Einige Lieder in unserem alten Oevre könnte man als Komplementär-Stücke bezeichnen. Sie entstanden in einem ähnlichen Zeitraum und behandeln ein Thema von zwei entgegengesetzten Seiten aus. Zwei dieser Lieder, die - obwohl nie konkret so gedacht - so gesehen werden könnten, will ich heute vorstellen. Sie behandeln die Sujets
Gott/Paradies und
Teufel/Hölle. Ich denke, dem haben sich viele Musiker schon gewidmet. Letzterem vielleicht noch viel mehr. Beginnen wir deshalb mit diesem.
Das Stück heißt
From the Underground
https://soundcloud.com/williamsbirne/from-the-underground
Ursprünglich hatte ich es
"Happy Song from the Underground" genannt, weswegen es in der Band sogar zeitweilig ironisch unter
"Happy Song" gehandelt wurde. Den langen Titel fand ich aber irgendwann zu sperrig und änderte ihn in den jetzigen. Der Gedanke hinter dem Text ist folgender:
Gott verlangt vom Teufel, sich einmalig den Menschen als der erkennen zu geben, der er ist. Der Teufel muss also seinen wahren Charakter offenbaren. Da Gott mächtiger als der Teufel ist, kann letzterer nichts dagegen ausrichten. Da sein Charakter aber nichts Wahres kennt, außer um es wiederum als Waffe zu einem bösen Zweck einzusetzen, ist die Wahrheit seiner Selbstoffenbarung durchdrungen von Zynismus und Verachtung. Bei dem Text habe ich länger mit mir gerungen, ob man das als religiöser Mensch so machen sollte - den Teufel aus der Ich-Perspektive singen lassen. Ich fand aber keine vergleichbar "überzeugende" Herangehensweise. Aus der dritten Person so singen hätte mMn zu viel Distanz transportiert und dem Thema die Eindringlichkeit genommen.
Der Text ist sehr komplex, weil der Teufel auf zwei Ebenen gleichzeitig spricht. Einmal offenbart er tatsächlich einige seiner Züge ( -> die fließend gesungenen Passagen: bspw.
I must reveal myself / with lust I deal and wealth); zum anderen beleidigt er die ganze Zeit Gott, indem er Begriffe verballhornt oder behauptet, Er und er wären ja im Grunde "wie Brüder" usw.
Im Refrain droht er dann:
my organization includes all populationclass in every nation: colonialization!
Bei Interesse stelle ich einmal den ganzen Text ein. Auch nach 16 Jahren halte ich ihn immer noch für gelungen.
Das Hauptthema der Gitarre, eine Art permanentes Riff, ist eine simple, aber wirkungsvolle Idee. Nur die Umsetzung hat wie so oft nicht ganz geklappt. In der Tonart A-Moll (und dem wichtigsten Wechsel E-Dur) werden alle Stufen als Grundton und Terz durchgespielt, wobei der Rhythmus immer gleich bleibt und der Grundton auf der E-Saite und die jeweilige Terz auf der A-Saite gespielt wird.
Bei der Aufnahme ist leider einiges schief gegangen. Wir haben das Teil erst Jahre nach der Trennung aufgenommen - einfach, um die Idee einmal als Demo festzuhalten. Zu keinem Zeitpunkt war die ganze Band anwesend, weswegen von den anderen beiden einiges aus der Erinnerung eingespielt wurde und ich - der allein wusste, wie der Aufbau richtig gewesen wäre, aber erst Tage später dazu kam - nichts korrigieren konnte. So wusste unser Schlagzeuger bspw. nicht mehr, dass die Strophen in jeweils drei anstatt zwei Unterstrophen unterteilt waren. Er spielte zwei - ich musste dann beim Einsingen den Text in die Stellen reinquetschen, die eigentlich Intro bzw. Übergang gewesen wären. Deshalb ist das Stück jetzt so kurz und hektisch.
Im Instrumentalteil hat der Bassist 16 Takte lang A gespielt, obwohl eigentlich 4x A - HC - F - E gekommen wäre. Deshalb ist es nun so, wie es ist. Bei unseren Aufnahmen spielten leider oft Zeitmangel und nicht ausreichende Vorbereitung eine Rolle...
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Das zweite Stück, das ich heute vorstellen will, heißt
Love is home here
https://soundcloud.com/williamsbirne/love-is-home-here
Bei dieser Aufnahme - wieder ein Proberaum-Demo - haben wir uns mehr Mühe gegeben. Es wurde bis auf den Gesang live eingespielt und mit unserer alten Bandmaschine aufgenommen. Es stammt wie
From the Underground aus dem Jahr 2001 und ist, wenn mich nicht alles täuscht, das letzte Lied, das wir regulär zu Bandzeiten (also die erste Band) gemacht haben.
Die Aufnahme dürfte kurz vor unserer Bandauflösung in der ersten Hälfte 2002 entstanden sein.
Wir waren uns in der Band glaube ich immer unausgesprochen einig, dass
Love is home here eines unserer besten Stücke gewesen ist. Ich habe es zwar geschrieben, aber der Walking-Bass war eine spontane Eingebung unseres Bassisten und auch unser Schlagzeuger hat sich in dem langen Solo-Teil mehr verwirklicht, als in anderen Stücken.
Love ist home here bot jedem ausreichend Freiheit und klang trotzdem (v.a. live) wie aus einem Guss. Es war eingängig und für unsere Verhältnisse ganz schon jazzig - eine Stilrichtung, die für uns selbst auch Neuland war. Der Moment im Solo, an dem ich die hohe E-Saite im 22. Bund anderthalb Töne hochziehe - das ist der höchste über das Griffbret erzeugte Ton unserer Musik in der Bandzeit. Für mich ist das irgendwie symbolisch: es war in songwriterisch-musikalscher Hinsicht vielleicht unser Höhepunkt. Und gleichzeitig das Ende der Band.
Textlich beschreibt
Love is home here einen imaginären Ort, an dem alle sich mit Liebe behandeln, Alte und Junge sich respektieren und sich aneinander freuen, Behinderte wert geschätzt und in die Mitte genommen werden, Löwe und Rehkitz beieinander liegen und am Abend "the Lord" auf einen Spaziergang vorbei kommt und fragt, ob er irgendetwas für irgendeinen tun könne, doch keiner hat ein Leiden, welches er klagen müsste...
Ich hatte damals wegen einer Frau ein paar schwere Monate durchzumachen. Es gab Zeiten, da konnte ich mir nicht vorstellen, jemals wieder glücklich zu werden. Wie das halt so ist. Dann gab es einen Tag - einen sonnigen frischen Sonntag - an dem ich ein so ungezwungenes, herzliches und freies Miteinander von Menschen miterlebt habe, dass ich richtig aufatmete, wie verwandelt nach Hause ging und dieses Lied schrieb.
In musikalischer Hinsicht gefällt mir bis heute die Idee, die Akkordfolge der Strophe ( F - C - Dm - Bbmaj ) für den Refrain mit dem A-Akkord so aufgebrochen zu haben ( F - A - Bbmaj - C ), dass plötzlich eine ganz neue Farbe in Spiel kommt und dieses Refrain-Feeling da ist, obwohl man bis auf eben diesen einen Akkord gar nichts weiter geändert hat.
Das Ende ist auch sehr schön geworden. Natürlich alles wieder nur Demo-Qualität.