Die "Kirchentonleitern" stammen aus der Frühzeit der abendländischen Kirchenmusik (die Namen sind den altgriechischen Skalen entlehnt, haben mit diesen und dem altgriechischen Tonsystem aber nichts zu tun). Sie sind ursprünglich an einstimmige Melodien gebunden gewesen, du,
@janole28, wirst sicher von den "Gregorianischen Gesängen" gehört und dich möglicherweise von diesen inspiriert haben lassen.
Aus der Verwendung in der Kirchenmusik, den klösterlichen monodischen Gesängen kommt die umgangssprachliche Benennung als "Kirchentonleitern".
Genauer werden sie als "modale" Skalen bezeichnet, denn die verschiedenen Skalen (ganz ursprünglich diese vier: dorisch, phrygisch, lydisch und mixolydisch) sind je eigene Modi mit einem je eigenen Intervallspannungen, da die Halbtonschritte jeweils an einer anderen Stelle stehen. Sie haben daher jeweils auch ein besonders charakteristisches Intervall:
- die dorische (große) Sexte
- die phrygische (kleine) Sekude
- die lydische (übermäßige) Quarte
- die mixolydische (kleine) Septe
Aus diesem Kontext leiten sich dann auch die jeweiligen "Finalis" und "Repercussa"-Töne ab.
Den Wikipaedia-Artikel dazu finde ich recht informativ:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchentonart
Dieses modale System dominiert vom frühen Mittelalter bis ins 16. Jahrhundert, wobei sie wie gesagt ursprünglich eng mit der Einstimmigkeit verknüpft waren, also als rein melodisch gedachte Skalen funktionierten. Das funktionierte auch noch sehr gut in der frühen Mehrstimmigkeit, die vorwiegend polyphon gestaltet war.
In Kontexten von Harmoniefolgen und homophonischem Gestalten funktionier(t)en sie weniger gut, wobei sich vor allem für Schlusswendungen mit der Zeit die sog. "Klauseln" heraus bildetet, quasi stereotype, zunächst auch rein melodische Schlussfloskeln, typisiert für jeden Modi.
Aus diesen Klauseln entwickelte sich schließlich die harmonische Kadenz, zusammen mit der Ausformung der Dur- Moll-Tonalität, wie sie schließlich etwa ab dem 16. Jahrhundert immer mehr dominierte.
Als Zwischenschritt darf man die Modi "ionisch" und "äolisch" betrachten, wie schon erwähnt wurde. Aus ionisch wurde das moderne Dur, aus äolisch Moll (der Modus äolisch entspricht dem "natürlichen" Moll).
Dabei wurden schon ziemliche früh Alterationen benutzt, z.B. wurde aus dem dorischen H mit einem Vorzeichen ein Be gemacht, wodurch sich der dorische Modus ins äolische wandelt usw.
Wichtig ist bei der Ausarbeitung einer modalen Melodie, sich gut in die jeweiligen melodischen Spannungsverläufe ein zu hören, in die "Sogwirkung" der Töne Finalis und Repercussa und in die Klanglichkeit des jeweiligen charakteristischen Intervalls. Dazu sollte man sich dann auch ein wenig mit den Klauseln beschäftigen, die zu den Charakteristika nun mal unbedingt gehören. Und im weiteren natürlich auch mit den Möglichkeiten der Harmonisierung, die logischerweise von denen im Dur- Moll-System abweichen.
Man kann sich auch mit modalen Melodien einer Dur-Moll-tonalen Harmonik bedienen, was aber oft der modalen Charakter des Gesamtklangs etwas verwischt.
Ich gebe zu, ich schreibe hier viel theoretischen Kram, ich wollte aber noch mal die Zusammenhänge deutlich machen, die zu berücksichtigen sind, wenn du etwas modales verfassen möchtest. Damit es dann auch möglichst modal klingt.
Musikalisch-praktisch möchte ich dir unbedingt das intensive Anhören gregoriansicher Gesänge empfehlen. Hier gibt es reichlich Hörbeispiele:
https://www.youtube.com/user/GradualeProject
Zu deinem Satz muss ich leider kritisch anmerken, dass ich ihn in vielerlei Hinsicht nicht gelungen finde.
Er ist im ganzen "nicht Fleisch, nicht Fisch" und enthält etliche Ungeschicklichkeiten. Die Melodie wirkt schon mal gar nicht wirklich modal, auch wenn sie gewisse dorische Elemente enthält.
Mit den anderen Stimmen gibt es oft unsisono-Parallelen, die klanglich schwach wirken, dann aber auch wieder Sekundreibungen, auch noch direkt aufeinander folgend (Takt 5), die klanglich durch nichts motiviert und begründet werden.
Harmonisch finden sich Dur-Moll-tonale Elemente, die nicht ins modale Umfeld passen. In Takt 3 scheint plötzlich ein Septakkord auf (notiert G7), aber solche Dur-Septakkorde sind im modalen Umfeld streng zu vermeiden, da sie im wahrsten Sinne des Wortes ´dominant´ im Dur-Moll-System sind (als Dominant-Septakkord).
Vielleicht wäre es eine gute Vorübung, erst mal eine existierende modale Melodie zu vertonen, vielleicht auch erst mal in einem homophonen Satz (Stichwort "Kantionalsatz"), später auch mit polyphonen Elementen.
Im Wiki-Artikel findet sich am Schluss eine kleine Liste mit modalen Choralmelodien.
Gruß, Jürgen