Das über den Dachdecker gesagte ist richtig und nachvollziehbar, und es ist ebenso richtig und nachvollziehbar, dass jemand, der am Instrument und als Musiker Autodidakt ist, weniger für seinen Unterricht verlangt als ein professioneller und voll ausgebildeter, also studierter Musiker. Ebenso ist es verständlich, wenn die Studenten froh sind, für wenig Geld Unterricht zu bekommen.
Dennoch gibt es dabei eine Unverhältnismäßigkeit, die sowohl den Vergleich etwas schief sein lässt und zudem mir mindestens ein deutliches Stirnrunzeln verursacht. Während es praktisch jedermann einfach und unhinterfragt klar ist, dass für den Dachdecker die erwähnten rund 45,- € pro Stunde fällig sind (oder auch mehr, eher selten geringfügig weniger), führen die allerorten anzutreffenden Dumpingpreise der Autodidakten leider dazu, dass viele an Unterricht Interessierte den Preis, den ein Profi für die Stunde haben will bzw. muss (und das ist mehr oder sollte zumindest mehr sein als die weiter oben schon erwähnten 20,- € für 60 Minuten!*) als "viel zu hoch" empfinden, denn "ich habe von einem Bekannten gehört, dass er nur 10/15,- € bezahlt".
Mit anderen Worten, der Kunde unterscheidet blöderweise leider allzuoft nicht zwischen "Autodidakt" einerseits, der günstige Preise hat, zumal er den Unterricht normalerweise nur als Hobby betreibt und einen womöglich recht einträglichen Hauptberuf hat, und "Profi" andererseits, der das Instrument seit seiner (oft frühen) Jugend lernt, tausende Stunden geübt und später jahrelang studiert hat, womöglich weitere (teure) Kurse, Meisterkurse, usw. absolviert hat, dazu üblicherweise ein oder mehrere teure Instrument(e) besitzt, selbstverständlich aus seinen Einnahmen Steuern, Krankenversicherung und Altersversorgung bezahlt nebst seinem kompletten Lebensunterhalt ...
Nein, viele schauen nur auf den Preis und interessieren sich nicht für alles andere dahinter. Und der TS wird wohl kaum mit einem Schild um den Hals unterrichten auf dem "Autodidakt" oder "Dilettant" geschrieben steht?
Mit anderen Worten, man sollte sich im klaren sein, dass solche Dumpingangebote den Preis drücken, auch wenn man das gar nicht will. Zumindest sollte klargestellt werden, dass der Unterricht nicht durch einen Profi erteilt wird (ein Schild braucht es dazu natürlich nicht, eine mündliche Mitteilung dazu reicht).
Ich stelle mir dazu Beiträge in anderen Foren vor ...
Aus einem Dachdeckerforum:
Hallo Leute,
ich komme demnächst in den Genuss, hier im Ort einige Dächer decken zu dürfen. Da ich selbst als Dachdecker Autodidakt bin und daher was das angeht total unbedarft, hab ich nicht die blasseste Ahnung was man da guten Gewissens für ne Stunde verlangen darf.
Hammer, Leiter und Akkuschrauber sind vorhanden, außerdem bin ich schwindelfrei, was sicher von Vorteil ist.
Noch etwas: Dankbar wäre ich auch für einige Hinweise, den Einbau von Dachfenstern betreffend.
Aus einem Medizinerforum:
Hallo Leute,
ich komme demnächst in den Genuss, im Bekanntenkreis einige Operationen durchführen zu dürfen (1 Schienbeinbruch, 1 Blinddarm, 1 Meniskus entfernen). Da ich selbst als Chirurg Autodidakt bin und daher was das angeht total unbedarft, hab ich nicht die blasseste Ahnung was man da guten Gewissens für ne Stunde verlangen darf.
Einmalhandschuhe, eine starke Lampe und Akkuschrauber sind vorhanden, Verbandsmaterial sowieso und es macht mir nichts aus, Blut zu sehen.
Noch etwas: Ich bräuchte unbedingt noch ein paar Tipps zur Narkose.
Nichts für ungut, ich will keinem zu nahe treten und ich gönne dem TS, der soweit ich das seinem Beitrag entnehmen kann, selber Student ist ("Bei
anderen Studenten möchte man ja nicht groß hinlangen") durchaus seinen kleinen Nebenverdienst, außerdem ist mir klar, dass Unterricht wie der hier zur Debatte stehende vielerorts anzutreffen ist.
Ich wollte trotzdem das Thema ein wenig problematisieren und einige Aspekte dazu beleuchten, die gerne übersehen oder ausgeblendet werden.
Nebenbei bemerkt könnte die Uni auch mal die örtliche öffentliche Musikschule anfragen, ob sie nicht für die Studenten ein Angebot machen kann. Die Lehrkräfte an öffentlichen Musikschulen werden immerhin nach TVÖD (9b) bezahlt, wobei der Unterricht für die Kunden aber wegen der Zuschüsse zum Etat bezahlbar bleiben (so sollte es jedenfalls sein).
Dann hätten einerseits die Studenten bei einem Profi Unterricht und dieser hätte eine Stunde in seinem normalen Deputat mit ordentlichem Gehalt.
Fußnote:
*) Wenn man von 30 Unterrichtsstunden pro Woche ausgeht (das typische Deputat einer Vollzeitstelle sind 30 UStd. à 45 Minuten, wobei vielerorts noch 2-3 UStd. "Ferienüberhang" dazu kommen), die man auch erst mal voll belegt haben muss als Freischaffender, dann kämen bei 20,- €/Std. je Woche 600,- € heraus, im Monat also 2400,- € Brutto (!). Für einen studierten Musiker, dessen Studium durchaus mit einem Ingenieurstudium vergleichbar ist, nicht allzuviel.
Bei 15,- €/Std. wären es sogar nur noch 1800,- € brutto.
In der Tat, reich wird mit dem Beruf tatsächlich keiner, auch nicht mit einem Salär nach TVÖD 9b (von letzterem kann man immerhin ganz ordentlich leben).
Aber das war sicher auch nicht das Ziel von mir oder irgendeinem meiner Kollegen ...