Unterscheidung Haltebogen<->Bindebogen

Be-3
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Neben Haltebögen gibt es ja auch Bindebögen. Die sind optisch nicht zu unterscheiden.

Hallo Lisa,

in gutem Notensatz sind Halte- und Bindebögen durchaus zu unterscheiden. Wenn auch nicht im Eifer des Gefechts, das muß ich zugeben... ;)
Haltebögen stehen viel enger an den Notenköpfen als Bindebögen. Insbesondere beginnen und enden Haltebögen immer an den Notenköpfen, wogegen Bindebögen auch an den Hälsen stehen können.


Dass andere Handhabungen in der Praxis anzutreffen sind, macht eine mE falsche Notation nicht dadurch richtiger, dass sie auch gedruckt wird. Und wenn derartige Fehler in eine Software übernommen werden, werden sie dadurch auch nicht richtig. Es zeigt mE nur, dass manche Fehler einfach nicht auszurotten sind.

[...]

Die Regel heißt nun mal: Versetzungszeichen gelten vom ersten Erscheinen an bis zum nachfolgenden Taktstrich und Vorzeichen gelten das gesamte Stück.

schon, aber das sagt doch nichts über Bindebögen aus. Wenn man ganz schlicht von einer Note ausgeht, die über den Takt hinaus gehalten wird, dann behält sie ihr Versetzungszeichen, genau wie ein weiterklingender Klavier- oder Orgelton seine Tonhöhe beibehält. :)


Schlimm finde ich, wenn verbreitete Notenschreibprogramme durch fehlerhafte Programmierung dem Unwissenden noch sugerieren, es sei richtig und dadurch die Fehler weiter manifestieren. :(

guter Notensatz richtet sich nach den gängigen Konventionen, die sich allerdings im Laufe der Zeit und vor allem von Genre zu Genre ändern können.

Und ich muß für die Software "Finale" eine Lanze brechen: sie macht es in zonqers Beispiel genau so, wie es sich gehört! Das entspricht der (guten und etablierten) gängigen Praxis.

Ein Versetzungszeichen/Auflösungszeichen zu Beginn eines neuen Taktes suggeriert einerseits, daß der Ton neu angesetzt werden soll und außerdem klingt die Note ja einfach über das Taktende hinaus, da ist es doch naheliegend, daß kein erneutes Versetzungszeichen benötigt wird.
Nachfolgende Noten brauchen dann wieder ein "frisches" Versetzungszeichen. Falls nicht, setzt man sicherheitshalber ein Auflösungszeichen.

Ausnahmen: Bei Zeilenumbruch ist es üblich (aber auch nicht zwingend), trotz Überbindung das Versetzungszeichen am Zeilenanfang zu wiederholen.

Außerdem gibt es Unterschiede zwischen Einzelstimmen und Partituren, weil in beiden Anwendungsfällen unterschiedliche Kriterien betrachtet werden:
Der Instrumentalist wird seine Stimme verfolgen, der Dirigent in der Partitur auch vertikal lesen, weshalb man dort üblicherweise Versetzungszeichen nach Überbindung wiederholt.
Ein und derselbe Notenstecher wird also ein und dieselbe Stimme in Stimmauszug und Partitur unterschiedlich notieren - und das nicht aus Unwissenheit oder Unachtsamkeit. :)

Meines Erachtens gibt es jedenfalls nicht "genau eine feste, umumstößliche Regel" und die Notenstecher haben (früher zumindest ;)) ihren Beruf gelernt und wußten, was sie taten. Es kommt halt immer auch ein wenig "darauf an".

Man unterscheidet beim Thema "Gültigkeit von Versetzungszeichen" schließlich auch zwischen Klaviermusik, polyphoner Musik, Zwölftonmusik usw...

Viele Grüße
Torsten
 
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in gutem Notensatz sind Halte- und Bindebögen durchaus zu unterscheiden. Wenn auch nicht im Eifer des Gefechts, das muß ich zugeben... ;)
Haltebögen stehen viel enger an den Notenköpfen als Bindebögen. Insbesondere beginnen und enden Haltebögen immer an den Notenköpfen, wogegen Bindebögen auch an den Hälsen stehen können.

Für diese spitzfindige Sichtweise finde ich in der Fachliteratur keinen Beleg.
Wäre nett, wenn Du einen anführst. Am besten mit Notenbeispielen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Haltebogen von Notenkopf zu Notenkopf geführt wird.
In Wikipedia findet man kurz zusammengefasst, was sinngemäß auch in Musiklexika zu finden ist: > Haltebogen <
Das Notenbeispiel für den Bindebogen scheint Dir auf den ersten Blick recht zu geben. Doch gibt es auch viele Notenbeispiele für Bindebögen zwischen zwei Noten, die ebenfalls von Notenkopf zu Notenkopf geführt werden. Wie dicht diese am Notenkopf beginnen oder enden, ist dabei meiner Erfahrung nach völlig egal. Das ist kein Unterscheidungsmerkmal. Der springende Punkt ist, ob zwei gleiche oder zwei unterschiedliche Noten gebunden werden.
Verbindet der Bindebogen zwei unterschiedliche Noten, so wird der Bogen immer als Artikulationszeichen gelesen. Wie so eine geforderte Bindung umgesetzt wird bzw. umgesetzt werden kann, unterscheidet sich von Instrument zu Instrument. Auf den verschiedenartigen Blasinstrumenten ergeben sich aufgrund der spezivischen Spieltechniken völlig andere Möglichkeiten, als auf einem Zupf- oder Tasteninstrument.
Der Haltebogen hilft, lange Notenwerte darzustellen, die nicht in das Taktgefüge passen. Des weiteren kann er helfen, das Teiltaktgefüge darzustellen, wenn z.B. zwei punktierte Halbe mit Haltebogen geschrieben werden statt einer Ganzen mit Punkt. Mathematisch ist beides dasselbe. Es liest sich aber anders. So gesehen könnte man einen Bindebogen auch als rhythmisches Zeichen werten, das ähnlich wie der Punkt hinter einer Note keine eigenständige Bedeutung hat, sondern immer nur im Zusammenhang mit anderen Noten interpretiert werden kann. Während der Punkt einzig aufgrund der vorausgehenden Note gedeutet werden kann, ist der Bogen nur aufgrund seiner Position zwischen zwei Noten sowie den Notenpositionen selbst als Haltebogen identifizierbar. Und das genau ist die Crux. Man könnte auch sagen, hier beginnt in komplexen harmonischen Gefügen anscheinend die Schwierigkeit, den Willen des Komponisten eindeutig zu identifizieren. Zumindest läßt das die obige Diskussion vermuten. Ich halte mich nach Möglichkeit an oben beschriebenen "Deutungsregeln". Berücksichtige aber auch gleichzeitig, dass manche sich nicht an diese Regeln halten.

Gruß
Lisa
 
Für diese spitzfindige Sichtweise finde ich in der Fachliteratur keinen Beleg.

Entschuldigung ... aber die Fachliteratur ist ja wohl das Notenmaterial was jeder jeden Tag vor der Nase hat. Dieses Notenmaterial wird nicht von unwissenden hingeklatscht, sondern von Profis gesetzt. Spitzfindig ist, wenn man irgendwelche gottgegebenen Regeln anführt die man in der Schule lernt, die aber in der musikalischen Praxis keiner weiß und keiner benutzt. Notation wird immer so gehandhabt, dass sie einfach und klar zu lesen ist. Ein Bigband-Chart ist logischerweise anders zu lesen als ein Bachchoral oder eine Note aus der alten Musik ... einfach weil verschiedenen Prioritäten gesetzt sind.

Eine überbundene Note behält in 90% der Fälle sein Vorzeichen. Wenn nicht wird sie aufgelöst. Jede weitere Note im zweiten Takt braucht ein neues Versetzungszeichen. Das ist die Antwort die für den TE von Bedeutung ist.

Gruß.
 
Zuletzt bearbeitet:
Für diese spitzfindige Sichtweise finde ich in der Fachliteratur keinen Beleg.

Lass uns "spitzfindig" (was einen offensiven Beigeschmack hat) durch "detailliert" ersetzen. Ich denke, wir sind soweit alle in der Materie drin und stehen trotzdem menschlich über der Sache, dass wir keine sprachlichen Offensiven brauchen.

Und zur Fachliteratur zitiere ich mal ganz neutral zu den Start- und Endpunkten von Halte- und Bindebögen:

1. Albert C.Vinci, "Die Notenschrift", Bärenreiter/Kassel 1988, Kapitel "6. Halte- und Bindebögen"

S. 74: "Da die Bogenenden [des Haltebogens] weder den Notenkopf noch andere mit ihm zusammenhängende Symbole berühren dürfen, sollten sie unmittelbar nach bzw. vor dem Halbierungspunkt des entsprechenden Quadranten eines Notenkopfes beginnen oder enden, wie in Beispiel [...] gezeigt."

S. 80: "Der Bindebogen (auch Legato-Bogen oder Artikulationsbogen) ist eine gebogene Linie, die an der Position des Staccato-Punktes beginnt und endet."

2. Herbert Chlapik, "Die Praxis des Notengraphikers", Doblinger/Wien 1991, S.56 "Der Bogen"

"Von Kopf zu Kopf führende Bögen sollten von der Mitte des Kopfes ausgehen bzw. wieder dort enden. Die Bogenspitzen dürfen die Noten nicht berühren, sondern müssen knapp über oder (z.B. zwischen Akkorden) bei diesen enden."

Harald
 
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@ Harald
Vielen Dank für die Literaturhinweise und die Zitate. Die sind sehr aufschlussreich und waren mir in dieser Form nicht bekannt.
Das liest sich ja nun ganz anders als BE-3: "stehen viel enger an den Notenköpfen als Bindebögen"
Vereinfacht ausgedrückt heißt das nun nach meinem Verständnis:
Anfang und Ende der Haltebögen sind immer zwischen den Noten, die der Bindebögen dagegen über oder unter den Noten.
Da kann man nur sagen: Unzählige Male gesehen und richtig interpretiert und doch die feinen Unterschiede nicht bewußt wahrgnommen.
Wieder was gelernt. :)

Das "spitzfindig" war im Sinne von "detailliert" und "sehr schwer unterscheidbar" gemeint. Auf die Idee, das es als Vorwurf oder Angriff mißverstanden werden könnte, bin ich nicht gekommen. :nix:

Gruß
Lisa
 
Das scheint mir wahrscheinlich, der Haltebogen bewirkt in deinem Fall ein "überbundenes" f#.
Makemusic Finale notiert "automatisch" ein zusätzliches Versetzungszeichen für das f#' in Takt 2 auf der Zählzeit 3. Das f' in Takt 4 musste ich von Hand auflösen.

6g75-gg-a7ae.png
6g75-gg-a7ae.png

Nach der von Harald zitierten Lehrmeinung zu urteilen sind das jetzt aber keine Haltebögen sondern Bindebogen, da die nicht zwischen sondern unter den Noten sitzen. :gruebel:
Demzufolge müßte c d e fis / f e fis g / c d e fis / f e f g / gespielt werden.
Wenn das so nicht gewollt ist, müssen entweder die Bögen oder die Versetzungszeichen anders positioniert werden.

Gruß
Lisa
 
...Demzufolge müßte c d e fis / f e fis g / c d e fis / f e f g / gespielt werden.
Das kann ich mir nicht vorstellen, denn die zwei taktüberbindenden Halte-Bögen sind eindeutig genug angebracht.
Die beiden taktüberbindenden Haltebögen entsprechen m.E. auch der Definition von Albert C.Vinci, weil "...sie unmittelbar nach bzw. vor dem Halbierungspunkt des entsprechenden Quadranten eines Notenkopfes beginnen oder enden".

Im Fall eines Bindebogens würde ein gewünschtes F sicherlich mit einem erinnernden Auflösungszeichen versehen, um Missverständnisse zu vermeiden.

In der folgenden Notation sieht man die unbearbeitete Wiedergabe von Phrasierungsbogen, Bindebogen und Haltebogen für den Jazz Font in Finale, mit dem weltweit unzählige Big Band- und Jazz-Arrangements veröffentlich wurden.

6g75-gl-c6e1.png


Gruß Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
Zitat Beitrag #7
6g75-gl-c6e1.png
Zitat Ende

Hmmm :gruebel: Ich würde die kurzen Bögen (e > e / a > a) normalerweise auch spontan als Haltebögen interpretieren.
Und es gibt eine Menge Fundstellen in denen die Beispiele für Haltebögen Deinem Notenbild entsprechen.
https://www.google.com/search?q=Hal...9AcKAtAayooGYAQ&ved=0CFIQsAQ&biw=1680&bih=805


Oben genanntes Zitat besagt aber etwas anderes:
1. Albert C.Vinci, "Die Notenschrift", Bärenreiter/Kassel 1988, Kapitel "6. Halte- und Bindebögen"
S. 80: "Der Bindebogen (auch Legato-Bogen oder Artikulationsbogen) ist eine gebogene Linie, die an der Position des Staccato-Punktes beginnt und endet."

Demnach handelt es sich bei diesen ganzen als Haltebögen deklarierten Bögen streng genommen um Binde-/ Legato- / Artikulationsbögen, weil sie ja unter bzw. über der Note beginnen und enden. Und das ist die Position des Staccato-Punktes.

Hier
http://vsr.informatik.tu-chemnitz.de/~jan/nted/gerdoc/ch01s06.html
sieht die Notation des Haltebogens so aus, wie es die Definition im anderen Zitat beschreibt. Die Haltebögen sitzen zwischen den Noten.

1. Albert C.Vinci, "Die Notenschrift", Bärenreiter/Kassel 1988, Kapitel "6. Halte- und Bindebögen"
S. 74: "Da die Bogenenden [des Haltebogens] weder den Notenkopf noch andere mit ihm zusammenhängende Symbole berühren dürfen, sollten sie unmittelbar nach bzw. vor dem Halbierungspunkt des entsprechenden Quadranten eines Notenkopfes beginnen oder enden, wie in Beispiel [...] gezeigt."


Es gibt also auch ein Notationsprogramm, das sich an diese "Schreibregel" hält. Das Notensatzprogramm Finale tut es offensichtlich nicht.

:gruebel: Gruß einer grübelnden Lisa
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Nun ist es halt auch so, dass Notensatz aus Konventionen besteht, die sich örtlich und zeitlich unterschiedlich entwickelt haben. Für die globalisierte Notensatzwelt wäre es natürlich schön, handfeste Regeln zu haben, aber so ist es leider nicht.

Schon die Zitate, die ich rausgesucht habe, machen die Sache ja gar nicht so eindeutig: Chlapik unterscheidet gar nicht zwischen Halte- und Bindebögen. Vinci bezieht sich auf einen nicht eindeutig definierten Quadranten (der aus der Grafik aber zumindest näherungsweise hervorgeht) und verwendet die schöne aber schwamminge Formulierung "unmittelbar nach bzw. vor dem Halbierungspunkt". Präzision und Eindeutigkeit sieht anders aus.

Aber Präzision und Eindeutigkeit sind höchstens die angestrebten Ideale im Resultat eines guten Notensatzes, aber nicht auch gleichzeitig die typischen Eingenschaften der zugrundeliegenden Regeln. Jedes Verlagshaus und jeder Notensetzer intepretiert einen gewissen "common sense" des Notensatzes.

Harald
 
...Das Notensatzprogramm Finale tut es offensichtlich nicht.

Wie schon erwähnt, man kann sämtliche denkbaren Parameter von Zeichen in Finale nach eigenem Ermessen einstellen und somit seine eigenen Vorstellungen/Ansprüche umsetzen.

Ein Hinweis zur Reputation: zumindest der unmittelbare Vorläufer des Maestro Font wurde in Zusammenarbeit mit Arnold Broido entwickelt. Der war zeitweilig Präsident der Music Publishers Association (MPA), der American Society of Composers, Authors and Publishers (ASCAP) und des Musikverlages Theodore Presser.
http://www.finalemusic.com/blog/a-brief-history-of-finale-fonts/

Finale ist seit langer Zeit nicht ganz zufällig eines der beiden Standardprogramme im professionellen Bereich - die jüngere und durchaus interessante Alternative wäre Sibelius. Ob da die Positionierung der Bögen anders aussieht, weiß ich aber nicht.

Ich habe das Thema bislang noch nie besonders beachtet, denn so lange eine Notation lesbar ist, ist sie für mich in Ordnung. Es geht schließlich nur um Konventionen, die ihrerseits Veränderungen unterworfen sind, nicht um Naturgesetze.
Hier bekäme ich schon eher Probleme :D: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e7/Beethoven_Klaviersonate_Nr_30.jpg

Nachfolgend noch ein Beispiel mit dem Maestro-Font. Ich habe die Stelle selbst gesetzt und die Voreinstellungen des Programms belassen.

Trompete in Bb, ab Takt 9:
6g75-gm-4692.png

Hörbeispiel G. F. Handel: Air from Water Music: http://www.youtube.com/watch?v=plJhYVVgu8Q


Gruß Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Harald
Tja. Wär ja auch zu schön! :rolleyes:

@ Claus
Das Notenbeispiel ist gut! :D
An so etwas hatte ich gedacht, als ich an anderer Stelle zu bedenken gab, dass der Abstand zwischen Notenkopf und Anfang oder Ende des Bogens schwerlich als Unterscheidungsmerkmal zwischen Halte- und Bindebogen dienen könne (Stichwort "Spitzfindigkeit")

Zwischenergebnis der Diskussion für mich:
Der "schreibtechnische" Unterschied zwischen Halte- und Bindebogen wird zwar in der betrachtenden Fachliteratur von einzelnen beschrieben, ist auch in der Notenliteratur durchaus belegbar, jedoch nicht jedem bekannt oder bewußt und wird (vielleicht deswegen) in Praxis variabel gehandhabt. Solange man sich in "übersichtlichen" tonalen Strukturen bewegt, gibt es für derartige "Spitzfindigkeiten" (=fein graduierte Unterschiede der Darstellung) auch gar keine Notwendigkeit, weil sich die korrekte Interpretation des Bogens aus den Noten ergibt: 1. zwei verschiedene Noten in Folge > Bindebogen 2. zwei gleiche Noten in Folge > Haltebogen.

Die Deutungsprobleme setzen ein, wenn man mit taktübergreifenden Haltebögen zwischen versetzen Noten konfrontiert wird. Womit wir automatisch bei der Fragestellung des Threads landen, aus dem diese Diskussion ausgekoppelt wurde.
Salopp ausgedrückt ist jetzt eine Regel gefragt à la "Punkt- vor Strich-Rechnung" / "verschachtelte Klammern von innen nach außen berechnen", also eine Definition, die festlegt, welche Regel den höheren Rang hat. Denn so wie ich das hier im Moment verstehe, hebt der Bogen die auflösende Funktion des Taktstriches auf, wenn die Meinung vertreten wird, dass der Note hinter dem Taktstrich kein Versetzungszeichen vorangestellt werden muss. Nur habe ich dazu in der betrachtenden Fachliteratur noch keinen Hinweis, geschweige denn eine Betrachtung oder eine Begründung gefunden.
Dass trotz der Auflösefunktion des Taktstriches eine Auflösung trotzdem zusätzlich per Auflösezeichen angezeigt wird, ist mir schon oft begegnet. Mir zeigt das, dass die auflösende Funktion des Taktstriches nicht von allen Notensetzern wahrgenommen wird. Oder der Notenverleger "unterstellt" den Musikern, dass sie diese Regel im "Eifer des Gefechts" übersehen könnten. Warum auch immer. Womit wir wieder bei der Frage nach der Form der "Erinnerungszeichen" wären.
Wie dem auch sei. In meinen Augen ist es unlogisch, das ein zweideutiges Symbol (Binde- / Haltebogen) die Wirkung eines eindeutigen Symbols (Taktstrich) außer Kraft setzen kann. Für mich wird es nicht dadurch logischer, dass sich das in der Praxis anscheinend mehr oder weniger durchgesetzt hat.

Gruß einer immer noch grübelnden Lisa
 
Meistens kann man doch problemlos zwischen Binde- und Haltebogen unterscheiden. Eine optische Unterscheidung wäre logisch und nett, ist m.E. aber nicht dringend notwendig. Als Notensetzer schreibe ich in unklaren Fällen darüber, was es ist. Als Notenleser ergibt es sich in den seltenen Streitfällen zu 99% aus dem musikalischen Kontext.

Das scheinbar redundante erneute Versetzungszeichen aus deinem Beitrag #6 (das fis) ist sinnvoll: Schon nach zwei Takten ohne diese Erinnerung würde man leicht vergessen, welcher Ton nun zu spielen wäre. In unmittelbarer Nähe befände es sich nicht, man müsste etwas weiter zurückblicken, was im Eifer des Gefechts sehr unpraktisch wäre.

Und du hast ganz recht: Notation ist leider an einigen Stellen nicht richtig logisch oder so klar und einfach, wie sie es sein könnte. Reformen werden oft nicht angenommen, auch wenn sie sinnvoll sind, denn man stößt auf Widerstand derer, die es bereits anders gelernt haben und für die das alte einfach ist. Käme man mit der Reform trotzdem durch, so hätte man die Unklarheit nicht ganz beseitigt, denn die alten Partituren wären immer noch unklar. Man müsste also trotzdem zusätzlich die alten Regeln lernen, um die alten Partituren lesen zu können. Es sei denn, man druckt alle Noten und Bücher mit Notenbeispielen neu...
Das zeigt, dass man als Komponist mit Notationsneuerungen vorsichtig sein sollte. In der Neuen Musik gibt's da viel Mist, der nun dieses Problem hat.
 
"Dass trotz der Auflösefunktion des Taktstriches eine Auflösung trotzdem zusätzlich per Auflösezeichen angezeigt wird, ist mir schon oft begegnet. Mir zeigt das, dass die auflösende Funktion des Taktstriches nicht von allen Notensetzern wahrgenommen wird. Oder der Notenverleger "unterstellt" den Musikern, dass sie diese Regel im "Eifer des Gefechts" übersehen könnten. Warum auch immer. Womit wir wieder bei der Frage nach der Form der "Erinnerungszeichen" wären."

Das nennt sich Sicherheitsvorzeichen. Manchmal auch in Klammern gesetzt. Klassische Musik wird häufig so notiert. Jazz Charts verzichten meist komplett auf "cautionary accidentals" (wie es im Englischen heisst).
Halte- und Legatobogen lassen sich am besten dadurch unterscheiden, dass der Haltebogen wesentlich flacher ist.

Wie schon öfters gesagt, Notation besteht nicht aus Gesetzen sondern aus ungeschriebenen Regeln, welche sich durchaus in verschiedenen Stilen unterscheiden.
Beispiele hierfür: Wiederholungen bei D.C., Anfangswiederholungszeichen in Takt 1, Sicherheitsvorzeichen, Artikulation und Triolenklammern/zahl immer über dem Notensystem, gleichlange Takte oder dynamisches Layout, Anzahl Takte pro Zeile ..........

Die Notenschrift ist eine Symbolschrift und nicht immer eindeutig! Beispiele: Wie laut ist forte? Macht es einen Unterschied ob dis oder es steht? - Kommt auf das Instrument an!
Verzierungszeichen im Wandel der Zeit etc.

Christian
 
Zuletzt bearbeitet:
@ derjayger
In diesem Fall ist die Anwendung der logischen und durchaus vorkomenden Notationsform selbsterklärend und wesentlich eindeutiger als die unlogische und Missverständnisse ermöglichende Praxis. Daher kann man sie gefahrlos anwenden: 1. Versetzungszeichen hinter dem Taktstrich innerhalb eines Haltebogens wiederholen. 2. Tatsächlich stattfindende Auflösung hinter einem Taktstrich innerhalb eines Bindebogens mit einem Erinnerungszeichen über der Note bestätigen um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Das ist so eindeutig, dass dafür niemand irgendwelche neuen Regeln lernen muß.
Bücher, in denen diese Notationsform ganz bewußt angewendet wird, können im Vorwort oder im Textzusammenhang darauf hinweisen, dass es in der Notationspraxis auch weniger eindeutige Notationsformen gibt. Dann sind die Nutzer informiert und können danach handeln / lesen.

@ smailjazz Zitat
"Halte- und Legatobogen lassen sich am besten dadurch unterscheiden, dass der Haltebogen wesentlich flacher ist."
Das ist in meinen Augen ein Missverständnis. Der Haltebogen ist nur deshalb so flach, weil Anfang und Ende auf derselben Höhe sind. Das wäre dann auch bei einem Bindebogen zwischen a und as der Fall. Die Deutung des Bogens muß meiner Meinung nach zwingend von den zu verbindenden Noten ausgehen und nicht von einem sagen wir mal subtilen Unterschied in der Formgebung.

Gruß
Lisa
 
Nur die Sicherheitsversetzungszeichen sind unlogisch, weswegen sie Jazzer nicht benutzen. Der Rest des Vor- und Versetzungszeichensystems ist logisch!

Noch eine "Vereinbarung", die viele Musiker nicht kennen: Tonart-Vorzeichen (am Zeilenanfang) gelten für alle Oktaven, Versetzungszeichen nur auf der verwendeten Linie bzw. dem Zwischenraum. Bei zwei unabhängigen Stimmen gelten sie strenggenommen auch nur für eine Stimme!
 
Lisa: man muss beide Arten kennen, weil man sonst einen nicht ganz kleinen Teil des Repertoires Probleme bekäme. Bei uns an der Hochschule ist die Frage "wie ist das Vorzeichen gemeint" fast schon Alltag. Übrigens oft bei mehreren Stimmen im selben System (smailjazz). In der Praxis ist das eben nicht so eindeutig, wie es sein könnte. Da hilft nur, die unterschiedlichen Deutungen zu lernen.
 
Nur die Sicherheitsversetzungszeichen sind unlogisch, weswegen sie Jazzer nicht benutzen.

Wie verbreitet soll das denn sein?
Aus veröffentlichten Big Band Partituren habe ich es zumindest anders in Erinnerung. Auch im sehr verbreiteten Lehrwerk "Neue Jazz-Harmonielehre" von Frank Sikora finde ich beim schnellen Durchblättern ein Beispiel, auf S. 529 unten.
Trotz Vorzeichnung mit 3b wird das Ab am Taktanfang des dritten Takts durch ein vorangestelltes "(b)" markiert, weil im Takt davor auf der Zählzeit 2 in der Melodie zum A aufgelöst wurde.

Gruß Claus
 

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