gitarrero!
Mod Emeritus
Alles über die Ibanez USA Custom Gitarren
Basierend auf einem Artikel von Glen C. Cianciulli, aus dem Englischen übersetzt, stark erweitert und ergänzt von mir.
1987 - Die Wiedergeburt der Marke Ibanez
Die Vorstellung der brandneuen JEM und der völlig neu umgestalteten RG-Gitarrenserien im Jahre 1987 stellte einen Wendepunkt für Ibanez dar. Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung und einem ebenso innovativen wie mutigen Vorstoß in neue Gefilde der Modellpolitik schaffte man es in letzter Minute, die Marke nach einigen Hungerjahren doch noch vor dem Untergang zu bewahren. Im Laufe der folgenden Jahre wurde die Modellpalette immer umfangreicher, neue Trends wurden erkannt bzw. gesetzt und "Rock'n Roll-Schwergewichte" unter Vertrag genommen. Es war augenblicklich klar, dass die Japaner einige Gänge höher geschaltet und damit auch Erfolg hatten. Die Herstellung von Bodies, Hälsen, Parts sowie die Lackierung und der Zusammenbau erreichten ein für die Konkurrenz erschreckend hohes Qualitätsniveau und die Designs waren am Puls der Zeit. Während Ibanez nachweislich eine hohe Messlatte für die im Kielwasser schwimmenden Firmen und Konkurrenten legte, war es nahezu völlig unbekannt, dass eine kleine Gruppe von Ibanez-Angestellten in Amerika ebenfalls in den Startlöchern war.
In den späten 80er Jahren begann Ibanez, Bodies und Hälse aus der Fujigen-Fabrik in Japan in die Werkstatt von Hoshino USA nach Bensalem (Pennsylvania) zu liefern. Dieser Vorrat an Teilen ermöglichte Hoshino USA dann das Wagnis, im Geschäft des Custom-Gitarrenbaus Fuß zu fassen. Wenig überraschend erwies sich das amerikanische Team als überaus gelehrig, aber auch experimentierfreudig. Im Jahre 1988 entschied sich Hoshino Japan, die neuen Ressourcen auch tatsächlich einzusetzen. Das letzte noch fehlende Mosaikstück war deshalb die Anschaffung von Gitarrenbauequipment (Maschinenpark etc.) für Bensalem. Mit diesem Ereignis wurde gleichzeitig eine neue Abteilung von Ibanez-Mitarbeitern zusammengestellt, die intern als "H&S Guitars" bezeichnet wurde - also das Herz und die Seele des legendären "Ibanez Custom Shop". Wichtige Protagonisten dieser Phase sind Mace Bailey, der z.B. den JEM-Prototyp für Steve Vai gebaut hat, und Rich Lasner, der z.B. für das Design der Maxxas verantwortlich war, sowie der japanische Wunderknabe Fritz Katoh, auf dessen Konto zahllose Innovationen bei Ibanez gehen.
Zitat aus dem Ibanez Katalog 1991: "Das Konzept des USA Custom Shops war es, Ibanez Gitarren in Amerika zu bauen und es den Kunden zu ermöglichen, das individuelle Instrument ihrer Träume zu gestalten."
H&S Guitars - die Legende beginnt
In den ersten Monaten erhielt H&S Guitars eine Menge Teile aus Japan. In ihrem Arsenal stapelten sich nun Hälse, Korpusse und sämtliche Hardware-Teile, also alle für die Gitarrenherstellung nötigen Zutaten. Im Grunde genommen fungierten H&S Guitars dann als eine Art Fertigungsstraße bei Hoshino USA - aus zugelieferten Teilen entstanden komplette Gitarren, die unter dem Ibanez-Markennamen verkauft werden sollten. Unter den ersten dort tatsächlich selbst entwickelten "made in USA"-Instrumenten waren die 540er Pro Custom Modelle in 1987/1988. Aus dieser Linie stammen auch die 540S "Saber", 540P "Power" und 540R "Radius" - allesamt H&S-Kreationen. Aus der Radius-Serie ging übrigens 1990 mit nur leichten Veränderungen das Joe Satriani Signature-Modell hervor, das auch bis heute überlebt hat. Pro Custom wurde bald zu "USA Custom", eine ausgedehnte H&S-Produktpalette, deren Gitarren unter Berücksichtigung einiger Kundenwünsche angefertigt wurden. Außerdem bekamen einige Modelle aus der japanischen Fertigung - zum Beispiel die RG770 - hier die Tonabnehmer installiert und die letzten Feineinstellungen, bevor sie an Ibanez-Händler in den USA ausgeliefert wurden.
Zur gleichen Zeit stellte Ibanez die überaus hochklassige "American Master"-Serie vor. Offiziell wurde sie als die erste in Amerika handgearbeitete Ibanez-Gitarre betitelt. Die American Masters, die zur Jahresmitte 1989 auf den Markt kamen, waren Lizenzbauten aus der Werkstatt des kalifornischen Gitarrenbauers Roger Gresco. Er verwendete eine aufwendige, sogenannte "topographische" Bauart, bei der der Hals quasi in den Korpus eingelegt wird. Diese Neckthrough-artigen Bodies waren bildschön, allerdings gab es einen kleinen Haken: Die Produktion in Grescos kleinem Betrieb war langsam und die bundesstaatlichen Vorschriften bezüglich der verwendeten Lacke in Kalifornien sehr streng - viel strenger als in Japan. Daher erwies es sich bei der Lackierung als sehr schwierig, dieselbe Qualität zu erreichen, die man typischerweise von Ibanez gewohnt war und ist. Aus diesen Gründen und aufgrund weiterer strenger Umweltauflagen dauerte die Herstellung der American Master Serie unter Gresco nur etwa 1,5 Jahre. Die Kunden wiederum waren sich dieser Situation nicht bewusst und offensichtlich auch bereit, etwa ein Jahr auf ihre bestellte American Master-Gitarre zu warten. Es waren zwei Modelle erhältlich: die MA2 (deckende Lackierung) sowie die MA3 (Ahorndecke und transparente Lackierung), mit verschiedenen Tonabnehmerkonfigurationen, die in der US-Version des 1990er Katalogs zu sehen sind:
Die bisher erwähnten USA Custom Modelle einschließlich der American Masters waren ausschließlich für den US-amerikanischen Markt bestimmt und deshalb weder in europäischen Katalogen zu sehen noch über europäische Vertriebe erhältlich. Später gelangten dann aber auf verschlungenen Pfaden doch einige Exemplare auch nach Deutschland, zum Teil sogar Ausstellungsstücke der Frankfurter Messe, die man einfach nicht mehr mit nach Hause nahm sondern einfach dem Importeur Meinl überließ.
Custom Shop à la Carte
Durch die neue positive Erfahrung gestärkt, setzte sich Ibanez USA nun auch höhere Ziele. Bald darauf wurde der Custom Shop für alle Kunden weltweit geöffnet, und wie gehabt lieferte dabei Hoshino Japan die Einzelteile. Die Käufer konnten ihre Bestellung bei einem autorisierten Ibanez-Händler aufgeben, und der Ibanez USA Custom Shop fertigte dann die Gitarre nach Kundenwunsch an - oder anders ausgedrückt, er stellte die Gitarre nach Kundenwunsch fertig. Dabei kamen die Korpusse als Halbfertigware aus Japan, ohne Lack und nur mit einer einzelnen Fräsung für den Steghumbucker - somit war jede beliebige Tonabnehmerkonfiguration z.B. mit DiMarzios nach Wahl möglich, die Position der Schalter und Potis sowie entweder non-Trem oder Trem-Version. H&S stellte dann laut Bestellformular den Body mit allen Fräsungen und Bohrungen fertig. Außerdem konnte man seine bevorzugten Halsoptionen auswählen, darunter Griffbrettholz, Inlays, Binding und Standard/Reversed Kopfplatte.
Zudem bot H&S auch einige spektakuläre Grafiken und Effektlackierungen auf ihren Gitarren an. Drei Künstler entwickelten die Grafiken für die USA Custom Graphic Serie (UCGR): Dan Lawrence, Pamelina (eine Tattookünstlerin aus Hollywood) und Pedro Cruz, vermutlich aber auch noch andere. Die Prototypen und ein Teil der Seriengitarren wurden handgemalt bzw. -gesprayt und überlackiert, der Rest aus Kostengründen mit einer bedruckten Folie beklebt und ebenfalls überlackiert. Insgesamt waren mehr als 40 verschiedene Designs erhältlich, wobei der künstlerische Gehalt aus heutiger Sicht zum Teil sicherlich diskussionswürdig ist. Das erklärt auch den unterschiedlichen Beliebtheitsgrad bei den Kunden, denn einige Designs sind auch heute noch deutlich häufiger anzutreffen als andere. Auf http://www.ibanezregister.com/ gibt es eine umfassende Galerie dieser Grafiken mit den vielversprechenden Bezeichnungen "The Nail's Trails", "Falling Rocks" oder "No Bones About It" und vielen anderen.
Es ging sogar noch einen Schritt weiter, als der Custom Shop im Jahre 1991 die "UCMD Metal Design"-Gitarren vorstellte: Diese hatten ähnlich der JEM77FP ein laminiertes überlackiertes Textilmaterial auf dem Body. Es waren "Golden Feline", "Grey Snake", "Jungle Cat", "Lizard", "Metal Leopard", "Reptilian, "Silver Peacock", "Silver Rain", "Silver Snake" und "The Serpent" erhältlich. Ein paar Beispiele sind im 1991er Ibanez-Katalog (USA) abgebildet:
Zitat aus dem Ibanez Katalog 1991: "Seit dem Debut der USA Custom macht die Optik der Metal Design Serie von sich reden. Das einzigartige Erscheinungsbild wird dadurch erreicht, dass ein schillerndes Textilmaterial auf beide Seiten eines ausgesuchten Lindenholzkorpusses aufgebracht wird. Jedes Teil wird dann klar lackiert und auf Hochglanz poliert. Alle sind mit einer breiten Auswahl an Halsprofilen, Hardware und Tonabnehmer-Optionen erhältlich."
Goin' to California.
Anfang 1990 verlegte H&S die Produktion von Bensalem an die Westküste. Mit Sack und Pack und allem Equipment ging es quer durch die gesamte USA bis nach Kalifornien. Zeitgleich zum Umzug wurde beschlossen, dass H&S nun in zwei Stützpunkte aufgeteilt werden sollte: Eine Werkstatt stand demnach ausschließlich den Ibanez-Endorsern zur Verfügung, während der andere nach wie vor die USA Custom Ibanez-Gitarren für die breite Masse produzieren sollte. Der Endorser-Shop war ursprünglich in der Case Avenue in North Hollywood, und der normale H&S Custom Shop öffnete seine Türen nur etwa 10 nördliche Häuserblocks entfernt.
Exotic Wood - die dritte Säule des USA Custom Angebots
Erneut nahm H&S Hilfe von außerhalb an, um Material und Teile zu erhalten. Es wurden nach Spezifikation angefertigte Korpusse und Hälse geordert, allerdings diesmal nicht in Japan, sondern vor Ort in Kalifornien. Man sagt, die Standard USA Custom Bodies und Hälse stammten von der Firma Hosono, die unter anderem eine der Gründerfirmen von ESP Guitars ist. Die Bodies von Hosono waren für die bolt-on Modelle USA Custom Exotic Wood Series gedacht und kamen mit dem damals noch recht ungewöhnlichen und sehr innovativen "All Access Neck Joint", der ergonomisch geformten asymmetrischen Halsbefestigung mit vier einzeln versenkten Schrauben ohne Konterplatte. Diese Modelle zeichneten sich durch besonders schöne Hölzer aus, bekamen aber in den Jahren 1990 und 1991 noch japanische Hälse aus der Fujigen-Fabrik. Im Jahre 1992 wurden dann auch die Hälse von Hosono hergestellt, d.h. nur die 1992er UCEW-Gitarren stammten komplett aus amerikanischer Produktion. Es gibt zwei wesentliche Unterschiede zwischen den 1990/1991er und 1992er Exotic Woods: Bei der ersten Serie hatte man wie bei den anderen USA Custom-Gitarren viele Freiheitsgrade - so waren verschiedene Deckenhölzer (Flame Maple, Quilted Maple, Lacewood, Birdseye Maple) erhältlich, mehrere Tonabnehmerbestückungen und man konnte einen Hals seiner Wahl bestellen. Die Dicke der Ahorn- oder Lacewood-Decke machte fast die Hälfte der Korpusdicke aus.
Im Jahre 1992 gabe es bei der Exotic Wood Serie eigentlich nur noch zwei Freiheitsgrade, und zwar das Deckenholz (Flame Maple oder Quilted Maple) und die Farbe - alles andere war festgelegt, inklusive Halstyp (Vogelaugenahorn mit Palisandergriffbrett), Tonabnehmerbestückung (DiMarzio HSH) und Vibrato (Lo-Pro EDGE in cosmo black). Die Dicke der Ahorndecke wurde signifikant geringer als in den Jahren zuvor. Die Pickups wurden ohne Rähmchen direkt ins Holz geschraubt und die Kopfplatte in Korpusfarbe lackiert. Die zwei Varianten QM und FM waren 1992 in vier verschiedenen Farben erhältlich; und zwar natur, transparent blue, transparent purple und transparent ebony (dunkelbraun bzw. schwarz).
In Kalifornien kreierte H&S Gitarren und Bässe mit durchgehendem Hals, die als die neuen American Master Series bezeichnet wurden. Diesmal wurden die American Masters von Wildwood Guitar in Kalifornien hergestellt, wieder mit den Modellbezeichnungen MA1FM und MA1QM, wie man sie in den amerikanischen 1991/1992 Ibanez-Katalogen sieht. H&S ruhte sich währenddessen aber nicht auf ihren Lorbeeren aus, sondern begann mit der Produktion von Gitarren mit dem Label "Starfield", eine kleine Untermarke unter dem Ibanez-Dach.
Fairerweise muss man an dieser Stelle eindeutig festhalten, dass die USA Custom-Gitarren von Ibanez eigentlich nichts weiter als Semi-Custom-Gitarren waren, bei denen sich der Kunde aus einem Katalog an Features seine Wunschkombination zusammenstellen konnte (wobei die Optionen auch immer mehr eingeschränkt wurden!) aber es kam letztendlich eine RG-förmige Gitarre mit vielen Standardmaßen und -teilen dabei heraus. Also muss betont werden, dass ein großer Unterschied zwischen diesem Konzept und einem richtigen Custom Shop besteht, der von Grund auf 100%ige Maßanfertigungen auf Kundenwunsch baut, wo der Auftraggeber auch das letzte Detail selbst bestimmen kann.
Shred is Dead?
Aber jeder Höhenflug hat leider mal ein Ende. Es war die Grunge-Welle um 1993 herum, die den Ibanez Custom Shop an einer verwundbaren Stelle traf, weil Hightech-Gitarren schlagartig aus der Mode kamen und plötzlich kein Hahn mehr nach den Gitarrenhelden der 80er Jahre krähte. Die Starfield-Verkäufe liefen ebenfalls schleppend und es dauerte nicht lange, bis die USA-Werkstatt ihre Pforten schließen musste. Der Custom Shop für die Endorser wurde zwar nicht geschlossen, dafür erneut verlegt, dieses Mal in eine kleinere Location in North Hollywood, wo er auch heute noch existiert.
Ibanez bewegte sich Mitte der 90er Jahre mutigerweise gegen den Strom, als dann doch noch ein weiterer Schritt in Richtung "made in USA" unternommen wurde. Das Team von Hoshino USA in Bensalem hörte von einer ortsansässigen Firma namens PBC mit Inhaber (und Gitarrenbauer) Dave Bunker. Gerüchten zufolge war es ein Radio-Werbespot für PBC beim Rock-Sender WMMR in Philadelphia, den man bei Ibanez hörte - und der Rest ist Geschichte. Die Zusammenarbeit brachte die USRG-Schiene hervor (USRG10, 20 und 30), die mit dem sogenannten "tension-free neck" Design von PBC ausgerüstet waren. Die Grundidee dieser Halskonstruktion beruht darauf, dass die Saitenspannung komplett vom Halsstab und nicht vom Holz des Halses aufgenommen wird und die Kopfplatte quasi nur noch ein Anbauteil ist - dies soll für ein verbessertes Schwingungsverhalten und eine bessere Bespielbarkeit sorgen. Mehr Informationen über die Halskonstruktion gibt's auf der Website von Bunker Guitars, Link: http://www.bunker-guitars.com/tf_neck.html . Die USRGs wurden über einen Zeitraum von knapp 3 Jahren verkauft und exklusiv von PBC für Ibanez angefertigt. Die USRG10 kam mit einer festen Brücke; die anderen mit dem Lo-Pro EDGE, wobei der Unterschied zwischen der USRG20 und der USRG30 in der "Qualität" der Ahorndecke bestand. Nach Angaben von Dave Bunker wurden in seiner Werkstatt in Coopersburg (Pennsylvania) in den Jahren 1993 bis 1996 einige tausend USRG10, 20 und 30 sowie Bässe der ATK-Serie hergestellt und lackiert, wobei alle Instrumente die oben erwähnte spezielle Halskonstruktion hatten. Durch dieses "Outsourcing" war auch der USA Custom Shop in Los Angeles weiterhin in der Lage, nach wie vor ausschließlich für Ibanez-Endorser tätig zu sein.
Einige behaupten, dass die sogenannten "ghostbuilt" Ibanez USA Gitarren von Roger Gresco, Hosono, Wildwood oder Dave Bunker qualitätsmäßig alle anderen Ibanez-Modelle in den Schatten stellen; aber solche Äußerungen muss man immer mit viel Vorsicht genießen, wie ich finde.
Die USRG-Serie markiert jedenfalls das letzte Kapitel der "made in USA"-Geschichte von Ibanez. Im Jahre 1997 trat nämlich der japanische Ibanez J-Custom Shop ins Rampenlicht, beheimatet im Ursprungsland von Hoshino, und begann mit dem Bau seiner eigenen exotischen Gitarrenmodelle; d.h. hochklassige Instrumente in limitierten Stückzahlen. Die J-Customs basierten damals auf den RG- und S-Serien und waren besonders für den lukrativen heimischen (japanischen) Markt zugeschnitten. Im ersten Produktionsjahr 1997 wurden nur sechs ausgewählte Modelle - darunter auch die RG-ART, die mit ihrer aufwendigen mehrfarbigen Beiztechnik Vorbild für das John Petrucci Anniversary-Modell wurde, und die RG-METAL, an deren Erscheinungsbild sich die 90th Anniversary JEM deutlich orientiert - außerhalb Japans angeboten. Aber die J-Custom-Serie ist ein Kapitel für sich und soll hier nicht weiter betrachtet werden.
Custom Made ist nicht Custom Shop
An dieser Stelle muss ich ein hartnäckiges Gerücht aus der Welt schaffen! In einigen Baujahren ab 1991 bis Mitte der 90er Jahre wurden viele Ibanez-Gitarrenmodelle aus japanischer Fertigung mit einer kleinen Plakette am Griffbrettende ausgestattet - vor allem die oberen Saber-Modelle und andere 22bündige Instrumente wie etwa die Radius R540. Diese Griffbretteinlage im 21. Bund trägt den Schriftzug "Custom Made" - obwohl die Gitarre rein gar nichts mit Custom Shop oder Kundenauftrag zu tun hat! Kenner wissen, dass diese Bezeichnung im japanischen Jargon offenbar nichts anderes bedeuten soll als "besonders hochwertig" und "top of the line" - viele Verkäufer auf ebay oder sonstwo wissen das nicht (oder ignorieren es) und betiteln ihre Angebote völlig falsch und sogar irreführend. Es handelt sich nämlich um ganz normale Seriengitarren, die nie limitiert waren und erst recht keine Einzelstücke sind. Selbst wenn Tonabnehmer mit dem Schriftzug "IBZ USA" verbaut wurden (gab's übrigens schon 1987), hat das genausowenig zu bedeuten - das ist wiederum nichts anderes als ein Hinweis auf OEM-Ware von DiMarzio, d.h. exklusiv für Ibanez hergestellte Pickups. Also: Schau genau, "custom made" ist in diesem Fall nicht "custom shop".
Heutzutage
Heute arbeitet der Ibanez USA Custom Shop nach wie vor nicht öffentlich. Der Shop baut, entwirft und repariert Gitarren für Endorser, also diejenigen Künstler, die bei Ibanez unter Vertrag stehen und als Werbeträger fungieren. Außerdem liefert der USA Custom Shop viele Ideen für den japanischen Markt, die dann wiederum vor allem als J-Custom-Gitarren das Licht der Welt erblicken. Eines dieser Lebenszeichen war die CSD-Serie - Custom Shop Designed - mit den Modellen USRG6-CSD1, USRG6-CSD2, USRG7-CSD1, USRG7-CSD2, USRG7-CSD3 sowie zwei Modellen mit S- bzw. AX-Form, die in Japan hergestellt wurden.
Möglicherweise, ja hoffentlich, wird der USA Custom Shop eines Tages wieder seine Türen für Normalkunden öffnen. Es gäbe sicher ein großes Interesse, da viele derjenigen Gitarristen, die vor 15 Jahren träumend vor den Postern standen oder mit leuchtenden Augen in den Katalogen blätterten, nun auch finanziell in der Lage sind, sich ihre Träume von einer Ibanez USA Custom-Gitarre zu erfüllen.
Ich hoffe, ihr hattet ein wenig Spaß beim Lesen! Falls jemand eine Ibanez USA Custom-Gitarre besitzen sollte, kann er in diesem Thread seine Bilder posten und wir können dann drüber fachsimpeln.
Basierend auf einem Artikel von Glen C. Cianciulli, aus dem Englischen übersetzt, stark erweitert und ergänzt von mir.
1987 - Die Wiedergeburt der Marke Ibanez
Die Vorstellung der brandneuen JEM und der völlig neu umgestalteten RG-Gitarrenserien im Jahre 1987 stellte einen Wendepunkt für Ibanez dar. Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung und einem ebenso innovativen wie mutigen Vorstoß in neue Gefilde der Modellpolitik schaffte man es in letzter Minute, die Marke nach einigen Hungerjahren doch noch vor dem Untergang zu bewahren. Im Laufe der folgenden Jahre wurde die Modellpalette immer umfangreicher, neue Trends wurden erkannt bzw. gesetzt und "Rock'n Roll-Schwergewichte" unter Vertrag genommen. Es war augenblicklich klar, dass die Japaner einige Gänge höher geschaltet und damit auch Erfolg hatten. Die Herstellung von Bodies, Hälsen, Parts sowie die Lackierung und der Zusammenbau erreichten ein für die Konkurrenz erschreckend hohes Qualitätsniveau und die Designs waren am Puls der Zeit. Während Ibanez nachweislich eine hohe Messlatte für die im Kielwasser schwimmenden Firmen und Konkurrenten legte, war es nahezu völlig unbekannt, dass eine kleine Gruppe von Ibanez-Angestellten in Amerika ebenfalls in den Startlöchern war.
In den späten 80er Jahren begann Ibanez, Bodies und Hälse aus der Fujigen-Fabrik in Japan in die Werkstatt von Hoshino USA nach Bensalem (Pennsylvania) zu liefern. Dieser Vorrat an Teilen ermöglichte Hoshino USA dann das Wagnis, im Geschäft des Custom-Gitarrenbaus Fuß zu fassen. Wenig überraschend erwies sich das amerikanische Team als überaus gelehrig, aber auch experimentierfreudig. Im Jahre 1988 entschied sich Hoshino Japan, die neuen Ressourcen auch tatsächlich einzusetzen. Das letzte noch fehlende Mosaikstück war deshalb die Anschaffung von Gitarrenbauequipment (Maschinenpark etc.) für Bensalem. Mit diesem Ereignis wurde gleichzeitig eine neue Abteilung von Ibanez-Mitarbeitern zusammengestellt, die intern als "H&S Guitars" bezeichnet wurde - also das Herz und die Seele des legendären "Ibanez Custom Shop". Wichtige Protagonisten dieser Phase sind Mace Bailey, der z.B. den JEM-Prototyp für Steve Vai gebaut hat, und Rich Lasner, der z.B. für das Design der Maxxas verantwortlich war, sowie der japanische Wunderknabe Fritz Katoh, auf dessen Konto zahllose Innovationen bei Ibanez gehen.
Zitat aus dem Ibanez Katalog 1991: "Das Konzept des USA Custom Shops war es, Ibanez Gitarren in Amerika zu bauen und es den Kunden zu ermöglichen, das individuelle Instrument ihrer Träume zu gestalten."
H&S Guitars - die Legende beginnt
In den ersten Monaten erhielt H&S Guitars eine Menge Teile aus Japan. In ihrem Arsenal stapelten sich nun Hälse, Korpusse und sämtliche Hardware-Teile, also alle für die Gitarrenherstellung nötigen Zutaten. Im Grunde genommen fungierten H&S Guitars dann als eine Art Fertigungsstraße bei Hoshino USA - aus zugelieferten Teilen entstanden komplette Gitarren, die unter dem Ibanez-Markennamen verkauft werden sollten. Unter den ersten dort tatsächlich selbst entwickelten "made in USA"-Instrumenten waren die 540er Pro Custom Modelle in 1987/1988. Aus dieser Linie stammen auch die 540S "Saber", 540P "Power" und 540R "Radius" - allesamt H&S-Kreationen. Aus der Radius-Serie ging übrigens 1990 mit nur leichten Veränderungen das Joe Satriani Signature-Modell hervor, das auch bis heute überlebt hat. Pro Custom wurde bald zu "USA Custom", eine ausgedehnte H&S-Produktpalette, deren Gitarren unter Berücksichtigung einiger Kundenwünsche angefertigt wurden. Außerdem bekamen einige Modelle aus der japanischen Fertigung - zum Beispiel die RG770 - hier die Tonabnehmer installiert und die letzten Feineinstellungen, bevor sie an Ibanez-Händler in den USA ausgeliefert wurden.
Zur gleichen Zeit stellte Ibanez die überaus hochklassige "American Master"-Serie vor. Offiziell wurde sie als die erste in Amerika handgearbeitete Ibanez-Gitarre betitelt. Die American Masters, die zur Jahresmitte 1989 auf den Markt kamen, waren Lizenzbauten aus der Werkstatt des kalifornischen Gitarrenbauers Roger Gresco. Er verwendete eine aufwendige, sogenannte "topographische" Bauart, bei der der Hals quasi in den Korpus eingelegt wird. Diese Neckthrough-artigen Bodies waren bildschön, allerdings gab es einen kleinen Haken: Die Produktion in Grescos kleinem Betrieb war langsam und die bundesstaatlichen Vorschriften bezüglich der verwendeten Lacke in Kalifornien sehr streng - viel strenger als in Japan. Daher erwies es sich bei der Lackierung als sehr schwierig, dieselbe Qualität zu erreichen, die man typischerweise von Ibanez gewohnt war und ist. Aus diesen Gründen und aufgrund weiterer strenger Umweltauflagen dauerte die Herstellung der American Master Serie unter Gresco nur etwa 1,5 Jahre. Die Kunden wiederum waren sich dieser Situation nicht bewusst und offensichtlich auch bereit, etwa ein Jahr auf ihre bestellte American Master-Gitarre zu warten. Es waren zwei Modelle erhältlich: die MA2 (deckende Lackierung) sowie die MA3 (Ahorndecke und transparente Lackierung), mit verschiedenen Tonabnehmerkonfigurationen, die in der US-Version des 1990er Katalogs zu sehen sind:
Die bisher erwähnten USA Custom Modelle einschließlich der American Masters waren ausschließlich für den US-amerikanischen Markt bestimmt und deshalb weder in europäischen Katalogen zu sehen noch über europäische Vertriebe erhältlich. Später gelangten dann aber auf verschlungenen Pfaden doch einige Exemplare auch nach Deutschland, zum Teil sogar Ausstellungsstücke der Frankfurter Messe, die man einfach nicht mehr mit nach Hause nahm sondern einfach dem Importeur Meinl überließ.
Custom Shop à la Carte
Durch die neue positive Erfahrung gestärkt, setzte sich Ibanez USA nun auch höhere Ziele. Bald darauf wurde der Custom Shop für alle Kunden weltweit geöffnet, und wie gehabt lieferte dabei Hoshino Japan die Einzelteile. Die Käufer konnten ihre Bestellung bei einem autorisierten Ibanez-Händler aufgeben, und der Ibanez USA Custom Shop fertigte dann die Gitarre nach Kundenwunsch an - oder anders ausgedrückt, er stellte die Gitarre nach Kundenwunsch fertig. Dabei kamen die Korpusse als Halbfertigware aus Japan, ohne Lack und nur mit einer einzelnen Fräsung für den Steghumbucker - somit war jede beliebige Tonabnehmerkonfiguration z.B. mit DiMarzios nach Wahl möglich, die Position der Schalter und Potis sowie entweder non-Trem oder Trem-Version. H&S stellte dann laut Bestellformular den Body mit allen Fräsungen und Bohrungen fertig. Außerdem konnte man seine bevorzugten Halsoptionen auswählen, darunter Griffbrettholz, Inlays, Binding und Standard/Reversed Kopfplatte.
Zudem bot H&S auch einige spektakuläre Grafiken und Effektlackierungen auf ihren Gitarren an. Drei Künstler entwickelten die Grafiken für die USA Custom Graphic Serie (UCGR): Dan Lawrence, Pamelina (eine Tattookünstlerin aus Hollywood) und Pedro Cruz, vermutlich aber auch noch andere. Die Prototypen und ein Teil der Seriengitarren wurden handgemalt bzw. -gesprayt und überlackiert, der Rest aus Kostengründen mit einer bedruckten Folie beklebt und ebenfalls überlackiert. Insgesamt waren mehr als 40 verschiedene Designs erhältlich, wobei der künstlerische Gehalt aus heutiger Sicht zum Teil sicherlich diskussionswürdig ist. Das erklärt auch den unterschiedlichen Beliebtheitsgrad bei den Kunden, denn einige Designs sind auch heute noch deutlich häufiger anzutreffen als andere. Auf http://www.ibanezregister.com/ gibt es eine umfassende Galerie dieser Grafiken mit den vielversprechenden Bezeichnungen "The Nail's Trails", "Falling Rocks" oder "No Bones About It" und vielen anderen.
Es ging sogar noch einen Schritt weiter, als der Custom Shop im Jahre 1991 die "UCMD Metal Design"-Gitarren vorstellte: Diese hatten ähnlich der JEM77FP ein laminiertes überlackiertes Textilmaterial auf dem Body. Es waren "Golden Feline", "Grey Snake", "Jungle Cat", "Lizard", "Metal Leopard", "Reptilian, "Silver Peacock", "Silver Rain", "Silver Snake" und "The Serpent" erhältlich. Ein paar Beispiele sind im 1991er Ibanez-Katalog (USA) abgebildet:
Zitat aus dem Ibanez Katalog 1991: "Seit dem Debut der USA Custom macht die Optik der Metal Design Serie von sich reden. Das einzigartige Erscheinungsbild wird dadurch erreicht, dass ein schillerndes Textilmaterial auf beide Seiten eines ausgesuchten Lindenholzkorpusses aufgebracht wird. Jedes Teil wird dann klar lackiert und auf Hochglanz poliert. Alle sind mit einer breiten Auswahl an Halsprofilen, Hardware und Tonabnehmer-Optionen erhältlich."
Goin' to California.
Anfang 1990 verlegte H&S die Produktion von Bensalem an die Westküste. Mit Sack und Pack und allem Equipment ging es quer durch die gesamte USA bis nach Kalifornien. Zeitgleich zum Umzug wurde beschlossen, dass H&S nun in zwei Stützpunkte aufgeteilt werden sollte: Eine Werkstatt stand demnach ausschließlich den Ibanez-Endorsern zur Verfügung, während der andere nach wie vor die USA Custom Ibanez-Gitarren für die breite Masse produzieren sollte. Der Endorser-Shop war ursprünglich in der Case Avenue in North Hollywood, und der normale H&S Custom Shop öffnete seine Türen nur etwa 10 nördliche Häuserblocks entfernt.
Exotic Wood - die dritte Säule des USA Custom Angebots
Erneut nahm H&S Hilfe von außerhalb an, um Material und Teile zu erhalten. Es wurden nach Spezifikation angefertigte Korpusse und Hälse geordert, allerdings diesmal nicht in Japan, sondern vor Ort in Kalifornien. Man sagt, die Standard USA Custom Bodies und Hälse stammten von der Firma Hosono, die unter anderem eine der Gründerfirmen von ESP Guitars ist. Die Bodies von Hosono waren für die bolt-on Modelle USA Custom Exotic Wood Series gedacht und kamen mit dem damals noch recht ungewöhnlichen und sehr innovativen "All Access Neck Joint", der ergonomisch geformten asymmetrischen Halsbefestigung mit vier einzeln versenkten Schrauben ohne Konterplatte. Diese Modelle zeichneten sich durch besonders schöne Hölzer aus, bekamen aber in den Jahren 1990 und 1991 noch japanische Hälse aus der Fujigen-Fabrik. Im Jahre 1992 wurden dann auch die Hälse von Hosono hergestellt, d.h. nur die 1992er UCEW-Gitarren stammten komplett aus amerikanischer Produktion. Es gibt zwei wesentliche Unterschiede zwischen den 1990/1991er und 1992er Exotic Woods: Bei der ersten Serie hatte man wie bei den anderen USA Custom-Gitarren viele Freiheitsgrade - so waren verschiedene Deckenhölzer (Flame Maple, Quilted Maple, Lacewood, Birdseye Maple) erhältlich, mehrere Tonabnehmerbestückungen und man konnte einen Hals seiner Wahl bestellen. Die Dicke der Ahorn- oder Lacewood-Decke machte fast die Hälfte der Korpusdicke aus.
Im Jahre 1992 gabe es bei der Exotic Wood Serie eigentlich nur noch zwei Freiheitsgrade, und zwar das Deckenholz (Flame Maple oder Quilted Maple) und die Farbe - alles andere war festgelegt, inklusive Halstyp (Vogelaugenahorn mit Palisandergriffbrett), Tonabnehmerbestückung (DiMarzio HSH) und Vibrato (Lo-Pro EDGE in cosmo black). Die Dicke der Ahorndecke wurde signifikant geringer als in den Jahren zuvor. Die Pickups wurden ohne Rähmchen direkt ins Holz geschraubt und die Kopfplatte in Korpusfarbe lackiert. Die zwei Varianten QM und FM waren 1992 in vier verschiedenen Farben erhältlich; und zwar natur, transparent blue, transparent purple und transparent ebony (dunkelbraun bzw. schwarz).
In Kalifornien kreierte H&S Gitarren und Bässe mit durchgehendem Hals, die als die neuen American Master Series bezeichnet wurden. Diesmal wurden die American Masters von Wildwood Guitar in Kalifornien hergestellt, wieder mit den Modellbezeichnungen MA1FM und MA1QM, wie man sie in den amerikanischen 1991/1992 Ibanez-Katalogen sieht. H&S ruhte sich währenddessen aber nicht auf ihren Lorbeeren aus, sondern begann mit der Produktion von Gitarren mit dem Label "Starfield", eine kleine Untermarke unter dem Ibanez-Dach.
Fairerweise muss man an dieser Stelle eindeutig festhalten, dass die USA Custom-Gitarren von Ibanez eigentlich nichts weiter als Semi-Custom-Gitarren waren, bei denen sich der Kunde aus einem Katalog an Features seine Wunschkombination zusammenstellen konnte (wobei die Optionen auch immer mehr eingeschränkt wurden!) aber es kam letztendlich eine RG-förmige Gitarre mit vielen Standardmaßen und -teilen dabei heraus. Also muss betont werden, dass ein großer Unterschied zwischen diesem Konzept und einem richtigen Custom Shop besteht, der von Grund auf 100%ige Maßanfertigungen auf Kundenwunsch baut, wo der Auftraggeber auch das letzte Detail selbst bestimmen kann.
Shred is Dead?
Aber jeder Höhenflug hat leider mal ein Ende. Es war die Grunge-Welle um 1993 herum, die den Ibanez Custom Shop an einer verwundbaren Stelle traf, weil Hightech-Gitarren schlagartig aus der Mode kamen und plötzlich kein Hahn mehr nach den Gitarrenhelden der 80er Jahre krähte. Die Starfield-Verkäufe liefen ebenfalls schleppend und es dauerte nicht lange, bis die USA-Werkstatt ihre Pforten schließen musste. Der Custom Shop für die Endorser wurde zwar nicht geschlossen, dafür erneut verlegt, dieses Mal in eine kleinere Location in North Hollywood, wo er auch heute noch existiert.
Ibanez bewegte sich Mitte der 90er Jahre mutigerweise gegen den Strom, als dann doch noch ein weiterer Schritt in Richtung "made in USA" unternommen wurde. Das Team von Hoshino USA in Bensalem hörte von einer ortsansässigen Firma namens PBC mit Inhaber (und Gitarrenbauer) Dave Bunker. Gerüchten zufolge war es ein Radio-Werbespot für PBC beim Rock-Sender WMMR in Philadelphia, den man bei Ibanez hörte - und der Rest ist Geschichte. Die Zusammenarbeit brachte die USRG-Schiene hervor (USRG10, 20 und 30), die mit dem sogenannten "tension-free neck" Design von PBC ausgerüstet waren. Die Grundidee dieser Halskonstruktion beruht darauf, dass die Saitenspannung komplett vom Halsstab und nicht vom Holz des Halses aufgenommen wird und die Kopfplatte quasi nur noch ein Anbauteil ist - dies soll für ein verbessertes Schwingungsverhalten und eine bessere Bespielbarkeit sorgen. Mehr Informationen über die Halskonstruktion gibt's auf der Website von Bunker Guitars, Link: http://www.bunker-guitars.com/tf_neck.html . Die USRGs wurden über einen Zeitraum von knapp 3 Jahren verkauft und exklusiv von PBC für Ibanez angefertigt. Die USRG10 kam mit einer festen Brücke; die anderen mit dem Lo-Pro EDGE, wobei der Unterschied zwischen der USRG20 und der USRG30 in der "Qualität" der Ahorndecke bestand. Nach Angaben von Dave Bunker wurden in seiner Werkstatt in Coopersburg (Pennsylvania) in den Jahren 1993 bis 1996 einige tausend USRG10, 20 und 30 sowie Bässe der ATK-Serie hergestellt und lackiert, wobei alle Instrumente die oben erwähnte spezielle Halskonstruktion hatten. Durch dieses "Outsourcing" war auch der USA Custom Shop in Los Angeles weiterhin in der Lage, nach wie vor ausschließlich für Ibanez-Endorser tätig zu sein.
Einige behaupten, dass die sogenannten "ghostbuilt" Ibanez USA Gitarren von Roger Gresco, Hosono, Wildwood oder Dave Bunker qualitätsmäßig alle anderen Ibanez-Modelle in den Schatten stellen; aber solche Äußerungen muss man immer mit viel Vorsicht genießen, wie ich finde.
Die USRG-Serie markiert jedenfalls das letzte Kapitel der "made in USA"-Geschichte von Ibanez. Im Jahre 1997 trat nämlich der japanische Ibanez J-Custom Shop ins Rampenlicht, beheimatet im Ursprungsland von Hoshino, und begann mit dem Bau seiner eigenen exotischen Gitarrenmodelle; d.h. hochklassige Instrumente in limitierten Stückzahlen. Die J-Customs basierten damals auf den RG- und S-Serien und waren besonders für den lukrativen heimischen (japanischen) Markt zugeschnitten. Im ersten Produktionsjahr 1997 wurden nur sechs ausgewählte Modelle - darunter auch die RG-ART, die mit ihrer aufwendigen mehrfarbigen Beiztechnik Vorbild für das John Petrucci Anniversary-Modell wurde, und die RG-METAL, an deren Erscheinungsbild sich die 90th Anniversary JEM deutlich orientiert - außerhalb Japans angeboten. Aber die J-Custom-Serie ist ein Kapitel für sich und soll hier nicht weiter betrachtet werden.
Custom Made ist nicht Custom Shop
An dieser Stelle muss ich ein hartnäckiges Gerücht aus der Welt schaffen! In einigen Baujahren ab 1991 bis Mitte der 90er Jahre wurden viele Ibanez-Gitarrenmodelle aus japanischer Fertigung mit einer kleinen Plakette am Griffbrettende ausgestattet - vor allem die oberen Saber-Modelle und andere 22bündige Instrumente wie etwa die Radius R540. Diese Griffbretteinlage im 21. Bund trägt den Schriftzug "Custom Made" - obwohl die Gitarre rein gar nichts mit Custom Shop oder Kundenauftrag zu tun hat! Kenner wissen, dass diese Bezeichnung im japanischen Jargon offenbar nichts anderes bedeuten soll als "besonders hochwertig" und "top of the line" - viele Verkäufer auf ebay oder sonstwo wissen das nicht (oder ignorieren es) und betiteln ihre Angebote völlig falsch und sogar irreführend. Es handelt sich nämlich um ganz normale Seriengitarren, die nie limitiert waren und erst recht keine Einzelstücke sind. Selbst wenn Tonabnehmer mit dem Schriftzug "IBZ USA" verbaut wurden (gab's übrigens schon 1987), hat das genausowenig zu bedeuten - das ist wiederum nichts anderes als ein Hinweis auf OEM-Ware von DiMarzio, d.h. exklusiv für Ibanez hergestellte Pickups. Also: Schau genau, "custom made" ist in diesem Fall nicht "custom shop".
Heutzutage
Heute arbeitet der Ibanez USA Custom Shop nach wie vor nicht öffentlich. Der Shop baut, entwirft und repariert Gitarren für Endorser, also diejenigen Künstler, die bei Ibanez unter Vertrag stehen und als Werbeträger fungieren. Außerdem liefert der USA Custom Shop viele Ideen für den japanischen Markt, die dann wiederum vor allem als J-Custom-Gitarren das Licht der Welt erblicken. Eines dieser Lebenszeichen war die CSD-Serie - Custom Shop Designed - mit den Modellen USRG6-CSD1, USRG6-CSD2, USRG7-CSD1, USRG7-CSD2, USRG7-CSD3 sowie zwei Modellen mit S- bzw. AX-Form, die in Japan hergestellt wurden.
Möglicherweise, ja hoffentlich, wird der USA Custom Shop eines Tages wieder seine Türen für Normalkunden öffnen. Es gäbe sicher ein großes Interesse, da viele derjenigen Gitarristen, die vor 15 Jahren träumend vor den Postern standen oder mit leuchtenden Augen in den Katalogen blätterten, nun auch finanziell in der Lage sind, sich ihre Träume von einer Ibanez USA Custom-Gitarre zu erfüllen.
Ich hoffe, ihr hattet ein wenig Spaß beim Lesen! Falls jemand eine Ibanez USA Custom-Gitarre besitzen sollte, kann er in diesem Thread seine Bilder posten und wir können dann drüber fachsimpeln.
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