Wieso ist analog "warm" und digital "kalt"?

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Hi,

seit längerer Zeit frage ich mich schon, wieso digitale Sounds aus dem D-Piano, Synth oder Keyboard eigentlich so kalt, mager und hart klingen, wenn man sie mit den analogen Sounds aus den elektromechanischen Instrumenten oder vollanalogen Synths vergleicht, welche warm, weich und reich klingen.

Woran genau liegt das?
Ein wichtiger Faktor ist wohl Röhrenverstärkung bzw. -verzerrung. Ich habe schon oft gelesen, dass durch Tube Preamps und ähnliches digitaler Sound angereichert werden kann und dass das in der Praxis auch oft gemacht wird.
Es wird ja nicht jedes analoge Gerät auch mit einem Röhrenamp betrieben. Trotzdem klingen sie im Endeffekt wärmer.

Worauf sind diese schwer zu quantisierenden Klangeigenschaften (warm/kalt, weich/hart, mager/reich) überhaupt zurückzuführen? Zum Teil liegt das an mehr Obertönen bei analoger Technik, aber da muss es noch mehr geben.

Wieso wird der analog-warmer Klang beim Samplen nicht komplett eingefangen? Digitale Geräte, die einfach nur analoge Geräte emulieren und samplen verlieren die Wärme dann trotzdem... das verstehe ich nicht.
Ich bin mir natürlich darüber im klaren, dass bei teuren digitalen Geräten die Wärme durchaus annähernd erreicht werden kann.

Gibt es da auch einen psychologischen Faktor? Ich kann mir denken, dass einige alte Hasen aus dem Zeitalter der elektromechanischen Geräte skeptisch gegenüber der Digitaltechnik sind und diese deswegen standartmässig als kalt bezeichnen. Kann es sein, dass man automatisch einen analogen Sound, der einem digitalen Sound exaxt gleichen würde, als wärmer empfindet, nur weil man weiß, dass er analog erzeugt wird?

Wenn es dazu schon einen Thread gab, oder andere Treads, in denen das wenigstens zum Teil diskutiert (!) wurde, wäre es nett, den hier zu verlinken... die Suchfunktion spuckt bei der Suche nach "analog" und "digital" sowie "warm" und "kalt" viel zu viel raus, und das meiste sind dann auch nur Einzelposts, die besagen, dass digitale Technik schlecht und böse ist.

Nochmal zusammengefasst:
Woran liegt der Klangunterschied und die unterschiedlichen Empfindungen?
Worauf genau kann man die Klangunterschiede zurückführen?
Wieso wird beim stupiden samplen die Wärme der analogen Technik trotzdem nicht eingefangen?
Gibt es da einen psychologischen Faktor?

Danke ;).
 
Eigenschaft
 
Das liegt größtenteils daran, dass das digitale immer 100%ig gleich klingt, beim analogen variert es immer ein wenig.(ist so nicht wahrnehmbar, gibt dem ganzen auf dauer immer etwas mehr "Leben") Des weiteren sind die Simulationen(z.B. einer Röhre, eines Analog-Synth, eines Klaviers,...) immer Näherungen. Zum 100%igen Abbild fehlt einfach die Rechenleistung bzw. es ist digital einfach nicht möglich(z.B. ein Sinus)
Das sind alles Dinge, die nimmt man bewusst nicht wahr, aber sie spielen trotzdem eine Rolle.

Das psychologische ist das eigentliche Problem an der ganzen Geschichte. Sobald jemand weiss, dass es nicht "echt" ist, klingt es plötzlich nach Plastik. hinzu kommt der Charme beim benutzen der alten Analoggeräte. Ist vom Prinzip ähnlich wie ein Oldtimer. Den liebt man auch, weil er eine Geschichte hat, und halt auch seine kleinen Macken. Der quietscht hier und da, bestimmte Teile gehen des öfteren Kaputt. Man könnte einfach das Auto nachbauen und gewisse Fehler ausmerzen, aber dann fehlt halt was.
 
Das, was die analogen eben auch einzigartig macht, sind die Fehler. Ja, diese ganzen alten Synthesizer produzieren (damals wohl noch eher unabsichtlich) Störgeräusche (natürlich nicht gleich ganze Rückkopplungen).:)
Genau dieser Schmutz reichert den Ton an. Digital wird alles nur von einem Chip berechnet, der, wenn er gut ist, vielleicht noch eventuelle Störgeräusche simulieren kann. Aber eben nur simulieren... Das ist genauso wie bei Gitarren... es gibt zwar Modelling-Amps, die dir hunderte von Verstärkern berechnen, aber den richtigen Sound von Röhren kann selbst der beste Prozessor nicht simulieren, da jede Röhre einzigartig ist.
Genauso ist es bei den Synthies... Da kann es halt dann doch mal sein, dass ein Bauteil im Innern kratzt; diese Abnutzun kann man einfach nicht digital nachbauen.
 
Ich denke diese "warm" "kalt" gehört langsam der Vergangenheit an...
Das VK-8M würde ich jetzt z.B. nicht als "kalt" im Sound ansehen...spiele ich dauernd...
Ich denke die digitale Technik ist einfach viel besser geworden!!!
 
Danke für die Antworten.
Bei teurer Digitaltechnik ist der "kalte" Klang in der Tat selten ein Argument. Aber bei billigen Instrumenten hört man das schon noch extrem.

Ich wollte jetzt aber weniger auf die Störgeräusche aus, die ein alter Synthie zum Beispiel produziert. Die tragen für mich nicht so sehr zum warmen Klang bei.
 
Es waren auch nicht Störgeräusche in dem Sinn gemeint, sondern einfach Fehler, die den Klang eben nicht so perfekt wie die Digitaltechnik machen...
 
Bei einem richtigen Musikinstrument haben akustische Rueckkopplungen eine grosse Auswirkung auf den resultierenden Klang.
So beeinflusst, z.B. bei einem Klavier, die vom Raum reflektierte Schallenergie das Klangabstrahlverhalten des Resonanzbodens
in Abhaengikeit von Frequenzgemisch, Intensitaet und Laufzeit der Reflexionen zum Teil erheblich.

Aehnliches - wenn auch weniger stark ausgepraegt - , entsteht bei den hier oft diskutierten elektromechanischen Instrumenten
wie z.B. der Hammondorgel. Die Schallwellen "ruetteln" sozusagen an den Bauteilen und bewirken dadurch subtile Aenderungen
im Klang, die man als Spieler vielleicht nur unbewusst spuert, die aber letztendlich die "balls" ausmachen.
Natuerlich klingen viel moderne digitale Instrumente sehr authentisch, und ich wage sogar zu behaupten, dass selbst der einge-
fleischteste B-3 Purist auf einer Aufnahme nicht unterscheiden kann, ob es ein "old" oder "new" B-3 ist.
Wenn er aber dran sitzt und anfaengt zu spielen, "spuert" er es innerhalb einer Sekunde.

Und solange digitale Instrumente kein eingebautes Mikrofon haben, mit dem die "akustische Umgebung" wahrgenommen und entsprechend
bei der Klangerzeugung beruecksichtigt wird, wird dies auch so bleiben.
Noch mehr Gigabytes und vielleicht 128 Dynamikstufensamples werden das Problem jedenfalls nicht heben. "Waerme" entsteht dabei
hoechstens in den Herzen der Aktionaere von INTEL, TOSHIBA und Konsorten.

Frohe Weihnachten
 
und ich wage sogar zu behaupten, dass selbst der einge-
fleischteste B-3 Purist auf einer Aufnahme nicht unterscheiden kann, ob es ein "old" oder "new" B-3 ist.
Wenn er aber dran sitzt und anfaengt zu spielen, "spuert" er es innerhalb einer Sekunde.

Spüren stimmt...ich halte beim Starten immer meine Handfläche ans Gehäuse meiner M-100....so merkt man am besten ob der Motor Gleichlauf hat!!!
 
hoechstens in den Herzen der Aktionaere von INTEL, TOSHIBA und Konsorten.

...Die ganz am Rande erwähnt überhaupt nicht mit Muiskinstrumenten am Hut haben :D

Stimme dir dennoch im großen und ganzen zu, das Original klingt eben einfach immer noch am besten (sowohl Klavier als auch die Hammond, oder meinetwegen nen Fender Rhodes), und das nicht nur wegen dem Klang sondern auch wegen dem Feeling während man das Instrument spielt.

Ebenfalls frohe Weihnachten! ;)

mfg,
~br0cksel
 
Nun,
"kalt" und "warm" sind keine Kategorien, die gut zur Musik passen. Die passen eher zum Wetter...
 
Böhmorgler;1975290 schrieb:
Nun,
"kalt" und "warm" sind keine Kategorien, die gut zur Musik passen. Die passen eher zum Wetter...

Oder zum Essen!!!
 
Möglicherweise liegt das verschiedene Empfinden des Klangs daran, daß einige analoge Schaltungen eine gewisse Höhendämpfung mit sich bringen.
 
Ich könnte mir gut vorstellen, dass es sich bei dem Problem warm-kalt bei Musikinstrumenten weniger um akkustische Unterschiede handelt, als viel mehr um die verschiedenen "Gefühle" beim spielen. Wenn man z.B. auf einer echten Hammond spielt, ist das etwas Besondereres als auf einem Clone, wie gut er auch immer sein mag. Es wird einem "warm" ums Herz und die Nachbauten lassen einen "kalt"
Insofern wäre die Bezeichnung doch irgendwie gerechtfertigt ;)
Gruß,

Roman
 
Kann es nicht auch damit zusammenhängen, daß ein analoger Schwingkreis eine periodisch an- und abschwellende (Sinus)schwingung erzeugt, die aufgrund ihrer darin enthaltenen Lautstärkeschwankungen vom menschlichen Ohr als angenehm empfunden wird, während ein digitaler Oszillator an seinem Ausgang ein Rechteck generiert, welches den Hub von 'aus' (leise) nach 'an' (laut) quasi in Echtzeit erledigt, eben 'digital', von 0 auf 100?
Den akustischen Unterschied kann man sich gut an einem Frequenzgenerator klar machen, an dem man z.B. eine 500Hz-Schwingung einstellt und dann zwischen Sinus, Rechteck und Sägezahn umschaltet.
Sicher versuchen heutige Digitalschaltungen auch Sinusschwingungen nachzubilden, was auf etlichen Wegen auch möglich ist, aber selbst eine noch so hoch abgetastete Fourier-Transformation erzeugt auch wieder Rechtecke, wenn auch ganz viele kleine hintereinander (die dann von weitem wie eine Sinusschwingung aussehen :rolleyes: ).
Als der erste Tüftler die Wellenform einer Gitarre zum Rechteck verwandeln konnte, hatte er den Verzerrer (Fuzz) erfunden, die 'Abkühlung' von 'warm' nach 'kalt'.
 
Böhmorgler;1975290 schrieb:
Nun,
"kalt" und "warm" sind keine Kategorien, die gut zur Musik passen. Die passen eher zum Wetter...

Ich denke, zum Wetter passen noch eher die Begriffe "wet" and "dry".
Die stören mich jedenfalls mehr als "warm" und "kalt". :)

Aber vielleicht gibt es da ja noch mehr Parallelen.

Was den unterschiedlichen Klang-Charakter angeht - könnte es vielleicht sein, dass man bei analogen Synthesizern der Nachbildung der festen (klanggebenden Instrument-spezifischen) Formanten (man denke besonders an die Stimmen von Streichinstrumenten) und der gleitenden Formanten, die das Amplitudenverhältnis der Oberwellen abhängig von der Höhe des jeweiligen Grundtones ausmachen, mehr Beachtung geschenkt hat.
Mit analogen Mitteln dieses korrekte Amplitudenverhältnis für jede mögliche Grundfrequenz zu syntetisieren, war das recht aufwendig (VCF - spannungsgesteuerte Filter), erst recht bei Mehrstimmigkeit.
Bei digitaler Synthese lag wohl anfangs der Focus eher auf deutlicher Reduzierung und Verlagerung des Aufwandes von der Hard- zur Software (Mehrstimmigkeit relativ einfach machbar) und weniger auf der Erhöhung der Authentizität.
Heute ist man da weiter (Samples, DSP's usw., sinnvolle Symbiose von Analog- und Digitaltechnik)
 
Hi
Das Argument mit der Rechteckfunktion hinkt ein bischen. Die Abtastung erzeugt eine periodische Fortsetzung des Spektrums. Am Ende der Signalkette schneidet ein Filter das Spektrum ab. Das Signal wird dadurch geglaettet. Koennte aber auch bischen zum Faktor "kalt" beitragen. Die Qualitaet der Wandler hoert man schliesslich auch.
Dennoch wird man in kaum einer Elektronikwerkstatt noch einen analogen Sinusgenerator finden.
Ansonsten gibt es sicherlich auch einen Faktor, der nicht messbar, berechenbar ist. Das Gehoer ist ein Praezissionsinstrument, dessen Dynamikumfang z.b. von keinem technischen Wandler erreicht wird.
In den 80 ern legte ich mir den ersten Sampler zu. Akai S612. Stolze
2000 EUR fuer eine Sekunde ! Sampling. 64kB Ram ! Zei Z80 CPU's
Die Sekunde klang aber sehr gut.
Und das erste was ich Sampelte war ein Matrix 12. Und ...
so wie es hier schon beschrieben wurde. All das was den Matrix 12 Sound
ausmacht war auf dem Sample spurlos verschwunden. Ganz schoen enttaeuschend.
Es ist letztendlich wohl eine Frage des Informationsgehaltes. Bei einem analogen Signal ist der unendlich gross und bei einem diskretisierten stets beschraenkt. Also auch die hier beschriebenen kleinsten Abweichungen und Fehler. Man muss nur mal ein Sample mit weissem Rauschen anhoeren.Fast unglaublich, aber man hoert den Unterschied zu echtem Rauschen, Zufall. Spaetestens dann, wenn man das Sample nach unten trasponiert.
Wobei die virtuellen Teile und Rompler mit geeigneten Digitalfiltern und genuegend Speicher einem alten Analogen kaum mehr nachstehen.
Frohe Weihnachten
richy
 
ich habe spasseshalber einen nord modular und einen ms-10
an den computer angeschlossen.das neue goldwave hat (m e)
ein ganz gutes oszilloskop und ich fand auch nach der wandlung im computer
(16/41) sah der rechteck des ms 10 echter aus als der des nord.
wobei er wiedervöllig anders aussieht wenn man direkt reingeht
als z.b. durch bodentreter(ibanez digital delay und boss stereo chorus)
gespielt.diese zerpflücken die welle ziemlich und machen sie "häßlich",
wobei ich keinen wirklichen soundunterschied hören konnte
(war aber schon spät und nach ner probe...)
ich mach das nochmal nüchterner vielleicht sind die unterschiede doch größer als
von mir (nicht)bemerkt.

wobei ich auch sagen muß dr nord ist wesentlich kälter als der korg...
 
Das mit dem Rechteck erstaunt mich jetzt irgendwie, das sollte eigentliche die Domäne der Digitaltechnik sein...
 
Mit der erwähnten Filterung ist ein ganz "perfektes" Rechteck eben nicht mehr möglich.
Und dass diverse Effekte die Wellenform verändern dürfte ja von vorn herein klar gewesen sein.
Mich stört allerdings auch der Messaufbau ein wenig. Bei Digital-Analog-Digital gibts immer störende Interferrenzen. Wenn schon, dann besser mit 96kHz und 24bit ;)
 
Hi
Man muesste ein analoges osszi verwenden. Aber selbst dann wuerde man wohl wenig sehen.
>
Das mit dem Rechteck erstaunt mich jetzt irgendwie, das sollte eigentliche die Domäne der Digitaltechnik sein...
>
Ein perfektes Rechteck hoert sich nicht sonderlich gut an.
(BTW: Lucky man ist wohl das bekannteste Moog Rechteck)
Die Vintage Teile haben alle Rechteckvarianten erzeugt.
Auch ohne Filterung mit nichtidealen Flanken. Da ganze mit einem Frequenzgang (ueber die Tastatur). Dazu das TP Filter mit alles anderem als einem idealen Rechteckfrequenzgang.
Idealer Rechteck benoetigt man eher in der Hardware der Digitaltechnik. Und dort ist es analog. Man muss sich dies oefters mal vor Augen fuehren. Physikalische Signale sind immer analog !
Der Ton eines Digitalsynthesizer ist bis zum D/A abstakter Natur. Ein Programm. Nichts weiter als binaer codierte Zahlen und Algorithmen.
Auch die Samples im Rom/Ram. Das sind lediglich Zahlen. Erst der DA Wandler formt daraus schliesslichein ein physikalisches Signal.
Egal ob Sampler oder virtuell analog. Erst nach dem DA Wandler wird aus dem Rechteck in abstrahierter Form (Zahlen) ein physikalisches Signal.
ISDN / DSL Anschluss. Wird da die Leitung das Signal ploetzlich digital ?
Nein, es ist immer analog.
MODEM. Modulator - Demodulator. Auch nichts weiter als komplexer DA AD Wandler.
ciao
 

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