Martman
Registrierter Benutzer
(Anmerkung für Newbies, die über diesen Thread gestolpert sind: Hier geht es nicht um Standardsoundschleudern für Piano, Streicher, Bläser, Orgeln etc., sondern um virtuell-analoge Synths, die nur elektronische Sounds können, und als Zielgruppe um diejenigen, die gewillt sind, ihre eigenen Sounds zu erschrauben.)
Das Thema kommt ja immer wieder auf jemand möchte sich mehr mit der Wirkungsweise eines Synthesizers beschäftigen und in die (Un-)Tiefen der Klangsynthese eindringen. Jetzt ist derjenige aber ein Einsteiger, und vom "Das muß echt-analog und voll spannungsgesteuert sein"-Purismus ist er auch noch nicht befallen. Das Preis/Leistungs-Verhältnis ist dann doch wichtiger, und Speicherbarkeit und MIDI (wenn nicht gar USB) ist auch nicht unbedingt etwas Verzichtbares. Also sollte es ein günstiger Virtuell-Analoger sein, der dann oft auch noch der erste und somit für einige Zeit einzige Synth bleibt. Aber welcher? Der Markt besonders dann, wenn man den Gebrauchtmarkt hinzunimmt, also längst ausgelaufene Geräte zu sehr attraktiven Preisen ist fast schon unübersichtlich, so viele Synths bieten sich an, aber umgekehrt haben sie oft auch ihre Schattenseiten.
Dieser Thread soll nun dazu dienen, eine Übersicht über einsteigertaugliche VA-Synths zu bieten und solche Synths unter diesem Gesichtspunkt auch mal zu diskutieren.
Fangen wir mit dem (gerade noch so, Stand August 2010) aktuellen Angebot an.
Korg MicroKorg
Der Klassiker. Wird seit acht Jahren unverändert gebaut und verkauft sich wohl immer noch wie geschnitten Brot. Macht ja auch auf der Bühne eine gute Figur, sieht gut aus, läuft auch mal auf Batterien, und irgendwie hatte jeder mal einen, kann also nicht ganz verkehrt sein.
Das am häufigsten genannte Manko ist die Spielzeugtastatur. 37 Minitasten, die im Gegensatz zu späteren Micro-Modellen nicht nur kürzer, sondern auch schmaler als normal sind und nicht mal richtige Gelenke haben, sondern aus zusammenhängenden Kunststoffteilen bestehen. Das Spielgefühl ist also eher so lala, für gelernte Pianisten mehr eine Katastrophe, und wenn man Wurstfinger hat, können die Tasten ganz schnell mal zu schmal werden. Trotz allem gibt's aber Anschlagdynamik.
Für einen Synth seiner Größe und zu diesem Preis, wo man bei der Ergonomie schon mal Abstriche machen muß, ist die Schraubbarkeit akzeptabel. Die Klangerzeugung stammt vom MS2000B und ist übersichtlich (nur zwei Oszillatoren plus Noise, nur ein Filter, das 24 dB/Oktave Tiefpaß und 12 dB/Oktave Multimode kann, LFOs und Hüllkurven auch nur jeweils zweimal vorhanden), man wird also nicht gar so leicht von den Parametern erschlagen. Trotzdem stellt die Matrix (mit zwei Drehschaltern werden die Funktionen für die fünf Potis gewählt) schon mal einen Kritikpunkt in der Handhabung dar. Gerade Einsteiger sollten idealerweise für jede Funktion ein Bedienelement haben. Aber da gibt's noch weitaus Schlimmeres unter den Minisynths, und fabrikneue Synths zu dem Preis mit einem vollen Satz Bedienelementen gibt's nur von MFB und die sind echtanalog, monophon, nicht speicherbar, so klanglich flexibel sind sie auch nicht, und Wurstfingerkandidaten können da auch ihre Probleme mit den kleinen Knöpfen haben, während Korg die MicroKorg-Potikappen aus demselben Luftfahrtregal nimmt wie Moog.
Wo auch noch Abstriche gemacht werden müssen, ist bei der Polyphonie. Der MicroKorg hat nämlich nur vier Stimmen, was ihn für Leads und Bässe prädestiniert, nicht aber so sehr für mehrstimmige Flächen mit langen Releasefahnen, die schon in die nächsten gespielten Noten übergehen. Außerdem kann er zwar Layersounds, ist aber nicht wirklich multitimbral und dann eben auch nur noch zweistimmig.
Ob Korgs leichte Wellenformschummelei (einer der beiden Oszillatoren kann auch 64 DWGS-Wellenformen, 32 aus dem DW8000, 32 previously unreleased) dem Newbie, der es eben mit nur drei bis fünf Waveforms lernen soll, zuträglich ist, darüber läßt sich streiten.
Mit 128 Speicherplätzen könnte man fürs Erste auskommen, es sei denn, man schraubt und speichert wie blöd, zumal die Werkssounds eigentlich allesamt mit ruhigem Gewissen überschrieben werden können, da verpaßt man nix. Merkwürdig ist eher die DJ-artige Speicherstruktur mit acht teilweise nach Musikgenres benannten Kategorien, A- und B-Seite (für Kinder der 90er Jahre: Das bezieht sich auf Schallplatten, also Vinyl) und dann jeweils acht Speicherplätzen. Manche überkleben einfach die Genrenamen.
Schrauben über den Rechner geht übrigens es gibt von Korg eine Editorsoftware. Allerdings funktioniert die nur über MIDI, weil der MicroKorg kein USB hat.
Korg R3
Mit dem R3 wollte Korg damals einen MicroKorg-Nachfolger präsentieren, der all das richtig machen sollte, was Körgchen falsch gemacht hat. Fullsize-Tasten, und zwar immer noch 37, und die Genres als Banknamen hat man auch entsorgt zugunsten von Klangkategorien, wie sie eigentlich jeder Rompler und auch ein anständiger VA haben sollte. Bei der Gelegenheit hat man auch gleich die Klangerzeugung erneuert. Wo beim MicroKorg noch ein leicht aufgebohrter MS2000B sitzt, werkelt im R3 der damals nagelneue Radias in eingedampfter Form.
Das Klangbasteln wird gerade Neulingen damit aber nicht erleichtert. Der Synth kann mehr (zweites Filter, überhaupt fallen die Filter noch üppiger aus, dritte Hüllkurve etc.), hat aber weniger Bedienelemente, um das zu zügeln. Man darf sich durch eine Reihe von durchnumerierten Menüs wühlen, die zwar unter den mit LED-Kränzen versehenen Echtzeitencodern aufgedruckt sind, aber extrem klein und schwer lesbar. Der Name des Menüpunkts erscheint auf einem Display, die nur noch vier Parameter auf vier weiteren unter den besagten vier Reglern mit LED-Kränzen. Man sieht also nicht auf den ersten Blick, was z. B. so ein Filter oder eine Hüllkurve alles kann, und was man da verstellen kann. Okay, könnte man als zusätzlichen Lerneffekt verbuchen der Anwender sollte sich das irgendwann mal einprägen, dann klappt's auch mit dem gezielten Schrauben.
An Speicherplätzen gibt's nach wie vor 128, jetzt organisiert in 16 Klangkategorien, die immer noch per Drehknopf ausgewählt werden.
Den Sound vom Radias kann man mögen, man kann ihn auch nicht mögen. Es gibt Leute, die sagen, der alte MicroKorg klingt besser, aber Sound war eigentlich immer Geschmackssache. Es sei aber angemerkt, daß der R3 flächentauglicher ist als der MicroKorg er hat acht Stimmen.
Was der R3 außerdem hat: USB-Anbindung an den Rechner. Was er nicht hat: Batteriefach.
Korg MicroKorg XL
Ein Minisynth im E-Piano-Gewand. Korgs schon zweiter Versuch, den MicroKorg zu beerben, nachdem der R3 es nicht geschafft hatte. Und Korgs einziger Minisynth, wo sie die Farbe-und-bunt-Strategie angewandt haben, falls jemand Farbvarianten als Killerfeature sieht (es gibt ihn auch in rot und beige). Man hat im Prinzip den R3 genommen und wieder einen MicroKorg draus gemacht. Das heißt, es gibt wieder Minitasten (jetzt allerdings als einzelne Tasten und zumindest in Standardbreite), ein Batteriefach und in acht zumeist nach Genres benannten Bänken aufgeteilte Speicherplätze (auch wenn jetzt mehr Genres dazugekommen sind, also nicht nur typisches DJ-Material). Noch dazu haben die 128 Soundspeicher gar keine Nummern mehr, anstelle der 8er-Teilung ist ein Name für den Klangcharakter geraten. Als wenn man sich daran halten würde.
Schrauben am MicroKorg XL ist allerdings noch schlimmer als am R3. Es gibt ein paar Grundfunktionen, die über eine Mini-Matrix (6 Zeilen à 3 Knobs) einstellbar sind, für den Rest braucht man wieder Menüs. Hier kommt erschwerend hinzu, daß der MicroKorg XL ein Spezialdisplay hat, das zwar "gut aussieht", aber nicht grafikfähig ist, und im Gegensatz zum R3 ist die Menüstruktur auch nirgendwo auf dem Gerät zu finden. Wohlgemerkt, der MicroKorg XL hat immer noch die Möglichkeiten des R3 unter der Haube.
Alesis Micron, Akai Miniak
Der Micron kam 2004 als erster MicroKorg-Konkurrent. Während allerdings Korg den ohnehin schon etwas limitierten MS2000B geringfügig modifiziert in ein kleineres Gehäuse gepackt hat, hat Alesis dasselbe mit dem doch relativ mächtigen achtstimmigen, damals noch vierfach polyphonen Ion gemacht und ihm sogar noch Zusatzgimmicks mit auf den Weg gegeben. Allerdings hat man es mit der Miniaturisierung so weit getrieben, daß die Oberfläche des Micron fast ausschließlich aus der Tastatur bestand. Der Miniak ist alter Wein in neuen Schläuchen: 2009 hat Akai den mittlerweile achtfach multitimbralen Micron in ein größeres, ergonomischeres und mutmaßlich widerstandsfähiges Gehäuse gepackt.
Beiden Synths ist aber gemeinsam, daß sie die Schrauberei-Unfreundlichkeit jedes verkleinerten Radias noch toppen. Nirgendwo auf dem Synth ist zu sehen, was er kann und womit er ausgestattet ist (das wird nur durch die Bedienungsanleitung ersichtlich, die knapp gehalten und zumindest beim Miniak komplett auf Englisch, aber gottlob auf Papier gedruckt ist), geschweige denn, daß diese Funktionen eigene Regler oder ähnliches hätten. Es gibt genau ein Bedienelement, mit dem Micron und Miniak editiert und programmiert werden, und das ist die mit "Data" beschriftete Endlosregler-Taster-Kombination. Mit der wühlt man sich durch eine endlose Reihe von Menüs, die zumeist nur eine Funktion haben. Mehr paßt nicht aufs zweizeilige Display. Experimentierfreudiges "Mal gucken, was passiert, wenn ich hier dreh"-Schrauben geht bei Micron und Miniak nicht, es sei denn, man begibt sich gezielt zu der Menüseite. Okay, es gibt Shortcuts für bestimmte Menüpunkte, die per Doppelbelegung des Program-Tasters unter Verwendung der Tastatur aufgerufen werden, aber auch das steht nicht auf dem Synth selbst, daß das geht. Und gleichzeitiges Schrauben an mehr als einem Parameter geht erst recht nicht.
Das wäre alles vielleicht nur halb so schlimm, wenn wir es nicht mit einem ziemlichen Monster von Synthesizer zu tun hätten. Wie gesagt, die beiden kleinen Kisten können mehr als der Urvater Ion. Drei baugleiche Oszillatoren mit einer Vielzahl an Parametern und diversen Verschaltungsmöglichkeiten, zwei baugleiche Filter mit jeweils 20 Filtertypen, je einen Mixer vor und hinter der Filtersektion, üppige Effekte usw. Micron und Miniak sind eindeutig Synths, bei denen man schon wissen sollte, was man haben will, und auch, wie man es kriegt. Reinschnuppern in die subtraktive Synthese wird hier bis an die Unmöglichkeit heran erschwert.
Zugegeben, wenn man mal angefangen hat zu schrauben, gibt's Hunderte freier Speicherplätze für eigene Klangkreationen, die dann auch noch frei je einer Kategorie zugewiesen und mit einem aussagekräftigen Namen versehen werden können. Und klanglich sind beide mächtiger als der MicroKorg, wenngleich man ebenso den etwas schmutzigeren Charakter des Körgchen dem bisweilen leicht digital-unterkühlten der Numark-Zwillinge vorziehen könnte.
Roland GAIA SH-01
Mal ganz was anderes. Roland hat mal wieder das Kürzel SH ausgemottet und einen neuen Einsteiger-VA vom Stapel gelassen. Der optische Eindruck: Der SH-101 ist im 21. Jahrhundert angekommen. Und wie schon der Vorgänger SH-201 zielt auch der SH-01 auf den Einsteiger ab.
Was nur Roland bei Kompaktsynths zu machen scheint: Es gibt für so ziemlich alles ein Bedienelement. Jetzt hat Roland aber zur Abwechslung mal nicht bei Moog abgeguckt, sondern bei sich selbst, und statt Drehknöpfen Fader eingebaut. Wie gehabt folgt die Anordnung der Sektionen dem Signalfluß, also Oszillator → Filter → Verstärker.
Kommen wir zur Einsteigerfreundlichkeit. An sich haben wir es mit einem recht einfachen Synth zu tun. Gut, er hat drei separate Klangerzeugungsstränge, aber jeder davon hat beispielsweise nur einen Oszillator. Eine Patchmatrix fehlt auch, Oszillator, Filter und Verstärker haben jeweils eine eigene Hüllkurve (die für den Oszillator hat sogar nur zwei Phasen), die allerdings auf dem Synth selbst sehr aussagekräftig illustriert sind, und der einzige LFO kann in der Modulationsintensität für Tonhöhe, Cutoff und Lautstärke separat geregelt werden. Und rolandtypisch hat das Filter ein paar mehr Modi und eine separat schaltbare Flankensteilheit.
Zugegeben, das ist insofern gut, als der Anfänger hier nicht mit Funktionen erschlagen wird. So haben wohl um 1980 viele angefangen (mit nur einem Strang allerdings). Der Hund liegt aber woanders begraben. Die meisten Synthesizer sind irgendwie auf den Minimoog zurückzuführen. Der GAIA aber nicht, höchstens durch das Vorhandensein eines Pitch Benders und eines Modulation-Controllers links von der Tastatur, die bei Moog, Yamaha usw. usf. aber auch wieder anders aussehen. Der Minimalismus hat ihn auf einen Oszillator pro Strang reduziert, so daß sich Neulinge nicht nur beim Umstieg auf irgendeinen anderen Synth umstellen müssen (fast alle anderen haben mehrere Oszillatoren, die vorm Filter gemischt werden), sondern zunächst mal schön schwebende oder anderweitig in sich verstimmte Klänge mit mehreren Oszillatoren nicht möglich sind. Das heißt, sie sind schon möglich, aber nicht mit einem Strang. Man aktiviert einfach mehrere Stränge, und so hat man bis zu drei Oszillatoren. Aber die laufen alle durch jeweils ihr eigenes Filter, was auch wieder eine Unart ist, an die sich Newbies besser gar nicht erst gewöhnen sollten, sondern was die Sache noch weiter verkompliziert. Wenn man die Filter in mehreren Strängen gleichzeitig bearbeitet, haben sie dieselbe Einstellung und wirken wie ein Filter, vor dem die Oszillatoren gemischt werden, aber es ist nicht dasselbe. Das Spielchen geht dann mit den drei separaten Amps weiter. Alles Sachen, die eben nur der GAIA hat, und die man sich beim Umstieg auf andere Synths wieder abgewöhnen muß. Das Ding steht irgendwie zwischen den Konzepten, es ist weder ganz die klassische Ami-Synthesizer-Architektur noch etwas Abgefahrenes wie die analogen Yamahas der 70er, wo jeder Oszillator mehrere Waveforms gleichzeitig ausgibt und zwei eigene Filter hat.
Obendrein hat Roland auf jegliches Display verzichtet. Man weiß nie genau, was für einen Wert man gerade irgendwo eingestellt hat, und muß nach Gehör soundbasteln oder per Software über USB. Wenn man nicht genau auf die Skalen guckt, merkt man womöglich nicht mal, wann ein Wert unipolar ist und wann bipolar. An beschreibbaren Speicherplätzen gibt's auch nur 64 (8 Patches in 8 Bänken).
Die Polyphonie wird wohl niemand je voll ausreizen an diesem Synth, jedenfalls nicht mit dem VA-Teil (gibt auch noch eine GM-Soundbank): 64 Stimmen. Und wirklich multitimbral ist er nicht.
Auch wenn der GAIA weitaus besser klingt als der SH-201, war letzterer doch zum Schraubenlernen besser geeignet.
Zu guter Letzt: Auch der GAIA läuft wahlweise mit Batterien. Was Roland allerdings verpennt hat, ist, für den GAIA wie früher für den SH-101 einen Umrüstsatz zur Keytar anzubieten, obwohl sie kurz zuvor mit dem AX-Synth und zeitgleich mit dem Lucina die Keytar wiederbelebt haben. Aber das gehört hier nicht her.
Clavia Nord Lead 2X
Wer den Roten kauft, hat nicht nur Platz genug für ein 4-Oktaven-Keyboard mit Controllern links von der Klaviatur, sondern meint es ernst mit der Synthesizerei, sonst würde er nicht über 1000 in diesen Synth investieren. Dafür gibt's aber auch einen No-Nonsense-VA, der zwar kein Featuremonster ist (im Gegensatz etwa zu seinem seligen Nachfolger), aber einen sehr amtlichen Sound hat und vor allem das Nord-Lead-Credo: Eine Funktion, ein Bedienelement, null Diskussion.
Wenn es da draußen einen schrauberfreundlichen Synth mit sinnvollem Funktionsumfang, vielen Knöpfen, wenig Doppelbelegung und nur dem Nötigsten an Menüs gibt, ist es ein Nord Lead. Die Featureauswahl ist old school und erzieht auch zu einer entsprechenden Denke. Es gibt nur zwei Oszillatoren pro Stimme, die mitnichten baugleich sind. Sinus kann nur einer von beiden, Noise kann nur der andere, gemeinsam haben sie die drei Grundwellenformen Sägezahn, Dreieck und Rechteck/Puls. Filter hat's auch nur eins mit vier Modi, allerdings ungewöhnlicher Auswahl und natürlich nicht separat schaltbarer Flankensteilheit (12 dB/Oktave Tiefpaß, 24 dB/Oktave Multimode), sowie natürlich eigener ADSR-Hüllkurve. Einziges Gimmick ist die integrierte Zerre. Auch die Verstärkersektion bietet nur das Nötigste. Man merkt, daß Clavia damals beim ersten Nord Lead nach dem Minimoog geschielt hat. Aber mal ernsthaft, braucht ein Synthesizereinsteiger drei oder mehr Oszillatoren? Oder zwei Filter, die er sich erst zurechtschalten muß, wo die Handhabung von einem fest in den Signalweg gerouteten Filter einfacher wäre und in der Mehrzahl der Fälle ein Filter reicht? Gut, wenn man mehr braucht, und sei es zwei Oszillatoren und ein separater Rauschgenerator oder eben ein zweites Filter, hat man ein Problem, aber so weit muß man erst kommen.
Effekte gibt's hier übrigens überhaupt keine, wo andere VAs mehr gleichzeitige Effekte erzeugen als jede Workstation, der Soundschrauber soll aber auch gar nicht erst zu solch faulen Tricks wie Aufdicken per Chorus verführt werden. Dafür gibt's 16 Stimmen und vierfachen Multimode. Eher ein Wermutstropfen ist, daß die 990 Programs und 400 Performances, davon 297 bzw. 100 speicherbar, alle nur Bank- und Programmnummern haben, weil das dreistellige 7-Segment-Display keinen Namen zuläßt.
Und dann ist da noch der Preis, zumal Clavia-Synths traditionell praktisch keinerlei Wertverlust zu haben scheinen... Wobei es für einige 100er weniger auch die Pult-/Rackversion gibt, aber dann darf man sich als Newbie auch noch eine Tastatur kaufen und mit MIDI rumschlagen.
Zu Gebrauchtgeräten, von denen es natürlich noch viel mehr in annehmbaren Preisbereichen gibt, werde ich später kommen. Wer will, kann natürlich jetzt schon was dazu sagen.
Den Blofeld hab ich außen vor gelassen, weil er zwar preisgünstig ist, aber wieder recht kompliziert zu handhaben, zumal er eigentlich ein Wavetable-Synth ist, der nebenher auch VA und dann auch noch Samples kann. Und die Viren und den Nord Wave hab ich nicht erwähnt, weil sie noch teurer sind als der Nord Lead, insbesondere mit Tasten.
Martman
Das Thema kommt ja immer wieder auf jemand möchte sich mehr mit der Wirkungsweise eines Synthesizers beschäftigen und in die (Un-)Tiefen der Klangsynthese eindringen. Jetzt ist derjenige aber ein Einsteiger, und vom "Das muß echt-analog und voll spannungsgesteuert sein"-Purismus ist er auch noch nicht befallen. Das Preis/Leistungs-Verhältnis ist dann doch wichtiger, und Speicherbarkeit und MIDI (wenn nicht gar USB) ist auch nicht unbedingt etwas Verzichtbares. Also sollte es ein günstiger Virtuell-Analoger sein, der dann oft auch noch der erste und somit für einige Zeit einzige Synth bleibt. Aber welcher? Der Markt besonders dann, wenn man den Gebrauchtmarkt hinzunimmt, also längst ausgelaufene Geräte zu sehr attraktiven Preisen ist fast schon unübersichtlich, so viele Synths bieten sich an, aber umgekehrt haben sie oft auch ihre Schattenseiten.
Dieser Thread soll nun dazu dienen, eine Übersicht über einsteigertaugliche VA-Synths zu bieten und solche Synths unter diesem Gesichtspunkt auch mal zu diskutieren.
Fangen wir mit dem (gerade noch so, Stand August 2010) aktuellen Angebot an.
Korg MicroKorg
Der Klassiker. Wird seit acht Jahren unverändert gebaut und verkauft sich wohl immer noch wie geschnitten Brot. Macht ja auch auf der Bühne eine gute Figur, sieht gut aus, läuft auch mal auf Batterien, und irgendwie hatte jeder mal einen, kann also nicht ganz verkehrt sein.
Das am häufigsten genannte Manko ist die Spielzeugtastatur. 37 Minitasten, die im Gegensatz zu späteren Micro-Modellen nicht nur kürzer, sondern auch schmaler als normal sind und nicht mal richtige Gelenke haben, sondern aus zusammenhängenden Kunststoffteilen bestehen. Das Spielgefühl ist also eher so lala, für gelernte Pianisten mehr eine Katastrophe, und wenn man Wurstfinger hat, können die Tasten ganz schnell mal zu schmal werden. Trotz allem gibt's aber Anschlagdynamik.
Für einen Synth seiner Größe und zu diesem Preis, wo man bei der Ergonomie schon mal Abstriche machen muß, ist die Schraubbarkeit akzeptabel. Die Klangerzeugung stammt vom MS2000B und ist übersichtlich (nur zwei Oszillatoren plus Noise, nur ein Filter, das 24 dB/Oktave Tiefpaß und 12 dB/Oktave Multimode kann, LFOs und Hüllkurven auch nur jeweils zweimal vorhanden), man wird also nicht gar so leicht von den Parametern erschlagen. Trotzdem stellt die Matrix (mit zwei Drehschaltern werden die Funktionen für die fünf Potis gewählt) schon mal einen Kritikpunkt in der Handhabung dar. Gerade Einsteiger sollten idealerweise für jede Funktion ein Bedienelement haben. Aber da gibt's noch weitaus Schlimmeres unter den Minisynths, und fabrikneue Synths zu dem Preis mit einem vollen Satz Bedienelementen gibt's nur von MFB und die sind echtanalog, monophon, nicht speicherbar, so klanglich flexibel sind sie auch nicht, und Wurstfingerkandidaten können da auch ihre Probleme mit den kleinen Knöpfen haben, während Korg die MicroKorg-Potikappen aus demselben Luftfahrtregal nimmt wie Moog.
Wo auch noch Abstriche gemacht werden müssen, ist bei der Polyphonie. Der MicroKorg hat nämlich nur vier Stimmen, was ihn für Leads und Bässe prädestiniert, nicht aber so sehr für mehrstimmige Flächen mit langen Releasefahnen, die schon in die nächsten gespielten Noten übergehen. Außerdem kann er zwar Layersounds, ist aber nicht wirklich multitimbral und dann eben auch nur noch zweistimmig.
Ob Korgs leichte Wellenformschummelei (einer der beiden Oszillatoren kann auch 64 DWGS-Wellenformen, 32 aus dem DW8000, 32 previously unreleased) dem Newbie, der es eben mit nur drei bis fünf Waveforms lernen soll, zuträglich ist, darüber läßt sich streiten.
Mit 128 Speicherplätzen könnte man fürs Erste auskommen, es sei denn, man schraubt und speichert wie blöd, zumal die Werkssounds eigentlich allesamt mit ruhigem Gewissen überschrieben werden können, da verpaßt man nix. Merkwürdig ist eher die DJ-artige Speicherstruktur mit acht teilweise nach Musikgenres benannten Kategorien, A- und B-Seite (für Kinder der 90er Jahre: Das bezieht sich auf Schallplatten, also Vinyl) und dann jeweils acht Speicherplätzen. Manche überkleben einfach die Genrenamen.
Schrauben über den Rechner geht übrigens es gibt von Korg eine Editorsoftware. Allerdings funktioniert die nur über MIDI, weil der MicroKorg kein USB hat.
Korg R3
Mit dem R3 wollte Korg damals einen MicroKorg-Nachfolger präsentieren, der all das richtig machen sollte, was Körgchen falsch gemacht hat. Fullsize-Tasten, und zwar immer noch 37, und die Genres als Banknamen hat man auch entsorgt zugunsten von Klangkategorien, wie sie eigentlich jeder Rompler und auch ein anständiger VA haben sollte. Bei der Gelegenheit hat man auch gleich die Klangerzeugung erneuert. Wo beim MicroKorg noch ein leicht aufgebohrter MS2000B sitzt, werkelt im R3 der damals nagelneue Radias in eingedampfter Form.
Das Klangbasteln wird gerade Neulingen damit aber nicht erleichtert. Der Synth kann mehr (zweites Filter, überhaupt fallen die Filter noch üppiger aus, dritte Hüllkurve etc.), hat aber weniger Bedienelemente, um das zu zügeln. Man darf sich durch eine Reihe von durchnumerierten Menüs wühlen, die zwar unter den mit LED-Kränzen versehenen Echtzeitencodern aufgedruckt sind, aber extrem klein und schwer lesbar. Der Name des Menüpunkts erscheint auf einem Display, die nur noch vier Parameter auf vier weiteren unter den besagten vier Reglern mit LED-Kränzen. Man sieht also nicht auf den ersten Blick, was z. B. so ein Filter oder eine Hüllkurve alles kann, und was man da verstellen kann. Okay, könnte man als zusätzlichen Lerneffekt verbuchen der Anwender sollte sich das irgendwann mal einprägen, dann klappt's auch mit dem gezielten Schrauben.
An Speicherplätzen gibt's nach wie vor 128, jetzt organisiert in 16 Klangkategorien, die immer noch per Drehknopf ausgewählt werden.
Den Sound vom Radias kann man mögen, man kann ihn auch nicht mögen. Es gibt Leute, die sagen, der alte MicroKorg klingt besser, aber Sound war eigentlich immer Geschmackssache. Es sei aber angemerkt, daß der R3 flächentauglicher ist als der MicroKorg er hat acht Stimmen.
Was der R3 außerdem hat: USB-Anbindung an den Rechner. Was er nicht hat: Batteriefach.
Korg MicroKorg XL
Ein Minisynth im E-Piano-Gewand. Korgs schon zweiter Versuch, den MicroKorg zu beerben, nachdem der R3 es nicht geschafft hatte. Und Korgs einziger Minisynth, wo sie die Farbe-und-bunt-Strategie angewandt haben, falls jemand Farbvarianten als Killerfeature sieht (es gibt ihn auch in rot und beige). Man hat im Prinzip den R3 genommen und wieder einen MicroKorg draus gemacht. Das heißt, es gibt wieder Minitasten (jetzt allerdings als einzelne Tasten und zumindest in Standardbreite), ein Batteriefach und in acht zumeist nach Genres benannten Bänken aufgeteilte Speicherplätze (auch wenn jetzt mehr Genres dazugekommen sind, also nicht nur typisches DJ-Material). Noch dazu haben die 128 Soundspeicher gar keine Nummern mehr, anstelle der 8er-Teilung ist ein Name für den Klangcharakter geraten. Als wenn man sich daran halten würde.
Schrauben am MicroKorg XL ist allerdings noch schlimmer als am R3. Es gibt ein paar Grundfunktionen, die über eine Mini-Matrix (6 Zeilen à 3 Knobs) einstellbar sind, für den Rest braucht man wieder Menüs. Hier kommt erschwerend hinzu, daß der MicroKorg XL ein Spezialdisplay hat, das zwar "gut aussieht", aber nicht grafikfähig ist, und im Gegensatz zum R3 ist die Menüstruktur auch nirgendwo auf dem Gerät zu finden. Wohlgemerkt, der MicroKorg XL hat immer noch die Möglichkeiten des R3 unter der Haube.
Alesis Micron, Akai Miniak
Der Micron kam 2004 als erster MicroKorg-Konkurrent. Während allerdings Korg den ohnehin schon etwas limitierten MS2000B geringfügig modifiziert in ein kleineres Gehäuse gepackt hat, hat Alesis dasselbe mit dem doch relativ mächtigen achtstimmigen, damals noch vierfach polyphonen Ion gemacht und ihm sogar noch Zusatzgimmicks mit auf den Weg gegeben. Allerdings hat man es mit der Miniaturisierung so weit getrieben, daß die Oberfläche des Micron fast ausschließlich aus der Tastatur bestand. Der Miniak ist alter Wein in neuen Schläuchen: 2009 hat Akai den mittlerweile achtfach multitimbralen Micron in ein größeres, ergonomischeres und mutmaßlich widerstandsfähiges Gehäuse gepackt.
Beiden Synths ist aber gemeinsam, daß sie die Schrauberei-Unfreundlichkeit jedes verkleinerten Radias noch toppen. Nirgendwo auf dem Synth ist zu sehen, was er kann und womit er ausgestattet ist (das wird nur durch die Bedienungsanleitung ersichtlich, die knapp gehalten und zumindest beim Miniak komplett auf Englisch, aber gottlob auf Papier gedruckt ist), geschweige denn, daß diese Funktionen eigene Regler oder ähnliches hätten. Es gibt genau ein Bedienelement, mit dem Micron und Miniak editiert und programmiert werden, und das ist die mit "Data" beschriftete Endlosregler-Taster-Kombination. Mit der wühlt man sich durch eine endlose Reihe von Menüs, die zumeist nur eine Funktion haben. Mehr paßt nicht aufs zweizeilige Display. Experimentierfreudiges "Mal gucken, was passiert, wenn ich hier dreh"-Schrauben geht bei Micron und Miniak nicht, es sei denn, man begibt sich gezielt zu der Menüseite. Okay, es gibt Shortcuts für bestimmte Menüpunkte, die per Doppelbelegung des Program-Tasters unter Verwendung der Tastatur aufgerufen werden, aber auch das steht nicht auf dem Synth selbst, daß das geht. Und gleichzeitiges Schrauben an mehr als einem Parameter geht erst recht nicht.
Das wäre alles vielleicht nur halb so schlimm, wenn wir es nicht mit einem ziemlichen Monster von Synthesizer zu tun hätten. Wie gesagt, die beiden kleinen Kisten können mehr als der Urvater Ion. Drei baugleiche Oszillatoren mit einer Vielzahl an Parametern und diversen Verschaltungsmöglichkeiten, zwei baugleiche Filter mit jeweils 20 Filtertypen, je einen Mixer vor und hinter der Filtersektion, üppige Effekte usw. Micron und Miniak sind eindeutig Synths, bei denen man schon wissen sollte, was man haben will, und auch, wie man es kriegt. Reinschnuppern in die subtraktive Synthese wird hier bis an die Unmöglichkeit heran erschwert.
Zugegeben, wenn man mal angefangen hat zu schrauben, gibt's Hunderte freier Speicherplätze für eigene Klangkreationen, die dann auch noch frei je einer Kategorie zugewiesen und mit einem aussagekräftigen Namen versehen werden können. Und klanglich sind beide mächtiger als der MicroKorg, wenngleich man ebenso den etwas schmutzigeren Charakter des Körgchen dem bisweilen leicht digital-unterkühlten der Numark-Zwillinge vorziehen könnte.
Roland GAIA SH-01
Mal ganz was anderes. Roland hat mal wieder das Kürzel SH ausgemottet und einen neuen Einsteiger-VA vom Stapel gelassen. Der optische Eindruck: Der SH-101 ist im 21. Jahrhundert angekommen. Und wie schon der Vorgänger SH-201 zielt auch der SH-01 auf den Einsteiger ab.
Was nur Roland bei Kompaktsynths zu machen scheint: Es gibt für so ziemlich alles ein Bedienelement. Jetzt hat Roland aber zur Abwechslung mal nicht bei Moog abgeguckt, sondern bei sich selbst, und statt Drehknöpfen Fader eingebaut. Wie gehabt folgt die Anordnung der Sektionen dem Signalfluß, also Oszillator → Filter → Verstärker.
Kommen wir zur Einsteigerfreundlichkeit. An sich haben wir es mit einem recht einfachen Synth zu tun. Gut, er hat drei separate Klangerzeugungsstränge, aber jeder davon hat beispielsweise nur einen Oszillator. Eine Patchmatrix fehlt auch, Oszillator, Filter und Verstärker haben jeweils eine eigene Hüllkurve (die für den Oszillator hat sogar nur zwei Phasen), die allerdings auf dem Synth selbst sehr aussagekräftig illustriert sind, und der einzige LFO kann in der Modulationsintensität für Tonhöhe, Cutoff und Lautstärke separat geregelt werden. Und rolandtypisch hat das Filter ein paar mehr Modi und eine separat schaltbare Flankensteilheit.
Zugegeben, das ist insofern gut, als der Anfänger hier nicht mit Funktionen erschlagen wird. So haben wohl um 1980 viele angefangen (mit nur einem Strang allerdings). Der Hund liegt aber woanders begraben. Die meisten Synthesizer sind irgendwie auf den Minimoog zurückzuführen. Der GAIA aber nicht, höchstens durch das Vorhandensein eines Pitch Benders und eines Modulation-Controllers links von der Tastatur, die bei Moog, Yamaha usw. usf. aber auch wieder anders aussehen. Der Minimalismus hat ihn auf einen Oszillator pro Strang reduziert, so daß sich Neulinge nicht nur beim Umstieg auf irgendeinen anderen Synth umstellen müssen (fast alle anderen haben mehrere Oszillatoren, die vorm Filter gemischt werden), sondern zunächst mal schön schwebende oder anderweitig in sich verstimmte Klänge mit mehreren Oszillatoren nicht möglich sind. Das heißt, sie sind schon möglich, aber nicht mit einem Strang. Man aktiviert einfach mehrere Stränge, und so hat man bis zu drei Oszillatoren. Aber die laufen alle durch jeweils ihr eigenes Filter, was auch wieder eine Unart ist, an die sich Newbies besser gar nicht erst gewöhnen sollten, sondern was die Sache noch weiter verkompliziert. Wenn man die Filter in mehreren Strängen gleichzeitig bearbeitet, haben sie dieselbe Einstellung und wirken wie ein Filter, vor dem die Oszillatoren gemischt werden, aber es ist nicht dasselbe. Das Spielchen geht dann mit den drei separaten Amps weiter. Alles Sachen, die eben nur der GAIA hat, und die man sich beim Umstieg auf andere Synths wieder abgewöhnen muß. Das Ding steht irgendwie zwischen den Konzepten, es ist weder ganz die klassische Ami-Synthesizer-Architektur noch etwas Abgefahrenes wie die analogen Yamahas der 70er, wo jeder Oszillator mehrere Waveforms gleichzeitig ausgibt und zwei eigene Filter hat.
Obendrein hat Roland auf jegliches Display verzichtet. Man weiß nie genau, was für einen Wert man gerade irgendwo eingestellt hat, und muß nach Gehör soundbasteln oder per Software über USB. Wenn man nicht genau auf die Skalen guckt, merkt man womöglich nicht mal, wann ein Wert unipolar ist und wann bipolar. An beschreibbaren Speicherplätzen gibt's auch nur 64 (8 Patches in 8 Bänken).
Die Polyphonie wird wohl niemand je voll ausreizen an diesem Synth, jedenfalls nicht mit dem VA-Teil (gibt auch noch eine GM-Soundbank): 64 Stimmen. Und wirklich multitimbral ist er nicht.
Auch wenn der GAIA weitaus besser klingt als der SH-201, war letzterer doch zum Schraubenlernen besser geeignet.
Zu guter Letzt: Auch der GAIA läuft wahlweise mit Batterien. Was Roland allerdings verpennt hat, ist, für den GAIA wie früher für den SH-101 einen Umrüstsatz zur Keytar anzubieten, obwohl sie kurz zuvor mit dem AX-Synth und zeitgleich mit dem Lucina die Keytar wiederbelebt haben. Aber das gehört hier nicht her.
Clavia Nord Lead 2X
Wer den Roten kauft, hat nicht nur Platz genug für ein 4-Oktaven-Keyboard mit Controllern links von der Klaviatur, sondern meint es ernst mit der Synthesizerei, sonst würde er nicht über 1000 in diesen Synth investieren. Dafür gibt's aber auch einen No-Nonsense-VA, der zwar kein Featuremonster ist (im Gegensatz etwa zu seinem seligen Nachfolger), aber einen sehr amtlichen Sound hat und vor allem das Nord-Lead-Credo: Eine Funktion, ein Bedienelement, null Diskussion.
Wenn es da draußen einen schrauberfreundlichen Synth mit sinnvollem Funktionsumfang, vielen Knöpfen, wenig Doppelbelegung und nur dem Nötigsten an Menüs gibt, ist es ein Nord Lead. Die Featureauswahl ist old school und erzieht auch zu einer entsprechenden Denke. Es gibt nur zwei Oszillatoren pro Stimme, die mitnichten baugleich sind. Sinus kann nur einer von beiden, Noise kann nur der andere, gemeinsam haben sie die drei Grundwellenformen Sägezahn, Dreieck und Rechteck/Puls. Filter hat's auch nur eins mit vier Modi, allerdings ungewöhnlicher Auswahl und natürlich nicht separat schaltbarer Flankensteilheit (12 dB/Oktave Tiefpaß, 24 dB/Oktave Multimode), sowie natürlich eigener ADSR-Hüllkurve. Einziges Gimmick ist die integrierte Zerre. Auch die Verstärkersektion bietet nur das Nötigste. Man merkt, daß Clavia damals beim ersten Nord Lead nach dem Minimoog geschielt hat. Aber mal ernsthaft, braucht ein Synthesizereinsteiger drei oder mehr Oszillatoren? Oder zwei Filter, die er sich erst zurechtschalten muß, wo die Handhabung von einem fest in den Signalweg gerouteten Filter einfacher wäre und in der Mehrzahl der Fälle ein Filter reicht? Gut, wenn man mehr braucht, und sei es zwei Oszillatoren und ein separater Rauschgenerator oder eben ein zweites Filter, hat man ein Problem, aber so weit muß man erst kommen.
Effekte gibt's hier übrigens überhaupt keine, wo andere VAs mehr gleichzeitige Effekte erzeugen als jede Workstation, der Soundschrauber soll aber auch gar nicht erst zu solch faulen Tricks wie Aufdicken per Chorus verführt werden. Dafür gibt's 16 Stimmen und vierfachen Multimode. Eher ein Wermutstropfen ist, daß die 990 Programs und 400 Performances, davon 297 bzw. 100 speicherbar, alle nur Bank- und Programmnummern haben, weil das dreistellige 7-Segment-Display keinen Namen zuläßt.
Und dann ist da noch der Preis, zumal Clavia-Synths traditionell praktisch keinerlei Wertverlust zu haben scheinen... Wobei es für einige 100er weniger auch die Pult-/Rackversion gibt, aber dann darf man sich als Newbie auch noch eine Tastatur kaufen und mit MIDI rumschlagen.
Zu Gebrauchtgeräten, von denen es natürlich noch viel mehr in annehmbaren Preisbereichen gibt, werde ich später kommen. Wer will, kann natürlich jetzt schon was dazu sagen.
Den Blofeld hab ich außen vor gelassen, weil er zwar preisgünstig ist, aber wieder recht kompliziert zu handhaben, zumal er eigentlich ein Wavetable-Synth ist, der nebenher auch VA und dann auch noch Samples kann. Und die Viren und den Nord Wave hab ich nicht erwähnt, weil sie noch teurer sind als der Nord Lead, insbesondere mit Tasten.
Martman
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