Aufladung" (Bewerbung als Lifestyle-Produkt mit bekannten Model-Gesichtern). Auf die Musik übertragen heißt das für mich: Die Musik selbst ist in Zusammenspiel mit dem Image, Lifestyle, etc. des Künstlers einerseits die "emotionale Aufladung", also ihr eigener Werbeträger, andererseits ein (immer kleiner werdender) TEIL des Produktes.
Bleibt die Frage nach dem "Format". Ich halte es für denkbar, dass die Webpräsenz die "Flasche" sein wird. Früher war es so, dass man als Fan eines Künstlers sagen wir ein Album für 15-20 EUR pro Jahr gekauft hat. Warum nicht ein Fan-Abo zu diesem Jahrespreis verkaufen, das Zugang zu einem Mitgliedsbereich auf der Internetseite bietet. Dort könnte sich finden:
- Musik jenseits des Album-Formates, präsentiert in interaktiver Form. Das kann bei simplen Darbietungen mit hübschem Player und virtuellem Booklet anfangen, das ist aber eben gerade nur der wenig innovative Anfang. Man stelle sich z.B. vor was Artwork-Fetischisten wie "Tool" mit Hang zum audio-visuellen da wohl für Einfälle hätten. Das kann gehen bis hin zu richtigen Games oder Filmen, als die "Alben von morgen". Natürlich kann, soll und muss es auch, weiterhin einfach die Musik geben. Natürlich auch in hochauflösenden Formaten. Was kostet es denn 24/96-Files bereit zu stellen? Nichts. Aber es freut die Audiophilen.
- Live-Content: Konzert-Übertragungen, Video-Botschaften
- Fanclub-Mitgliedschaft und Community: Vergünstigte Tickets, Verlosungen und Contests (Tickets, Wohnzimmer-Konzerte, Meet & Greet, Featurings usw.)
- In vielen Genres sind sicher 50% der Fans selbst Musiker: Tabs, Noten, Lehrvideos, 1:1 Unterricht, Samples der Drums vom den letzten Recordingsessions, ach - bis hin zu Signature-Ampsim-Plugins mit dem Album-Sound und IRs von den Studioräumen
- Merchandising: T-Shirts, Vinyl, Feuerzeuge? Etwas phantasielos.
Es gibt die lustige Geschichte der Sängerin der Dresden Dolls, die in einer spontanen Langweile-Aktion so um die 19.000 USD in wenigen Tag gemacht hat, in dem sie z.B. über Twitter sinnloseste Dinge versteigert hat. Angesichts dessen ist es ja geradezu mehr als lächerlich, dass sich Musiker beschweren, dass sie keine CDs verkaufen! Ja, wtf, verkauft halt das Zeug, dass die Leute haben wollen! Ich hab' schon vor fast 10 Jahren scherzhaft gesagt, Madonna könnte mit getragener Unterwäsche mehr Geld verdienen, als mit Tonträgern (wobei die Produktion in ausreichender Quantität u.U. praktische Schwierigkeiten aufwerfen dürfte.
). Das Prinzip ist doch klar. Joe Satriani könnte doch sogar mit der Auktion eines abgespielten Plektrums mehr Geld verdienen, als mit dem Verkauf einer CD! Reliquien und Paraphernalia sind die Stichworte.
Das sind jetzt nur ein paar Gedanken. Das meiste davon umgeht Probleme wie Piraterie, Wertverlust der Musik, etc. völlig, da es auf ganz anderen Ansätzen beruht.
Ein weiter höchst interessantes aber weitgehend ungenutztes Feld sind Crowdsourcing-Ansätze, z.B. zur Finanzierung.