Ich unterscheide da gerne zwischen "Musiker" und "Anwender".
Wenn ich dich richtig verstehe, sind "Musiker" nach deiner Definition Menschen, die mit dem Talent gesegnet sind, neue Songs hervorzubringen, mit denen sie dann andere Menschen emotional berühren können.
Ist eine von sehr vielen möglichen Definitionen. Aber eine Definition, die die Anzahl der real existierenden Musiker auf ein absolutes Minimum beschränkt. Natürlich schreiben Unmengen an Bands neue Songs, aber seien wir mal ehrlich: Echte Songschreiber, die eine Stimmung tatsächlich so mit einem Song transportieren können, dass diese beim Zuhörer auch wirklich ankommt, sind viel seltener, als wir alle wahrhaben wollen. Der absolut größte Anteil neuer Songs ist schlicht und einfach Mist.
Neu und kreativ an sich ist kein Selbstzweck, jeder Affe kann Tonfolgen hervorbringen, die es vorher noch nicht gab. Viele können aus den 12 zur Verfügung stehenden Tönen Kombinationen erstellen, die die Anforderungen an solides Songwriting erfüllen. Aber nur wenige Ausnahmetalente haben die Gabe, daraus großartige Werke zu schaffen, die ihre Zuhörer direkt ansprechen und berühren. Vor solchen Genies können geschätzte 99,999999 Prozent der Forenuser nur niederknien.
Ich selbst nehme mich da natürlich nicht aus, ich bin ein eher mäßiger Songschreiber. Aber ich gewinne ja auch nicht im Lotto...
Meine Definition eines Musikers ist eine andere. Für mich ist ein Musiker jemand, der eine durchaus kindliche Freude hat an Klängen, Melodien, dem Zusammenspiel mit anderen. Mir geht es so, und daher kann für mich eine Probe im heimischen Keller ein genauso "lustvolles" Erlebnis sein wie ein Gig vor 15.000 Menschen. Ich mache Musik, weil es mir Spaß macht. Je besser die Band, in der ich spiele, desto mehr Spaß. Mit einer eingespielten Band jene magischen Momente zu erleben, in denen alles passt und aus dem Zusammenspiel der einzelnen wirklich ein gemeinsames Werk wird - das ist für mich mittlerweile schon ein Grundbedürfnis.
Wenn es sich dabei auch noch ergibt, dass ich damit Geld verdienen kann, weil viele andere Menschen Spaß daran habe, was ich mit anderen Leuten auf einer Bühne veranstalte, umso besser. Damit gerechnet habe ich sicher nicht, als ich vor über 20 Jahren angefangen habe. Aber der Spaß am Zusammenspiel mit anderen ist bis heute der selbe geblieben.
Für mich ist ein Musiker jemand, der sich sein Leben lang mit Musik beschäftigt, aus purer Freude daran. Ob er dabei ewig im Probekeller bleibt oder es auf die großen Bühnen schafft, ob er bestehende Songs nachspielt oder eigene erschafft, ist mir erst mal egal.
Wer Musik als reine Dienstleistung macht, wem es egal ist ob er Taxi fährt oder auf Bühnen steht, der ist für mich nicht wirklich ein Musiker, egal wie gut er an seinem Instrument ist. Reines Handwerk ohne emotionale Bindung zu dem, was man da tut, ist für mich keine Kunst.
Wer allerdings von vornherein anfängt, Musik des Geldes wegen zu machen, wird nicht allzuweit kommen. Denn der Job ist, selbst wenn es gut läuft, einfach lausig bezahlt, wenn man es mal ehrlich betrachtet. Dann doch lieber die Lehrstelle in der örtlichen Sparkasse. Aber die war für mich eben nie eine Alternative.
Lieber el_guitarrero, ich verstehe deinen Frust. Wahrscheinlich besser, als du glaubst. Aber diese Schwarz-Weiß-Einteilung in böse Covermusik - gute Eigenproduktion funktioniert leider nicht. Es gibt fantastische Covermusiker und lausige Songschreiber, genauso gibt es fantastische Songschreiber und lausige Covermusiker.
Leider stellen die allermeisten im Laufe ihres Lebens fest, dass sie bestenfalls irgendwo in der Mitte gelandet sind. Harte Erkenntnis, aber es ging hier ja um ehrliche Worte...
EDIT:
el_guitarrero schrieb:
Dass die Bands da nicht alleine schuld dran sind, sondern eben auch Publikum, Clubbesitzer etc. mitspielen, wurde auch schon gesagt, ganz logisch
Au weh, dünnes Eis! "Wenn die Welt anders ist als ich sie sehe, dann wehe der Realität!"...
Ich persönlich finde, man muss bei solchen Statements sehr aufpassen, dass man sich nicht in der Rolle des unverstandenen Künstlers gefällt. Gerade bei Aussagen wie "das Publikum ist selber schuld".
Irgendwo wird es sicher das Publikum geben, dass deine Botschaft hören möchte. Wenn du denn eine Botschaft hast und transportieren kannst. Womit wir wieder bei den oben erwähnten Ausnahmetalenten wären.