Williamsbirne - alte Songs & Demos

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In den nicht einmal 7 Jahren ihres Bestehens (von August 1995 bis Juni (?) 2002) durchlief meine erste Band - und wir alle mit ihr - eine faszinierende Entwicklung. Nach abgeschlossener Berufsausbildung, Fachabitur und nicht angetretenem Bauingenieurstudium (ich wollte lieber Musik machen) kam ich wieder in meine Heimatstadt zurück. 4 Jahre war ich weg gewesen. In dieser Zeit hatte ich die Gitarre für mich entdeckt. Auch erste Versuche, Texte zu schreiben und Melodien zu entwickeln hatte ich schon unternommen. Alles, was ich nun wollte, war eine Band.
Obwohl ich noch keine praktischen Erfahrungen hatte und es eigentlich gar nicht wissen konnte, wusste ich dennoch irgendwie, dass ich viele fantastische Rock- und Popsongs schreiben wollte. Genaugenommen war das alles, was ich für den Rest meines Leben tun wollte.

Auf der Abschiedsparty einer Bekannten - sie ging als Au Pair in die USA - lernte ich jemanden kennen, der sagte, er wäre Schlagzeuger in einer Band. Den Rest des Abends unterhielt ich mich nur noch mit ihm. Bald war klar: wir hatten ähnliche Vorlieben. Wir standen beide auf Intros und auf Outros, auf Lieder, die er als "Werke" bezeichnete (später, in der Band, gab es für uns immer zwei Kategorien von Songs: Lieder und Werke; beides musste in einem guten Verhältnis zueinander stehen - Pi mal Daumen 5:1, d.h. auf einem 12-Song-Album müssten 10 Lieder und 2 Werke drauf sein...).

Er lud mich in seine Band ein - eine Gymnasiumsband, die etwa 5 Lieder nachspielte. Der Gitarrist war Metaller und hatte kein Rhythmusgefühl. Er tappte und dachte, das würde alle beeindrucken. Aber schon beim Hm-Akkord ging das Herumgesuche auf dem Griffbrett los. Die Band spielte auch Sweet Child o' Mine. Und ich konnte ausgerechnet von diesem Stück nicht nur die Soli ziemlich amtlich spielen - ich konnte es auch noch singen. Das heißt, ich wurde vom Fleck weg engagiert. Mein Ziel war jedoch, eigene Songs zu schreiben. Auch der Schlagzeuger wollte das. So schrieb ich bis zur übernächsten Probe einen ziemlich knalligen Hard-Rock-Song, der alles beinhaltete, was man brauchte, um die einzelnen Gemüter zu beeindrucken - ein gutes Riff, eine heiße Melodie, ausufernde Soli und sogar einen kleinen Opernteil, den wir die Musiklehrerin singen lassen wollten (die war jung und etwas alternativ drauf). Sie hat es aber dann doch nicht gemacht - wahrscheinlich weil ihr der Text zu versaut war ... jedenfalls für eine Musiklehrerein aus einem Gymnasium ;-)
Im Grunde kam im "Opernteil" (jemand musste ein paar Takte Sopran singen) nur das Wort "stud" (Hengst) für den Typen vor, nicht mehr... Aber es war schon explizit. Das Teil hieß Pistol, womit eine Frau gemeint war, und bekam Anklang, als wir es bei unseren ersten Auftritt in der Spielpause der Lokalmatadoren-Band zusammen mit 5 Coversongs spielten.

Bald wurde klar, dass es mit dem anderen Gitarristen nichts werden würde. Sein ewiges Herumgemäkel, seine Zweifel, sein Nein zu unserem Ja, und auch die beschränkte Musikalität waren wie ein Bremsklotz. Ich wollte vorwärts, wollte, dass die Band sich entwickelt. Im Grunde war es allen klar, dass es mit dem anderen Gitarristen nicht gut gehen würde. So klingelten wir eines Abends zu dritt an seiner Haustür und teilten ihm mit, dass er nicht mehr in der Band ist. Er und vor allem seine Freundin haben das nicht gut verdaut und hintenherum Gerüchte v.a. über mich gestreut. Doch das legte sich wieder und die Band war endlich bereit, loszulegen.
Und das tat sie.

Von 1996 bis 2001 schrieb ich mehrere Dutzend Lieder, von denen wir etwa 45 mit der Band umsetzten. In diesen 6 Jahren eroberten wir uns quasi die gesamte Popgeschichte im Schnelldurchlauf. Wir begannen mit bluesgeprägtem Hardrock (der Schlagzeuger war von Zeppelin, Iron Maiden und der ungarischen Band Edda, der Bassist sehr von Nirvana beeinflusst; beim mir war es eher Queen und die Gunners). Nach 8 guten Hardrocksongs begannen die Stücke popppiger zu werden. Ich hörte in dieser Zeit viel Prince - das wurde meine neue Leidenschaft. Ab 1997 hatten wir eine Phase, in der wir jedes Jahr mindestens 2, 3 Songs heraushauten, die das Zeug zu richtigen Klassikern hatten. Ich verfolgte damals öfters das Ziel, definitive Endformen für genretypische Songs (oder auch für bestimmte Tonarten) zu schreiben. War Livin' o a Prayer der perfekte Hard-Rock-Pop-Mitgröhl-Hitsong, dann wollte ich einen noch besseren schreiben. Ich hatte mir eine Kompositionsmethode ausgedacht, die recht gut funktionierte - nämlich sich zwei "Elternsongs" zu denken, die ich in meiner Phantasie miteinander kreuzte. Das daraus entstehende Produkt, quasi der "Kind-Song" dieser beiden Eltern, wurde dann das, was ich schrieb.

Ich war in dieser Phase unglaublich inspiriert. Alles war Musik und alles konnte ich in Musik verwandeln. Es hätte jemand einen Furz lassen und sagen können, mach mal was draus - und ich hätte ihm ein interessantes kleines Lied geschrieben. Einmal meinte der Schlagzeuger, er habe vorhin in der Badewanne eine "unglaublich gute Idee" für ein Riff gepfiffen. Er wisse aber nicht mehr wie das Riff ging. Nur das Tempo könne er noch sagen - schnell. Und im Shuffelrhythmus. Dieses Nichts an Information (dass er es in der Badewanne gepfiffen hatte, nicht was !) genügte mir um mir vorzustellen, wie es geklungen haben könnte. Wir improvisierten kurz im Proberaum über geshuffeltes Tempo 190 (ich dachte dabei konzentriert an ein in der Badewanne gepfiffenes Hardrock-Riff das es noch nicht gibt), nahmen es auf Kassette auf - und eine Woche später war der nächste "Klassiker" fertig. So war das damals...
Ich träumte in dieser Zeit fertige Lieder, brauchte nur aufzustehen und sie aufzuschreiben. Ich hatte Unmengen an Ideen, die ich alle festhielt - für Tage, an denen die Muse mich einmal nicht mehr so küssen würde.

Ende 1999 dann kam es zu einer ersten Trennung, die etwa ein halbes Jahr währte. Ich kaufte mir von meinem gesamtem Ersparten ein funkelnagelneues Kurzweil K2600 X mit 88 Tasten in Hammermechanik. Ich hatte das Teil schon Wochen vor seiner Markteinführung bestellt und war bestimmt einer der Ersten, der das Teil in Deutschland besaß. Mit dem Keyboard schmerzte die Trennung nicht ganz so arg, da ich viel experimentiert und das ganze Klangspektrum erkundet habe. Immer wieder neue Ideen, ich begann ein bisschen mit elektronischer Musik, programmierte, arrangierte Streicher...

Im April 2000 dann besuchte mich der Schlagzeuger und brachte ein kleines Gitarren-Lick mit (0:04 - 0:08 min), das er sich ausgedacht hatte. Schon während er es mir vorspielte, hörte ich im Kopf, wie sich das Gitarrenthema zwingend weiterentwickeln musste (0:38 - 0:47 min). Ich probierte kurz herum, nach einer Minute hatte ich es. Wir beschlossen, mit der Band weiter zu machen - und waren mit dem neuen Lied im nächsten Genre angelangt: Jazz-Pop. Ich hatte nie Jazz gehört - allenfalls im Vorbeigehen. Aber intuitiv wusste ich, wie ich den Song zu machen hatte. Für mich wurde er zu einem der wichtigsten Stücke, die ich je geschrieben habe. Ich nannte ihn

Summerrain

https://soundcloud.com/williamsbirne/summerrain

Wichtig wurde er für mich deshalb, weil ich zum ersten Mal nicht in Akkorden, in Powerchords, in Grundtönen und Harmoniefolgen dachte, sondern rein melodiös. Das Gitarrenthema besteht aus einem Dreiklang-Melodieschnipsel ohne Grundton. Der Bass bringt zwar die harmonische Einordnung, spielt aber selbst ein vom Gitarrenthema unabhängiges, freies Walking-Bass-Thema. Darüber kommt der Gesang - ebenfalls wieder mit einer eigenen Melodie, die ihrerseits auch ohne die anderen Bauteile funktioniert. Summerrain war in seiner Einfachheit aber auch dem stimmigen Aufeinander Bezogensein der einzelnen Bausteine mein bis dahin vielleicht rundester Song. Im Break suchte ich lange nach passenden Akkorden oder überhaupt irgendeiner Gitarren-Ergänzung, konnte aber keine finden. Also beließen wir es bei den Bass-Tönen.

In dieses Schema - drei von einander ziemlich unabhängige Themen, die jedes auch für sich funktionieren würden, aber erst in der Kombination das eigentliche Lied ergeben - habe ich mich sofort verliebt. Acht Jahre später versuchte ich dann das, was ich in Summerrain so unbeschwert entdeckte, in einem entsprechenden "großen" Gegenstück bis zum Maximum zu treiben. Was zu Winterball führte. Dort habe ich die Unabhängigkeit der drei thematischen Bereiche Gitarre-Bass-Gesang zusätzlich auf die Dimension der X-Achse - also der Zeit - erweitert. Es gibt chronologisch keine Wiederholung! Kein Thema, kein Muster, kein Schema, das zwei Mal kommt (außer in dem Art Kehrreim, und den Gitarrenakkorden innerhalb der ersten "Strophe"). Der Bass spielt 8 Minuten lang irgendwelche Melodien, Phrasen, die den Text plakatieren sollen, es kommt (ab der zweiten Strophe) nie ein Gitarren-Akkord zwei Mal und der Gesang ist auch völlig frei. Aber: man merkt es nicht! Nach Winterball brauchte ich zwei Monate Pause vom Songschreiben...

Zurück zu Summerrain - dem Stück, ohne das es Winterball wahrscheinlich nicht gegeben hätte. Auch wenn der Song mglw. auf Außenstehende unspektakulär wirkt - für mich war es ein großer Schritt nach vorn, um beim Komponieren freier zu werden. Auf meiner persönlichen Liste meiner besten/liebsten Songs rangiert er bis heute mindestens unter den Top Fifteen. Nach Summerrain waren wir mit der Band frei, alles zu machen. Wir hatten uns quasi selbst gefunden. Wir konnten in allen Genres wildern und alles zu unserem machen - es passte alles, es funktionierte alles. Nach Summerrain kamen noch ein ein Song im Stile der Chili Peppers, es kam Magnolia (bei dem ich auch die zwei-Eltern-Methode anwandte), es kam Soul und Funk im Stile von Sly an the Familiy Stone, es kam Pop, Hardrock, experimentelles Zeug und noch einmal Jazzpop. Und immer war es unsere Band. Wir hatten einen Auftritt in der Stadthalle in der Weihnachtszeit, zu dem wir einige Pop- & Weihnachtsklassiker verjazzten und halb-unplugged spielten ... Wunderbare Jahre....

Wenn ich mich recht entsinne, hat unser Bassist für die Aufnahme von Summerrain sogar einen Kontrabass angeschleppt gebracht. (Bin mir aber nicht mehr sicher. Vielleicht hört es ja jemand heraus - es klingt wie sein Jazzbass, aber ich sehe immer das Bild vom Kontrabass vor mir...)
Beim Gitarrensolo habe ich versucht, den Klang der Brian-May-Gitarre zu imitieren - Halstonabnehmer, dezente Verzerrung und Höhen an der Gitarre voll weggenommen. Für eine PRS ziemlich nahe am Queen-Sound, finde ich. Das einzige, was mich etwas ärgert ist, dass mir am Ende ein bisschen Text fehlte und ich völlig sinnloses Scham-damm-Dub-di-duu gesungen habe...
 
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Vielen Dank für die schöne Geschichte - und laaanng! ;) Gibt es denn auch Fotos aus der Zeit?

Summerrain erscheint wirklich nicht sehr spektakulär, aber wie Du es schilderst, ist der Song irgendwie ein 'landmark' in Deiner Entwicklung. Übrigens empfinde ich das Ende überhaupt nicht schlecht, eher im Gegenteil.
 
Gibt es denn auch Fotos aus der Zeit?
Irgendwo ja. Aber die sind bei Umzügen in Fotokartons ganz weit unten verschwunden und warden seitdem nicht mehr gesehen.
Die Medienverwaltung unserer Band hat immer der Schlagzeuger in den Händen gehabt.
 
Du machst schöne und vor allem auch interessante Musik, hast eine Menge Hintergrundinfo parat, aber wie Du zugibst, ist Deine/Eure Medienverwaltung miserabel. Ja, das ist mein Ausdruck dafür. Fehlende Fotos könnte man ja noch verschmerzen, aber vor allen Dingen bist Du der Ursprungstracks verlustig gegangen - hast Du in einem der vorangegangenen Posts so beschrieben. Sowas dürfte überhaupt nicht sein! Du hast doch das Urheberrecht inne. Niemand kann so ohne Erklärung Tracks einbehalten und nicht rausrücken. Das ist sogar justiziabel! Ich an Deiner Stelle würde alles dran setzen, das fehlende Material wieder herbei zu schaffen. Insbesondere die Tracks/Stems/Bänder. Von den Fotos gibt es vielleicht noch Negative, so dass die Papierbilder nicht so wichtig sind.

Du glaubst gar nicht, wie wertvoll diese "Dinge" sind. Mit jedem Jahr, das verstreicht, werden sie wertvoller. Du hast nur 15-20 Jahre, die Du rückwirkend "wiedergewinnen" solltest. Das ist (fast) noch überschaubar. Fang an. Ich kann Dich da absolut nur ermutigen, dies zu tun.
 
Das Zeug von der ersten Band ist alles noch da.
Nur die 10 Tracks von der zweiten nicht.

Aber unabhängig davon habe ich von vielen Songs Kopien beim Notar hinterlegt.
 
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Heute will ich Euch mitnehmen in einen Moment, der zeigt, wie meine Songs manchmal entstehen. Nur selten hatte ich das Glück, einen solchen Moment zufällig auch aufzunehmen. Meine erste Tochter - unser erstes Kind - war noch nicht lange geboren und lag auf unseren Sofa. Sie strampelte mit ihren Beinchen und quietschte fröhlich. Ich saß daneben und spielte Gitarre, der Computer lief, Garage Band an, Bildschirmmirkro ... und heraus kam folgende Improvisation, bei der mir besonders der B-Teil gut gefällt. Wie gesagt - ich habe das nicht komponiert. Die Idee gefällt mir bis heute und vielleicht wird irgendwann ein richtiger Song draus.

Beinchen, schnell

https://soundcloud.com/williamsbirne/beinchen-schnell

Unser erstes Kind hat mich damals in einen richtigen kreativen Höhenflug versetzt. Ich schrieb in jener Zeit die meisten Lieber innerhalb des Vergleichszeitraumes von einem Jahr, darunter mehrere Lieder für sie, ich probierte ganz neue Songstrukturen aus und war auch textlich sehr experimentiergfreudig. Hier - weil das obige Fragment dann doch etwas zu wenig ist - ein "richtiger" Song aus eben dieser Zeit. Er war meist der Eröffnungssong bei den Auftritten mit der zweiten Band, allgemein ziemlich beliebt und heißt

Frogs

https://soundcloud.com/williamsbirne/frogs

Frogs ist aufgebaut AB(CD)(CD)BA. Quasi von vorn und hinten fast symmetrisch - ein Schema, das ich noch nirgendwo sonst gehört und das ich auch selbst in keinem anderen Stück verwendet habe.

Es gab damals in unserem Viertel einen Typen, der so eine Art (pseudo)christlicher Grufti-Treffen veranstaltete. Ich bin da mal mit dort gewesen, weil die erste Rhythmussektion meiner zweiten Band Gruftis (bzw. Gothics) und dort mit von der Partie waren - zusammen mit einem Maler mit langen, schneeweißen Haaren, einem Kundalini-Tantra-Aussteiger, einem Gothic-Wanderprediger, zwei Frauen und anderen. Alle waren irgendwie auf der Suche und der Typ hat sie um sich geschaart. Es wurden Räucherstäbchen angezündet, das Licht gedimmt und über Übersinnliches, Zahlenmystik und christliche Symbolik diskutiert. Vordergründig ging es ganz sanft zu, unter der Decke aber war es wie überall in sektenartigen Strukturen: ein Manipulations- und Machtspiel. Der Bassist und der Schlagzeuger wollten denn auch lieber weiter in den Gothic-Kreisen ihre melancholische Musik machen und haben sich nach wenigen Proben wieder von mir getrennt. Mit den nächsten Leuten hatte ich mehr Glück - das wurde dann die eigentliche zweite Band.

Im Text zu Frogs dachte ich mir in Anlehnung an den Gothic-Typen, bei dem die Treffen statt fanden, die Geschichte eines Mannes namens Frankie Smith (ich wollte das Lied erst so nennen) aus, der einmal eine BBC-Dokumentation über das weltweite Aussterben der Frösche gesehen und beschlossen hatte, zu Rettung der Welt mit kolumbianischen Pfeilgiftfröschen zusammen zu ziehen. Er lebt da also in seiner Wohnung, aus der er kaum heraus kommt, kriegt Hartz IV, starrt auf die Frösche im Terrarium, hat Angst vor dem "Schwarzen Mann aus Voodoo-Land" und sinniert über das Ende der Welt. Er sagt: "Man muss doch etwas unternehmen!" Im Text findet, neben etwas englischem Da-Da - mehr oder weniger sinnfreien Reimen - dann ein virtuelles Gespräch zwischen mir und ihm statt, in welchem ich ihn davon zu überzeugen versuche, dass er durch solche Aktionen seine Seele oder die Welt nicht retten kann - was er aber zurückweist.
Von diesem Gespräch wiederum berichte ich im Song ebenfalls meiner Tochter als Beispiel dafür, wie sie es einmal nicht machen sollte. Also ein Lebensrat: denke bitte immer an Frankie Smith, den Mann mit den Pfeilgiftfröschen. ;-)


Natürlich bin ich auch bei dieser Aufnahme wieder mit vielem unzufrieden. Der Bass sollte ein knallharter, glasiger Slap-Bass sein. Da ich damals wegen einer Erkrankung unseres Bassisten alle Bässe selbst einspielen musste, aber eben kein Bassist war, habe ich das nicht hinbekommen. Weder von der Technik, noch vom Sound. Es mulmt und mumpfelt ... furchtbar.
Im "Refrain" (the Frogs are dying out) sollte eigentlich eine brutale, harte Metalgitarre erklingen. Ich wollte dort einen maschinenhaften Klang. Auch das habe ich versemmelt. Zu mumpfig und leider mono. Dennoch ist die Aufnahme immerhin so geworden, dass man sich vorstellen kann, wie der Song gemeint ist.
 
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Wie alt warst Du denn zu Zeiten von Beinchen, schnell ? Ich glaube nämlich, dass es eine besonders kreative Phase im Leben eines Jeden (Musikers) gibt, zu der Songs und Ideen nur so aus einem herausfließen. Gab es bei mir auch, aber ich bin mir nicht sicher, welche Rahmenbedingungen dafür notwendig waren. Altersmäßig würde ich diese meine größte Kreativphase bei 20 bis 26 Jahren ansiedeln, so grob. Plus minus. Ich denke, dass da schon ein kleiner Funke genügt, irgend ein geringer Anlass, und schon entsteht daraus eine Welle von Melodien. Das erging Dir bei Deinem Kind sicher genauso.

Zu Beinchen, schnell fiel mir beim Anhören auch gleich ein Analogon auf meiner Seite ein: Darf ich die Geschichte kurz loswerden? - Eigentlich gab es in meiner Band nur 2 Personen, die hin und wieder mal eigene Songs vorstellten, wovon ich (in aller Demut) als Gitarrist wohl die meisten beitrug. Die Kooperation mit den anderen drei Mitgliedern litt aber keineswegs darunter, sondern wirkte beflügelnd. Unser Drummer und der Bassist hatten nie etwas vorgestellt oder vorgeschlagen. Es ergab sich aber, dass ich mein großes Tonbandgerät mal für 2-3 Wochen an den Bassisten verliehen hatte, der mich darum gebeten hatte und es nach einer Weile wieder zurück bekam. Nur durch Zufall entdeckte ich gemeinsam mit unserem Drummer, dass dort irgendwas aufgenommen worden war. Wir beiden waren schrecklich albern und nahmen zu der gefundenen Demo, die nur aus einem Vorzähler, langsamen Akkorden und einem Metronom bestand, "Vocals" auf, die man eigentlich kaum als solche bezeichnen konnte, denn sie bestanden aus mehr oder weniger obszönem Gestöhne und schwerem Atmen, versetzt mit ein paar Gaga-Wörtern. Wir hatten gewaltig Spaß dabei und lachten uns über die komische Erweiterung der Aufnahme schlapp. Irgendwann spielten wir das veränderte Fragment dem Bassisten vor, der ganz entrüstet und ziemlich sauer reagierte - dabei hatte jener sonst ebenso den Schalk im Nacken und war sich keines Ulks zu schade - und das war auch das letzte, was jemals aus seiner Ecke irgendwie vorgestellt wurde... Ich bedauere heute ein wenig, das "Blümlein seiner Kreativität" dermaßen in moddrigem Schlamm erstickt zu haben, dass es sich nie wieder erholte. Tja, man macht halt Fehler und man sollte sich nicht auf Kosten anderer amüsieren. Da war ich so um die 20 Jahre alt. Aber lächeln, wenn ich die Aufnahme höre, muss ich immer noch.

Frogs hat mir gut gefallen. Abgesehen von der Songstruktur, die durchaus "ohrenfallig" ist - kommt gut - spricht mich die Rauhheit und Erinnerung an etwas Ursprüngliches, Wildes, an. Der Song kommt mMng nach an Werke von Peter Gabriel ran. Klar, man sollte in dieser Hinsicht nicht die Studiotechniken vergleichen, sondern nur die Ideen, die hinter den Songs stecken. Aus welchem Jahr stammt der Song?
 
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An übertriebenes Herumgestöhne im Proberaum bei weit geöffnetem Fenster zur Straße kann ich mich auch noch erinnern... ;-)
Harmlose Dorfkids, die auch mal bisschen nasty sein wollten...

Aus welchem Jahr stammt der Song?
Frogs ist von 2008.
2008 war überhaupt eines meiner besten Jahre. Zwar nicht das Jahr, in dem ich die meisten Songs geschrieben habe, aber das Jahr mit den meisten Songs (7), die den Rang von persönlichen Klassikern auf meiner Liederliste erreichen.

Wie alt warst Du denn zu Zeiten von Beinchen, schnell ? Ich glaube nämlich, dass es eine besonders kreative Phase im Leben eines Jeden (Musikers) gibt, zu der Songs und Ideen nur so aus einem herausfließen. Gab es bei mir auch, aber ich bin mir nicht sicher, welche Rahmenbedingungen dafür notwendig waren. Altersmäßig würde ich diese meine größte Kreativphase bei 20 bis 26 Jahren ansiedeln, so grob. Plus minus. Ich denke, dass da schon ein kleiner Funke genügt, irgend ein geringer Anlass, und schon entsteht daraus eine Welle von Melodien. Das erging Dir bei Deinem Kind sicher genauso.
Bei Beinchen, schnell müsste ich 34 gewesen sein.

Bei mir lief es eigentlich immer gut, wenn ich eine Band hatte, in der ich die Songs geschrieben und die Hauptverantwortung getragen habe. Jetzt spiele ich in einer als Bassist (ich wollte auch mal derjenige sein, an dem nicht alles hängen bleibt ;-) ) - da ist das nicht so. Aber sobald ich eine Band hatte verstand ich das Songschreiben als meine Arbeit - mehr noch: als meine Berufung - und blieb da auch dran.

Ich hatte ein Mindestpensum, das da lautete: mindestens 12 fertige Songs pro Jahr. Also mindestens einen pro Monat. Mit diesem Pensum macht man sich nicht tot und das hielt ich zu Bandzeiten auch ungefähr 12 Jahre lang durch. In den Phasen dazwischen war es etwas weniger. In meinem produktivsten Jahr (2007) habe ich 22 fertige Songs geschrieben und von 10 weiteren die Ideen soweit gehabt, dass ich sie jederzeit hätte fertig stellen können, wenn es nötig gewesen wäre. Und selbst in diesem Jahr fühlte ich mich nicht, als würde ich ans Limit gehen.

Ich wusste ja, was in der Band gebraucht wird an Songs. Oft - das denke ich im Rückblick - verlangte ich wahrscheinlich eh zuviel von den Bandkollegen. Wer brauchte denn schon 50 Songs, wenn er nicht auch die entsprechenden Auftritte oder Vermarktungsmöglichkeiten hat?

Mir haben meine Ideen aber schon immer viel bedeutet. In den 1990ern habe ich noch auf Kassette aufgenommen. Da gibt es eine Box mit 15 Kassetten (überwiegend 90er Chrome Maxima II ... die besten der Besten ;-) ) voller Ideen und Proberaummitschnitten. Dann habe ich eine 60er Kassette mit Sachen, die ich am Keyboard gemacht habe. In Garage Band auf meinem alten iMac kugeln bestimmt noch einmal über 100 Projekte herum und in meinem jetzigen Rechner ist auch einiges drin. Alles in allem habe ich ungefähr 190 Songs komplett fertig und bestimmt noch mal ähnlich viele unvollendete Ideen (im Stile von Beinchen, schnell ... also mehr, als ein Riff oder 4 Takte Melodie.)
Hätte ich voll durchgezogen (und natürlich von meiner Musik leben können - mich also zu 100% nur mit Musik beschäftigen können), wäre es sicher noch viel mehr gewesen - denn wie gesagt, übermäßig diszipliniert war nicht nicht. Immer gerade so, dass ich mit mir zufrieden gewesen bin.

Ich habe aber von Anfang auf Vorrat geschrieben. Deswegen konnte ich auch eine Idee verkommen lassen. Mir war klar, dass irgendwann eine Zeit kommt, in der es nicht mehr so einfach sein wird, neue Songs zu kreieren. Entweder, weil einem die Inspiration ausgeht, oder weil schlicht keine Zeit mehr dazu da ist. Das ist momentan der Fall, weshalb ich froh bin, dass ich so vorausschauend gearbeitet habe. In dieser Hinsicht kann ich jetzt ganz entspannt in die Zukunft blicken. Zwei bis vier Lieder pro Jahr, dazu noch ein paar Ideen, genügen mir im Moment. Es gibt ja noch genug alte Sachen. Und wenn ich die nicht verwenden sollte, bekommen sie meine Kinder, falls die mal eine Band haben sollten...
 
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Also 190 fertige Songs... die habe ich nicht (im Geringsten). Dafür hatte ich auch keine Messlatte für mein Soll oder Zeit in meinem Leben - was ich allerdings bedauere. Heute weiß ich, dass ich hätte vielmehr Musikmachen sollen anstatt im Hamsterrad zu rotieren. :bad:

Aber solche Erkenntnis kommt reichlich spät. :opa: Muss mal sehen, was ich noch "stemmen" kann... :gruebel:

190 Songs plus etwa gleichviel an Entwürfen halte ich für ein Höchstmaß an Kreativität. Und da Du altersmäßig ja immer noch in den 40ern bist, wenn ich mich recht entsinne, kriegst Du die 500er-Marke sicher noch gerissen. :hail:
 
kriegst Du die 500er-Marke sicher noch gerissen.
Wenn ich den Eindruck hätte, dass das notwendig wäre, würde ich bestimmt irgend so etwas anstreben. Aber so geht es mir nicht mehr.
Als ich angefangen habe, war das schon schön: die ersten 20 Texte geschrieben, die ersten 50 Songs fertig, dann die 100er-Marke geknackt... Und es ging immer weiter. Wenn ich mir aber andere produktive Leute anschaue - Paul McCartney, Prince, etc. - irgendwann kommt nichts Neues mehr. Es spielt dann keine Rolle, ob ich 200 oder 400 oder 1000 Songs (oder Musikstücke) habe... wenn das, was hintenraus kommt, nicht mehr relevant ist, dann - meine Meinung - ist es vielleicht besser, es gar nicht zu machen.

Ich schaue da lieber auf andere Leute. Mozart hat 626 Kompositionen, von denen die meisten mehrsätzig sind. Bei Bach sind es gar an die 1100 z.T. mehrsätzige Werke, die deutlich anspruchsvoller sind, als fast alles, was ich zu Stande gebracht habe. Mich beeindruckt, dass diese Leute immer besser wurden - besonders bei Mozart ist das schön mitzuverfolgen.
Aber dann muss man auch deren Wege sehen. Mozart und Bach sind intensiv und früh gefördert worden. Ich bin Autodidakt und habe mit 17 das erste Mal eine Gitarre in der Hand gehabt. Trotzdem habe ich immer gerne zu Mozart geschielt. Durch sein komplettes, ungefähr 28-jähiges Schaffen hat er ein relativ konstantes Arbeiten an den Tag gelegt. Das sieht man gut, wenn man die Nummern des Köchelverzeichnis Jahr für Jahr durchgeht. Bei Mozart ist das schön, weil seine Musik chronologisch geordnet ist. Da sieht man: er hat durchschnittlich zwischen 22 und 25 Kompositionen pro Jahr fertig gestellt. Mehrsätzige wohlgemerkt! Und anspruchsvolle. Ich dachte mir dann immer, okay - Deine Lieder sind "einsätzig", dafür hast Du aber auch noch einen Text geschrieben (rechnete ich vom Arbeitseinsatz her als 2. Satz). Durchschnittlich habe ich somit 12 bis ...x... zweisätzige Kompositionen pro Jahr zu Stande gebracht und dachte, damit bin ich also ungefähr ein viertel bis ein halb so produktiv, wie Mozart. Das war immer mein Standard, den ich einhalten wollte. In meinem besten Jahr (2007) habe ich mich natürlich gefreut, dass es etwas mehr geworden ist.

Mein Ansatz war immer: die anderen Kochen auch nur mit Wasser. Sei es Mozart oder Paul McCartney. Es gibt kein Gesetz, dass hätte verhindern können, diesen Leuten nachzueifern. Die lokalen, langmähnigen ich-bin-der-geilste-Gitarristen oder der gerade angesagte Trend haben mich nie wirklich interessiert.

Und ich wollte immer etwas hinterlassen. Ich wollte nicht irgendwann einmal sagen, ja, ich habe früher auch einmal Gitarre gespielt - und das war's dann. Da sollte etwas bleiben. Zu Anfang habe ich meine Lieder wie meine Kinder betrachtet. Das änderte sich dann, als die wirklichen Kinder kamen... ;-)
 
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Du sagst in Deinen Ausführungen (mit anderen Worten) etwas sehr Wahres: Quantität ersetzt Qualität nicht. Wenn ich z.B. McCartney anschaue, so hat der sicher schöne Sachen gemacht, aber vieles der letzten Jahre ist schon sehr beliebig und das Besondere, bzw. Neue fehlt. Sobald man Musik von der Stange produziert, sollte man aufhören. Leider krankt daran auch unsere heutige (Radio-)Musiklandschaft. Das ist überwiegend industrielle Musik. Die kann man knicken. Klingt alles genauso.
 
Ursprünglich wollte ich heute ein altes Lied vorstellen, in dem es u.a. um Ausländerfeindlichkeit geht. Da es aber (wie Frogs von letztem Sonntag) ebenfalls ein rockiges Stück ist und es mir hier auch abwechslungsreich zugehen soll, habe ich kurzfristig umdisponiert und mich für folgenden Song entschieden.

Still so much off our eyes

https://soundcloud.com/williamsbirne/still-so-much-off-our-eyes

Dieses Lied ist - wie Open - mehr eine Skizze, aufgenommen am 31. 12. 1998, in meinem damaligen Zimmer auf dem Bett sitzend, über ein Mikro auf Kassette. Ich war damals 23.
Im August 1998 verliebte ich mich in ein 21-jähriges Mädchen aus Marokko, das ich in einer Jugendherberge in Andalusien kennen gelernt hatte. Für uns beide war es Liebe auf den ersten Blick. Wir waren den ganzen Urlaub - zufälligerweise deckten sich Dauer und Aufenthaltsort - zusammen. Es war ungeheuer romantisch, klischeehaft-wunderbar, kindlich, euphorisch und - zumindest für mich - wahrscheinlich die reinste und unbeschwerteste (naivste) Liebe meines Lebens. Wir waren nur zwei Wochen zusammen.
Nach dem Urlaub ging das Briefeschreiben los. Zwei Briefen von ihr - dann kam wochenlang keiner mehr. Ohne Erklärung. Für mich war das eine schlimme Zeit. Bei meiner Suche nach Antworten stieß ich auf ein Buch über Graphologie - Charakteranalyse anhand der Handschrift. Ich nahm ihre Briefe auseinander, kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass sie ein sehr beherrschter Mensch war, dass sie hart zu sich selbst und zu anderen sein konnte - alles Dinge, die ich im Urlaub nie an ihr gesehen hatte. Da war sie so weich und zugänglich, wie man nur sein konnte. Ich verstand nicht, warum. Was der Grund für all das war.

Nach 6 Wochen kam ein weiterer Brief, in dem sie mir "alles" erklärte. Es war der Islam. Die Religion untersage es ihr, mit einem Nichtmuslim zusammen zu sein. Ihre Familie habe ihr das deutlich zu verstehen gegeben. Es schmerze sie sehr, aber sie müsse mich "freigeben"...

Ich setzte alles auf eine Karte und flog bereits in der darauffolgenden Woche nach Casablanca, wo sie auf der bedeutendsten Wirtschafts-Eliteschule des Landes Ökonomie studierte. Ihre Mutter war in der marokkanischen Regierung und ihr Vater Abteilungsleiter in einer Computerfirma. Also wohlhabende Leute - sonst hätte sie das Land überhaupt nicht Richtung Spanien verlassen dürfen.

Von meinem Überraschungs-Besuch war sie zunächst nicht angetan. Hier in Marokko - das war nicht Urlaub, das war nicht das Märchenland ... das war die Realität. Und ich hatte sie immer noch nicht verstanden. Doch sie half mir dabei. Anstatt mit ihrer Klasse einen Ausflug zu machen, sagte sie diesen ab und fuhr mit mir übers Wochenende zwei Tage nach Marrakesch. Im Hotel mussten wir getrennte Zimmer nehmen. Küssen in der Öffentlichkeit war verboten. Allmählich verstand ich, in welcher Situation sie sich befand. Als wir uns verabschiedeten, vereinbarten wir noch, dass ich sie in den kommenden Semesterferien wieder besuchen würde. Doch schon nach wenigen Tagen zu Hause dämmerte mir, dass es wohl vorbei war.

Das Lied (ich habe mehrere Lieder darüber und für sie geschrieben) formuliert mein Begreifen, dass es Mächte gibt, die stärker sind als die Verliebtheit zweier junger Menschen. Es gibt Dinge, ungeschriebene Gesetze, die außerhalb unserer Augen sind, und dennoch unerbittlicher wirken als alles, was man sieht.

Ich habe das Lied schnell aufgenommen - nur um es einmal festzuhalten. Alles ist "live". Einmal verhaspele ich mich im Text. Und vor der dritten Strophe fliegt draußen eine Silvester-Rakte in den Himmel, die irgendjemand schon am Nachmittag hatte starten lassen. Das macht diese Aufnahme für mich so besonders: die Rakete fliegt genau in einer Pause, wo man sie besonders gut hört. Als hätte es so sein sollen. Und alles - die ganze Liebesgeschichte - verpuffte, wie ein Feuerwerk: kurz, heftig, hell leuchtend. Und dann ...: Nichts.

Von einem Kumpel, der bereits mit Logic aufnahm, ließ ich das Rauschen herausgerechnen. An seine Stelle trat dann dieses blöde, digital-metallische Grieseln.
 
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So eine Geschichte - Love in vain - gibt es sicher tausendfach (siehe auch Romeo & Julia... ) Was für mich aber bemerkenswert ist, Du zauberst immer so schnell Lyrics aus dem Hut :) So scheint es wenigstens. Da ist ne Menge Text drin, den ich nicht verfolgt habe, weil ich unterdessen Deinen Begleittext zum Beitrag gelesen habe. Wie lange hast Du denn an den Lyrics gesessen? Und wieviele solcher Lieder hast Du (für sie) geschrieben?

Jaja, mit Anfang 20 denkt man, es kann einen nichts stoppen - Tja...
 
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Unser erstes Kind hat mich damals in einen richtigen kreativen Höhenflug versetzt.
Total gut, Songs für den Nachwuchs zu schreiben. Hut ab! Du hast kreatives und künstlerisches Potential. Sollten sich deine Kritiker aus dem anderen Thread mal mit befassen. Kann die Sichtweise auf einen Menschen relativieren. Aber manch einer wird immer auf Hauptschulniveau verbleiben. Schade.
Ansonsten, weiter so.:great:
 
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Wie lange hast Du denn an den Lyrics gesessen? Und wieviele solcher Lieder hast Du (für sie) geschrieben?
Ich habe ein Jahr lang gelitten wie ein Hund. Dann hatte ich einen Traum: ich träumte, sie war tot und ich habe sie in einem Boot hinaus auf einen See geschoben. Ich wachte auf und wusste, es ist vorbei. Ich denke, ich habe drei oder vier Lieder wegen ihr / über / für sie geschrieben. Unter anderem auch das hier vom Juli 1999.
https://soundcloud.com/williamsbirne/relieve_me

An meinen Texten saß ich durchschnittlich zwei oder drei Abende. Es gab auch Ausnahmen in jede Richtung. Aber es war schon so: wenn ich mich einmal an ein Lied gesetzt hatte, dann musste es auch fertig werden. Weil: ich wollte ja wieder frei sein und mich dem nächsten widmen können. Das Wesentliche geschah eigentlich immer davor: das Warten auf eine neue Idee... Wenn es einmal soweit war, dass ich mich an ein Lied setzen konnte, dann war es im Prinzip schon so gut wie geschrieben.

Auf jeden Fall fiel es mir nicht schwer, Texte zu verfassen, weil ich immer viel zu erzählen hatte. Das tat ich auch nirgends sonst, sondern eben über meine Lieder. Ich versuchte auch meist, eine Handlung zu entwickeln. Also: Du bist so schön, ich liebe Dich, das war mir immer zu wenig. Da musste etwas passieren.

Bevor ich damals nach Spanien gefahren bin, arbeitete ich an zwei Liedern gleichzeitig. Bei beiden sollte vor Abreise unbedingt noch der Text fertig werden. Eines davon - Veronica - unser erster Versuch, jazzig zu klingen, d.h. es war langsam und der Schlagzeuger spielte mit Besen ;-) hatte 8 Strophen. Es handelte vom Sohn eines Mafia-Bosses, der selbst noch nicht besonders mächtig war, aber eben einen einflussreichen Vater hatte. Diese junge Typ wollte unbedingt eine Frau heiraten, besagte Veronica, die ihm aber permanent einen Korb gab.

Der Text ist über 8 Strophen eine einzige Steigerung, von der allerliebreizendsten Umschwärmung und dem Versprechen des Himmels auf Erden bis hin zur Drohung, er würde ihr etwas antun, dass kein anderer Mann sie mehr ansehen würde, wenn sie ihn nicht nehmen würde in der letzten Strophe. Ich wollte das psychologisch einleuchtend aufgebaut haben. An dem Text saß ich einige Abende und ich habe mir dazu extra einen richtigen Plan geschrieben, um welche Uhrzeit ich was mache und wie lange ich mich dran setzen werde. Und er wurde pünktlich am letzten Abend vor Abreise fertig.

Muss ich oft noch dran denken, wie das damals gewesen ist - so selbstdiszipliniert. Das schaffe ich jetzt nicht mehr. Nun ist es eher so: wird es heute nicht, wird es morgen...
 
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Toller Song. Bravo! Er transportiert förmlich den Schmerz und die Verzweiflung. Ach, eigentlich sollte man sowas vergessen. Ich habe gleichfalls eine "unglückliche Liebe" noch in den Teens herum gehabt, aufgrund derer ich zwei Songs geschrieben habe und dann später noch jemand anderes, die aber nur 1 Song abgekriegt hat. :D Und dann nie wieder. Dann verliert sich die Spur solcher personenbezogenen Songs.

Auch das unerträgliche Leiden ist uns allen gemein und bekannt, obwohl man glaubt, dass das nie jemand wirklich nachvollziehen kann. Übrigens, kannst Du Dir vorstellen, dass man sich 10 Jahre und nicht nur ein einziges so fürchterlich quälen kann, bevor ein Vergeben und Loslassen gelingt? Und das Herz dabei so schwer und ohnmächtig ist, dass Du kein Wort finden kannst und keine Melodie (mehr)? Solche Songs sind wohl ein gutes Ventil und ich denke, dass diese Stücke im Grunde auch immer "gut" sind, da sie mit einer immensen Energie aufgeladen werden/wurden. Relieve me hat schöne Passagen, die mich in ihrer Spielweise auch an Stevie Wonder`s Looking for another pure love erinnert haben. Die cleanen E-Gitarren halt, die Mehrstimmigkeit, eben partiell die Machart. Trotzdem bist Du vom Hit á la Wonder :cool: noch weit entfernt, denn das Stück kommt zu komplex, unsortiert und wohl auch zu schwermütig. Aber ich find`s super. :great:
 
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Melde mich zum Dienst zurück!
:cool:
Die heutige Nummer ist wieder eine von meinem ersten Rock-Trio. Sie stammt aus dem Jahre 1997 und wurde mit unserem bewährten Setup aufgenommen: live eingespielt, Bandmaschine, altes Mischpult, Shure SM57 für Gitarre. Gesang kam nachträglich dazu und ging über ein Neumann U57, mein Lieblingsmikrophon. Unser Bassist spielte einen Fender Jazzbass, der Schlagzeuger hat sich immer wieder mal was Neues zugelegt - was das hier ist, weiß ich nicht.
Das Ding ist eine unserer rotzigsten Nummern und heißt

Citizen Policeman

https://soundcloud.com/williamsbirne/citizen-policeman

Text und Musik sind das Werk eines schnellen Nachmittages. Die dritte Strophe habe ich, weil ich das Lied zu kurz fand, einige Monate später dazu geschrieben. Grammatikalisch müssen bitte alle Englisch-Kenner sämtliche Hühneraugen zudrücken. Damals war ich noch nicht so fit in der Sprache und habe teilweise einfach gesungen, was sich gut anfühlte und hörte. So kommt es, dass ich in den alten Texten oft Adjektiv und Adverbial-Endungen durcheinander gehauen habe. Bei diesem Text ist es aber besonders schlimm, weil ich teilweise einfach für deutsche Worte englische genommen habe, ohne auf die Grammatik zu achten.

Dennoch habe ich den Text (bzw.) die Aufnahme nie nachträglich angepasst, weil ich es einerseits als Zeitzeugnis interessant finde und andererseits mir bewusst bin, dass ich zwar heute einen "korrekteren" Text schreiben könnte, aber nie wieder die damalige Atmosphäre nachbilden könnte. Und darum geht es ja bei (Rock)Musik besonders.

Ich weiß nicht einmal, ob die Formulierung "Citizen Policeman" korrekt ist. Es ist einfach eine Erfindung von mir und soll einerseits "Bürgerpolizist" bedeuten, andererseits ist damit schlicht ein Mensch gemeint, der sich zur moralischen Autorität in seinem Ort aufschwingt und alle(s) kontrolliert.

Das Lied soll eigentlich der Verlogenheit und Doppelmoral der selbsterklärten "Moralischen" den Spiegel vorhalten - etwas, das mich bereits mit Anfang Zwanzig extrem angepisst hat. In der ersten Strophe wirft der Citizen Policeman einen Bettler aus der Stadt, weil er findet, dieser störe das "respektable" Stadtbild. In der zweiten Strophe kommt unser "Citizen Policeman" nach dem Sonntagsgebet aus der Kirche und wird von einer Nutte angemacht, deren Reizen er denn auch prompt verfällt. Etwas plakativ, ich weiß, aber so musste das damals eben sein. ;-)

In der letzten Strophe kommt eine irische Sängerin in die Stadt. Es stellt sich heraus, dass der Citizen Policeman etwas gegen Iren hat. Also heuert er den Bettler, den er aus der Stadt geworfen hat, an, damit dieser ihr den Aufritt in der kleinen Bar am Abend verdirbt. Er spekuliert darauf, dass der Bettler ihm zu wie eine Motte ins Licht fliegen wird, solange der Zaster stimmt - was bei einem Bettler nicht allzu viel sein muss.

Gesanglich ist es an einigen Stellen krumm und schief (siehe Kopfhörer-Problem, das weiter vorn beschrieben wurde). Auch habe ich einen oder zwei der höchsten Töne nicht getroffen, was man ebenfalls nachträglich noch hätte verbessern können. Wollte ich aber nicht - s.o.

Musikalisch ist das Ding recht einfach, aber wirkungsvoll. Eine Mischung aus Bluesrock und Punk. Wir sind selten einfacher und direkter auf den Punkt gekommen, als hier. Hört sich auch nach Zwanzig Jahren noch frisch an.
 
Weil ich zuletzt etwas länger abwesend war, gibt es ausnahmsweise schon heute die nächste Nummer. Es ist mein jüngstes fertiges Lied - ich habe es diesen Januar geschrieben und aufgenommen. Nach längerem Überlegen bekam es den Titel

Raskolnikow

https://soundcloud.com/williamsbirne/raskolnikow2

Rodion Romanowitsch Raskolnikow ist die Hauptfigur aus Dostojewskis "Schuld und Sühne". Wenn ich ein bisschen übertreiben wollte, könnte behaupten, ich habe Schuld und Sühne vertont. ;-)
In Wirklichkeit ergab sich der Bezug dazu irgendwie automatisch. Zuerst hatte ich die Melodie. Diese summte ich der Stimmung wegen zur Gitarre immer auf der Silbe "u". Das funktionierte in meinen Ohren so gut, dass ich beschloss - in Anlehnung an Jadls Mops-Gedicht - einen Text zu schreiben, dessen einziger Vokal das U sein sollte. Die erste Textzeile kam mir quasi augenblicklich in den Sinn. Damit war die Idee geboren, das Leben eines Menschen in einer Dreiteilung zu skizzieren, wie sie meiner Meinung nach recht typisch ist und auch der klassischen Theater-Dramaturgie entspricht.

Der Text war eine ziemlich Herausforderung, denn er sollte nicht nur Sinn ergeben, sondern auch flüssig und nicht zu hölzern oder gezwungen klingen. Mit dem Ergebnis bin ich recht zufrieden. Meiner Meinung nach fällt gar nicht mehr groß auf, dass da nur der U-Vokal vorkommt. Hier ist er zum mitlesen, weil ich schon Feedback bekam, er sei schlecht zu verstehen:



du suchst und du suchst und du suchst
Ruhm (pur und gut!)
Wunsch und Lust, Umsturz und Zuspruch
kurzum: zur Glut, zur Glut!

jung, klug, stur - zum dumm, zu dumm

nun musst du durch Schmutz und durch Unmut
du Furz, du Wurm, du Pfuhl!
du zuckst und du spuckst und du fluchst
Unzucht, Sulfur, Blut

Furcht, Wut, Schlund - zu wund, zu wund

du rufst um Gunst, rufst und du rufst
um Zukunft, Struktur und Unschuld

Mund - tu kund - zum Kuss und zum Schwur
ruhn, nur ruhn



Ich würde mich freuen, @rbschu , wenn Du mal wieder vorbei schaust. Vielleicht ist auch bei den beiden letzten Songs etwas für Dich dabei.
 

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