Sebastian Krämer kann man vermutlich als "echten Lyriker" bezeichnen - er malt wunderbare Bilder mit seinen Wörtern, manchmal trivial, manchmal tiefgehend. Wie beschreibt er den Lyriker?
"Wir stellen uns vor, ein Mann geht auf dem Zebrastreifen über die Straße. Ein Auto übersieht ihn, er wird überfahren. Ein altes Mütterlein, welches noch die guten alten Sprüche kennt, geht vorbei und sagt 'Zebrastreifen, Zebrastreifen, mancher wird es nie begreifen'.
DAS ist noch KEINE Lyrik. Man stelle sich nun dieselbe Straße vor, jedoch ohne Zebrastreifen. Der Mann geht wieder über die Straße, wird wieder überfahren, doch steht zufälligerweise ein Blumentopf am Rand. Nun komme ich vorbei, sehe das und sage 'Blumentopf, Blumentopf, mancher wird es nie begreifen'.
Was ist hier geschehen? Zwei Dinge: erstens gibt es keinen Reim mehr, und zweitens gibt es auch keinen Sinn mehr. Und das, meine lieben Damen und Herren, ist Lyrik!"
Er ist allgemein ein Künstler mit schwarzem Humor, doch finde ich seine Ansicht dahingehend sehr gut: was teilweise als Lyrik bezeichnet wird, ist für mich nur noch Unsinnigkeit, welche sich über ihre Unsinnigkeit definiert. Oft gelingt es uns nicht einmal mit klaren Worten das zu vermitteln, was auf der Hand liegt - und dennoch verehren wir Menschen, die ihre Gefühle in noch kompliziertere Muster als nötig tauchen, einfach weil uns das viel Raum gibt, um eigene Ansichten hineinzuinterpretieren.
Wenn wir ein rotes Bild vor uns haben, dann sagen wir "Oh, wie langweilig, die Farbe Rot, kenn ich schon, ganz deutlich, der Künstler hat Rot verwendet". Wenn dagegen jemand wahllos Farben auf einen Leinwand kleckst, können wir spekulieren "Hm, ist das Rot, oder doch violett? Oder ist da ein Grün dabei, welche Farbe soll das sein? Ich sehe ja die Rachsucht der bisexuellen Stiefmutter des Künstlers drinnen - hat natürlich nichts mit meiner bisexuellen Stiefmutter zu tun..."
Deswegen ist für mich die Unterscheidung zwischen "Lyrikern" und "Nichtlyrikern" eine unnötige. Jemand, der viel auf sich hält als "Lyriker" hat bei mir einen Minuspunkt - die wirklichen großen Dichter sehen sich als nicht mehr als Sprachgebraucher, welche Worte verwenden, um das, was sie fühlen, so klar wie möglich auszudrücken. Nicht, um unnötige Bilder zu schaffen, die sie selbst kaum verstehen...
Deswegen gibt es für mich keine herausragenden Lyriker. Es gibt tolle Texter, jene, welche einen eigenen Stil haben (welcher dann oft mit ihrer Musik zusammenhängt), aber keine 'herausragenden Lyriker der deutschen Rockszene'.