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Williamsbirne
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In den nicht einmal 7 Jahren ihres Bestehens (von August 1995 bis Juni (?) 2002) durchlief meine erste Band - und wir alle mit ihr - eine faszinierende Entwicklung. Nach abgeschlossener Berufsausbildung, Fachabitur und nicht angetretenem Bauingenieurstudium (ich wollte lieber Musik machen) kam ich wieder in meine Heimatstadt zurück. 4 Jahre war ich weg gewesen. In dieser Zeit hatte ich die Gitarre für mich entdeckt. Auch erste Versuche, Texte zu schreiben und Melodien zu entwickeln hatte ich schon unternommen. Alles, was ich nun wollte, war eine Band.
Obwohl ich noch keine praktischen Erfahrungen hatte und es eigentlich gar nicht wissen konnte, wusste ich dennoch irgendwie, dass ich viele fantastische Rock- und Popsongs schreiben wollte. Genaugenommen war das alles, was ich für den Rest meines Leben tun wollte.
Auf der Abschiedsparty einer Bekannten - sie ging als Au Pair in die USA - lernte ich jemanden kennen, der sagte, er wäre Schlagzeuger in einer Band. Den Rest des Abends unterhielt ich mich nur noch mit ihm. Bald war klar: wir hatten ähnliche Vorlieben. Wir standen beide auf Intros und auf Outros, auf Lieder, die er als "Werke" bezeichnete (später, in der Band, gab es für uns immer zwei Kategorien von Songs: Lieder und Werke; beides musste in einem guten Verhältnis zueinander stehen - Pi mal Daumen 5:1, d.h. auf einem 12-Song-Album müssten 10 Lieder und 2 Werke drauf sein...).
Er lud mich in seine Band ein - eine Gymnasiumsband, die etwa 5 Lieder nachspielte. Der Gitarrist war Metaller und hatte kein Rhythmusgefühl. Er tappte und dachte, das würde alle beeindrucken. Aber schon beim Hm-Akkord ging das Herumgesuche auf dem Griffbrett los. Die Band spielte auch Sweet Child o' Mine. Und ich konnte ausgerechnet von diesem Stück nicht nur die Soli ziemlich amtlich spielen - ich konnte es auch noch singen. Das heißt, ich wurde vom Fleck weg engagiert. Mein Ziel war jedoch, eigene Songs zu schreiben. Auch der Schlagzeuger wollte das. So schrieb ich bis zur übernächsten Probe einen ziemlich knalligen Hard-Rock-Song, der alles beinhaltete, was man brauchte, um die einzelnen Gemüter zu beeindrucken - ein gutes Riff, eine heiße Melodie, ausufernde Soli und sogar einen kleinen Opernteil, den wir die Musiklehrerin singen lassen wollten (die war jung und etwas alternativ drauf). Sie hat es aber dann doch nicht gemacht - wahrscheinlich weil ihr der Text zu versaut war ... jedenfalls für eine Musiklehrerein aus einem Gymnasium ;-)
Im Grunde kam im "Opernteil" (jemand musste ein paar Takte Sopran singen) nur das Wort "stud" (Hengst) für den Typen vor, nicht mehr... Aber es war schon explizit. Das Teil hieß Pistol, womit eine Frau gemeint war, und bekam Anklang, als wir es bei unseren ersten Auftritt in der Spielpause der Lokalmatadoren-Band zusammen mit 5 Coversongs spielten.
Bald wurde klar, dass es mit dem anderen Gitarristen nichts werden würde. Sein ewiges Herumgemäkel, seine Zweifel, sein Nein zu unserem Ja, und auch die beschränkte Musikalität waren wie ein Bremsklotz. Ich wollte vorwärts, wollte, dass die Band sich entwickelt. Im Grunde war es allen klar, dass es mit dem anderen Gitarristen nicht gut gehen würde. So klingelten wir eines Abends zu dritt an seiner Haustür und teilten ihm mit, dass er nicht mehr in der Band ist. Er und vor allem seine Freundin haben das nicht gut verdaut und hintenherum Gerüchte v.a. über mich gestreut. Doch das legte sich wieder und die Band war endlich bereit, loszulegen.
Und das tat sie.
Von 1996 bis 2001 schrieb ich mehrere Dutzend Lieder, von denen wir etwa 45 mit der Band umsetzten. In diesen 6 Jahren eroberten wir uns quasi die gesamte Popgeschichte im Schnelldurchlauf. Wir begannen mit bluesgeprägtem Hardrock (der Schlagzeuger war von Zeppelin, Iron Maiden und der ungarischen Band Edda, der Bassist sehr von Nirvana beeinflusst; beim mir war es eher Queen und die Gunners). Nach 8 guten Hardrocksongs begannen die Stücke popppiger zu werden. Ich hörte in dieser Zeit viel Prince - das wurde meine neue Leidenschaft. Ab 1997 hatten wir eine Phase, in der wir jedes Jahr mindestens 2, 3 Songs heraushauten, die das Zeug zu richtigen Klassikern hatten. Ich verfolgte damals öfters das Ziel, definitive Endformen für genretypische Songs (oder auch für bestimmte Tonarten) zu schreiben. War Livin' o a Prayer der perfekte Hard-Rock-Pop-Mitgröhl-Hitsong, dann wollte ich einen noch besseren schreiben. Ich hatte mir eine Kompositionsmethode ausgedacht, die recht gut funktionierte - nämlich sich zwei "Elternsongs" zu denken, die ich in meiner Phantasie miteinander kreuzte. Das daraus entstehende Produkt, quasi der "Kind-Song" dieser beiden Eltern, wurde dann das, was ich schrieb.
Ich war in dieser Phase unglaublich inspiriert. Alles war Musik und alles konnte ich in Musik verwandeln. Es hätte jemand einen Furz lassen und sagen können, mach mal was draus - und ich hätte ihm ein interessantes kleines Lied geschrieben. Einmal meinte der Schlagzeuger, er habe vorhin in der Badewanne eine "unglaublich gute Idee" für ein Riff gepfiffen. Er wisse aber nicht mehr wie das Riff ging. Nur das Tempo könne er noch sagen - schnell. Und im Shuffelrhythmus. Dieses Nichts an Information (dass er es in der Badewanne gepfiffen hatte, nicht was !) genügte mir um mir vorzustellen, wie es geklungen haben könnte. Wir improvisierten kurz im Proberaum über geshuffeltes Tempo 190 (ich dachte dabei konzentriert an ein in der Badewanne gepfiffenes Hardrock-Riff das es noch nicht gibt), nahmen es auf Kassette auf - und eine Woche später war der nächste "Klassiker" fertig. So war das damals...
Ich träumte in dieser Zeit fertige Lieder, brauchte nur aufzustehen und sie aufzuschreiben. Ich hatte Unmengen an Ideen, die ich alle festhielt - für Tage, an denen die Muse mich einmal nicht mehr so küssen würde.
Ende 1999 dann kam es zu einer ersten Trennung, die etwa ein halbes Jahr währte. Ich kaufte mir von meinem gesamtem Ersparten ein funkelnagelneues Kurzweil K2600 X mit 88 Tasten in Hammermechanik. Ich hatte das Teil schon Wochen vor seiner Markteinführung bestellt und war bestimmt einer der Ersten, der das Teil in Deutschland besaß. Mit dem Keyboard schmerzte die Trennung nicht ganz so arg, da ich viel experimentiert und das ganze Klangspektrum erkundet habe. Immer wieder neue Ideen, ich begann ein bisschen mit elektronischer Musik, programmierte, arrangierte Streicher...
Im April 2000 dann besuchte mich der Schlagzeuger und brachte ein kleines Gitarren-Lick mit (0:04 - 0:08 min), das er sich ausgedacht hatte. Schon während er es mir vorspielte, hörte ich im Kopf, wie sich das Gitarrenthema zwingend weiterentwickeln musste (0:38 - 0:47 min). Ich probierte kurz herum, nach einer Minute hatte ich es. Wir beschlossen, mit der Band weiter zu machen - und waren mit dem neuen Lied im nächsten Genre angelangt: Jazz-Pop. Ich hatte nie Jazz gehört - allenfalls im Vorbeigehen. Aber intuitiv wusste ich, wie ich den Song zu machen hatte. Für mich wurde er zu einem der wichtigsten Stücke, die ich je geschrieben habe. Ich nannte ihn
Summerrain
https://soundcloud.com/williamsbirne/summerrain
Wichtig wurde er für mich deshalb, weil ich zum ersten Mal nicht in Akkorden, in Powerchords, in Grundtönen und Harmoniefolgen dachte, sondern rein melodiös. Das Gitarrenthema besteht aus einem Dreiklang-Melodieschnipsel ohne Grundton. Der Bass bringt zwar die harmonische Einordnung, spielt aber selbst ein vom Gitarrenthema unabhängiges, freies Walking-Bass-Thema. Darüber kommt der Gesang - ebenfalls wieder mit einer eigenen Melodie, die ihrerseits auch ohne die anderen Bauteile funktioniert. Summerrain war in seiner Einfachheit aber auch dem stimmigen Aufeinander Bezogensein der einzelnen Bausteine mein bis dahin vielleicht rundester Song. Im Break suchte ich lange nach passenden Akkorden oder überhaupt irgendeiner Gitarren-Ergänzung, konnte aber keine finden. Also beließen wir es bei den Bass-Tönen.
In dieses Schema - drei von einander ziemlich unabhängige Themen, die jedes auch für sich funktionieren würden, aber erst in der Kombination das eigentliche Lied ergeben - habe ich mich sofort verliebt. Acht Jahre später versuchte ich dann das, was ich in Summerrain so unbeschwert entdeckte, in einem entsprechenden "großen" Gegenstück bis zum Maximum zu treiben. Was zu Winterball führte. Dort habe ich die Unabhängigkeit der drei thematischen Bereiche Gitarre-Bass-Gesang zusätzlich auf die Dimension der X-Achse - also der Zeit - erweitert. Es gibt chronologisch keine Wiederholung! Kein Thema, kein Muster, kein Schema, das zwei Mal kommt (außer in dem Art Kehrreim, und den Gitarrenakkorden innerhalb der ersten "Strophe"). Der Bass spielt 8 Minuten lang irgendwelche Melodien, Phrasen, die den Text plakatieren sollen, es kommt (ab der zweiten Strophe) nie ein Gitarren-Akkord zwei Mal und der Gesang ist auch völlig frei. Aber: man merkt es nicht! Nach Winterball brauchte ich zwei Monate Pause vom Songschreiben...
Zurück zu Summerrain - dem Stück, ohne das es Winterball wahrscheinlich nicht gegeben hätte. Auch wenn der Song mglw. auf Außenstehende unspektakulär wirkt - für mich war es ein großer Schritt nach vorn, um beim Komponieren freier zu werden. Auf meiner persönlichen Liste meiner besten/liebsten Songs rangiert er bis heute mindestens unter den Top Fifteen. Nach Summerrain waren wir mit der Band frei, alles zu machen. Wir hatten uns quasi selbst gefunden. Wir konnten in allen Genres wildern und alles zu unserem machen - es passte alles, es funktionierte alles. Nach Summerrain kamen noch ein ein Song im Stile der Chili Peppers, es kam Magnolia (bei dem ich auch die zwei-Eltern-Methode anwandte), es kam Soul und Funk im Stile von Sly an the Familiy Stone, es kam Pop, Hardrock, experimentelles Zeug und noch einmal Jazzpop. Und immer war es unsere Band. Wir hatten einen Auftritt in der Stadthalle in der Weihnachtszeit, zu dem wir einige Pop- & Weihnachtsklassiker verjazzten und halb-unplugged spielten ... Wunderbare Jahre....
Wenn ich mich recht entsinne, hat unser Bassist für die Aufnahme von Summerrain sogar einen Kontrabass angeschleppt gebracht. (Bin mir aber nicht mehr sicher. Vielleicht hört es ja jemand heraus - es klingt wie sein Jazzbass, aber ich sehe immer das Bild vom Kontrabass vor mir...)
Beim Gitarrensolo habe ich versucht, den Klang der Brian-May-Gitarre zu imitieren - Halstonabnehmer, dezente Verzerrung und Höhen an der Gitarre voll weggenommen. Für eine PRS ziemlich nahe am Queen-Sound, finde ich. Das einzige, was mich etwas ärgert ist, dass mir am Ende ein bisschen Text fehlte und ich völlig sinnloses Scham-damm-Dub-di-duu gesungen habe...
Obwohl ich noch keine praktischen Erfahrungen hatte und es eigentlich gar nicht wissen konnte, wusste ich dennoch irgendwie, dass ich viele fantastische Rock- und Popsongs schreiben wollte. Genaugenommen war das alles, was ich für den Rest meines Leben tun wollte.
Auf der Abschiedsparty einer Bekannten - sie ging als Au Pair in die USA - lernte ich jemanden kennen, der sagte, er wäre Schlagzeuger in einer Band. Den Rest des Abends unterhielt ich mich nur noch mit ihm. Bald war klar: wir hatten ähnliche Vorlieben. Wir standen beide auf Intros und auf Outros, auf Lieder, die er als "Werke" bezeichnete (später, in der Band, gab es für uns immer zwei Kategorien von Songs: Lieder und Werke; beides musste in einem guten Verhältnis zueinander stehen - Pi mal Daumen 5:1, d.h. auf einem 12-Song-Album müssten 10 Lieder und 2 Werke drauf sein...).
Er lud mich in seine Band ein - eine Gymnasiumsband, die etwa 5 Lieder nachspielte. Der Gitarrist war Metaller und hatte kein Rhythmusgefühl. Er tappte und dachte, das würde alle beeindrucken. Aber schon beim Hm-Akkord ging das Herumgesuche auf dem Griffbrett los. Die Band spielte auch Sweet Child o' Mine. Und ich konnte ausgerechnet von diesem Stück nicht nur die Soli ziemlich amtlich spielen - ich konnte es auch noch singen. Das heißt, ich wurde vom Fleck weg engagiert. Mein Ziel war jedoch, eigene Songs zu schreiben. Auch der Schlagzeuger wollte das. So schrieb ich bis zur übernächsten Probe einen ziemlich knalligen Hard-Rock-Song, der alles beinhaltete, was man brauchte, um die einzelnen Gemüter zu beeindrucken - ein gutes Riff, eine heiße Melodie, ausufernde Soli und sogar einen kleinen Opernteil, den wir die Musiklehrerin singen lassen wollten (die war jung und etwas alternativ drauf). Sie hat es aber dann doch nicht gemacht - wahrscheinlich weil ihr der Text zu versaut war ... jedenfalls für eine Musiklehrerein aus einem Gymnasium ;-)
Im Grunde kam im "Opernteil" (jemand musste ein paar Takte Sopran singen) nur das Wort "stud" (Hengst) für den Typen vor, nicht mehr... Aber es war schon explizit. Das Teil hieß Pistol, womit eine Frau gemeint war, und bekam Anklang, als wir es bei unseren ersten Auftritt in der Spielpause der Lokalmatadoren-Band zusammen mit 5 Coversongs spielten.
Bald wurde klar, dass es mit dem anderen Gitarristen nichts werden würde. Sein ewiges Herumgemäkel, seine Zweifel, sein Nein zu unserem Ja, und auch die beschränkte Musikalität waren wie ein Bremsklotz. Ich wollte vorwärts, wollte, dass die Band sich entwickelt. Im Grunde war es allen klar, dass es mit dem anderen Gitarristen nicht gut gehen würde. So klingelten wir eines Abends zu dritt an seiner Haustür und teilten ihm mit, dass er nicht mehr in der Band ist. Er und vor allem seine Freundin haben das nicht gut verdaut und hintenherum Gerüchte v.a. über mich gestreut. Doch das legte sich wieder und die Band war endlich bereit, loszulegen.
Und das tat sie.
Von 1996 bis 2001 schrieb ich mehrere Dutzend Lieder, von denen wir etwa 45 mit der Band umsetzten. In diesen 6 Jahren eroberten wir uns quasi die gesamte Popgeschichte im Schnelldurchlauf. Wir begannen mit bluesgeprägtem Hardrock (der Schlagzeuger war von Zeppelin, Iron Maiden und der ungarischen Band Edda, der Bassist sehr von Nirvana beeinflusst; beim mir war es eher Queen und die Gunners). Nach 8 guten Hardrocksongs begannen die Stücke popppiger zu werden. Ich hörte in dieser Zeit viel Prince - das wurde meine neue Leidenschaft. Ab 1997 hatten wir eine Phase, in der wir jedes Jahr mindestens 2, 3 Songs heraushauten, die das Zeug zu richtigen Klassikern hatten. Ich verfolgte damals öfters das Ziel, definitive Endformen für genretypische Songs (oder auch für bestimmte Tonarten) zu schreiben. War Livin' o a Prayer der perfekte Hard-Rock-Pop-Mitgröhl-Hitsong, dann wollte ich einen noch besseren schreiben. Ich hatte mir eine Kompositionsmethode ausgedacht, die recht gut funktionierte - nämlich sich zwei "Elternsongs" zu denken, die ich in meiner Phantasie miteinander kreuzte. Das daraus entstehende Produkt, quasi der "Kind-Song" dieser beiden Eltern, wurde dann das, was ich schrieb.
Ich war in dieser Phase unglaublich inspiriert. Alles war Musik und alles konnte ich in Musik verwandeln. Es hätte jemand einen Furz lassen und sagen können, mach mal was draus - und ich hätte ihm ein interessantes kleines Lied geschrieben. Einmal meinte der Schlagzeuger, er habe vorhin in der Badewanne eine "unglaublich gute Idee" für ein Riff gepfiffen. Er wisse aber nicht mehr wie das Riff ging. Nur das Tempo könne er noch sagen - schnell. Und im Shuffelrhythmus. Dieses Nichts an Information (dass er es in der Badewanne gepfiffen hatte, nicht was !) genügte mir um mir vorzustellen, wie es geklungen haben könnte. Wir improvisierten kurz im Proberaum über geshuffeltes Tempo 190 (ich dachte dabei konzentriert an ein in der Badewanne gepfiffenes Hardrock-Riff das es noch nicht gibt), nahmen es auf Kassette auf - und eine Woche später war der nächste "Klassiker" fertig. So war das damals...
Ich träumte in dieser Zeit fertige Lieder, brauchte nur aufzustehen und sie aufzuschreiben. Ich hatte Unmengen an Ideen, die ich alle festhielt - für Tage, an denen die Muse mich einmal nicht mehr so küssen würde.
Ende 1999 dann kam es zu einer ersten Trennung, die etwa ein halbes Jahr währte. Ich kaufte mir von meinem gesamtem Ersparten ein funkelnagelneues Kurzweil K2600 X mit 88 Tasten in Hammermechanik. Ich hatte das Teil schon Wochen vor seiner Markteinführung bestellt und war bestimmt einer der Ersten, der das Teil in Deutschland besaß. Mit dem Keyboard schmerzte die Trennung nicht ganz so arg, da ich viel experimentiert und das ganze Klangspektrum erkundet habe. Immer wieder neue Ideen, ich begann ein bisschen mit elektronischer Musik, programmierte, arrangierte Streicher...
Im April 2000 dann besuchte mich der Schlagzeuger und brachte ein kleines Gitarren-Lick mit (0:04 - 0:08 min), das er sich ausgedacht hatte. Schon während er es mir vorspielte, hörte ich im Kopf, wie sich das Gitarrenthema zwingend weiterentwickeln musste (0:38 - 0:47 min). Ich probierte kurz herum, nach einer Minute hatte ich es. Wir beschlossen, mit der Band weiter zu machen - und waren mit dem neuen Lied im nächsten Genre angelangt: Jazz-Pop. Ich hatte nie Jazz gehört - allenfalls im Vorbeigehen. Aber intuitiv wusste ich, wie ich den Song zu machen hatte. Für mich wurde er zu einem der wichtigsten Stücke, die ich je geschrieben habe. Ich nannte ihn
Summerrain
https://soundcloud.com/williamsbirne/summerrain
Wichtig wurde er für mich deshalb, weil ich zum ersten Mal nicht in Akkorden, in Powerchords, in Grundtönen und Harmoniefolgen dachte, sondern rein melodiös. Das Gitarrenthema besteht aus einem Dreiklang-Melodieschnipsel ohne Grundton. Der Bass bringt zwar die harmonische Einordnung, spielt aber selbst ein vom Gitarrenthema unabhängiges, freies Walking-Bass-Thema. Darüber kommt der Gesang - ebenfalls wieder mit einer eigenen Melodie, die ihrerseits auch ohne die anderen Bauteile funktioniert. Summerrain war in seiner Einfachheit aber auch dem stimmigen Aufeinander Bezogensein der einzelnen Bausteine mein bis dahin vielleicht rundester Song. Im Break suchte ich lange nach passenden Akkorden oder überhaupt irgendeiner Gitarren-Ergänzung, konnte aber keine finden. Also beließen wir es bei den Bass-Tönen.
In dieses Schema - drei von einander ziemlich unabhängige Themen, die jedes auch für sich funktionieren würden, aber erst in der Kombination das eigentliche Lied ergeben - habe ich mich sofort verliebt. Acht Jahre später versuchte ich dann das, was ich in Summerrain so unbeschwert entdeckte, in einem entsprechenden "großen" Gegenstück bis zum Maximum zu treiben. Was zu Winterball führte. Dort habe ich die Unabhängigkeit der drei thematischen Bereiche Gitarre-Bass-Gesang zusätzlich auf die Dimension der X-Achse - also der Zeit - erweitert. Es gibt chronologisch keine Wiederholung! Kein Thema, kein Muster, kein Schema, das zwei Mal kommt (außer in dem Art Kehrreim, und den Gitarrenakkorden innerhalb der ersten "Strophe"). Der Bass spielt 8 Minuten lang irgendwelche Melodien, Phrasen, die den Text plakatieren sollen, es kommt (ab der zweiten Strophe) nie ein Gitarren-Akkord zwei Mal und der Gesang ist auch völlig frei. Aber: man merkt es nicht! Nach Winterball brauchte ich zwei Monate Pause vom Songschreiben...
Zurück zu Summerrain - dem Stück, ohne das es Winterball wahrscheinlich nicht gegeben hätte. Auch wenn der Song mglw. auf Außenstehende unspektakulär wirkt - für mich war es ein großer Schritt nach vorn, um beim Komponieren freier zu werden. Auf meiner persönlichen Liste meiner besten/liebsten Songs rangiert er bis heute mindestens unter den Top Fifteen. Nach Summerrain waren wir mit der Band frei, alles zu machen. Wir hatten uns quasi selbst gefunden. Wir konnten in allen Genres wildern und alles zu unserem machen - es passte alles, es funktionierte alles. Nach Summerrain kamen noch ein ein Song im Stile der Chili Peppers, es kam Magnolia (bei dem ich auch die zwei-Eltern-Methode anwandte), es kam Soul und Funk im Stile von Sly an the Familiy Stone, es kam Pop, Hardrock, experimentelles Zeug und noch einmal Jazzpop. Und immer war es unsere Band. Wir hatten einen Auftritt in der Stadthalle in der Weihnachtszeit, zu dem wir einige Pop- & Weihnachtsklassiker verjazzten und halb-unplugged spielten ... Wunderbare Jahre....
Wenn ich mich recht entsinne, hat unser Bassist für die Aufnahme von Summerrain sogar einen Kontrabass angeschleppt gebracht. (Bin mir aber nicht mehr sicher. Vielleicht hört es ja jemand heraus - es klingt wie sein Jazzbass, aber ich sehe immer das Bild vom Kontrabass vor mir...)
Beim Gitarrensolo habe ich versucht, den Klang der Brian-May-Gitarre zu imitieren - Halstonabnehmer, dezente Verzerrung und Höhen an der Gitarre voll weggenommen. Für eine PRS ziemlich nahe am Queen-Sound, finde ich. Das einzige, was mich etwas ärgert ist, dass mir am Ende ein bisschen Text fehlte und ich völlig sinnloses Scham-damm-Dub-di-duu gesungen habe...
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