Wenn sozusagen Attitüde, gewolltes authentisches Image und songtexte auf die Wirklichkeit prallen und deutlich machen, dass songtexter*in und/oder Interpret*in damit erstens nix am Hut haben und zweitens nullkommanull wahrgenommen geschweige denn darüber nachgedacht haben, was sie da eigentlich machen ...
Ohne auf einzelne Personen einzugehen, fallen mir so Zeilen wie "I´m poor and lonely", "ain´t got no money", die gerne im Blues verwendet werden, bei Sänger*innen unangenehm auf, die niemals die Erfahrung gemacht haben, auf der Straße und von der Hand in den Mund zu leben, wirklich wegen der Hautfarbe oder einer ethnischen Zugehörgigkeit ausgegrenzt zu werden etc., aber munter bzw. angeblich selbstbetroffen solche Zeilen singen.
Wobei ich ihnen durchaus abnehmen würden, auch schlechte Stunden durchgemacht zu haben, an sich und der Welt zu zweifeln und so weiter - nur: dann sollen sie ihre Sicht und Erfahrung schildern und sich nicht in fremde Kleider schmücken und so tun, als hätten sie andererleuts Leben gelebt ... Wozu auch - wenn nicht, um auf irgendeine Art und Weise auf einem Zug mitzufahren, der gar nicht ihrer ist, aber halt so schön rollt ...
Inhaltlich sehr gelungen finde ich da den songtext "Streets of London", der das gut thematisiert.
Es ist natürlich schwierig da eine Grenze zu ziehen. Grundsätzlich spricht nichts dagegen als Songwriter in andere Rollen zu schlüpfen. Und oft ist das den Zuhörern auch klar, dass der Künstler jemand anderen "spielt". Oder zumindest eigene Erfahrungen,
die Ähnlichkeiten aufweisen, damit verarbeitet.
Z.B. die besagte "Billie Jean" aus dem Michael-Jackson-Song , die frei erfunden ist, aber
...
Laut
Moonwalk, Jacksons Autobiografie, beruht der Songtext nicht auf einer wahren Begebenheit; vielmehr wurde Jackson von mehreren Frauen inspiriert, die ihn und seine Brüder auf diese Art belästigten.
Oder es gibt auch das Beispiel, wo Songwriter ihre eigene Gefühlswelt oder ein bestimmtes Lebensgefühl über Kunstfiguren widerspiegeln.
Z.B. David Bowie mit seinen zig Alter Egos.
Problematisch wird es, wie du schon sagst, wenn Musiker die fremden Federn, mit denen sie sich schmücken, unzweideutig als die eigenen ausgeben.
Ganz schlimm in der Hinsicht, finde ich zB sog. Gangta-Rapper, die
- um mal "Hannes Loh" von Anarchist Academy zu zitieren: - "sich alleine in Brooklyn Pipi ins Hemd machen würden" - ihrer Zuhörerschaft aber - größtenteils Kids - ein Leben als erfolgreichen Mafiosi nicht nur vorgaukeln, sondern auch schmackhaft machen.
Und angeblich seriöse Plattenlabels wie Universal vermarkten diesen Dreck, als ob es das Normalste der Welt wäre.
ZB passend hier zum Thema Fakten Vs Text:
Vor einigen Jahren, als der Rapper "Massiv" den deutschen 50Cent "gespielt" hat, wobei er nicht, wie in den USA üblich dem Ghetto entkommen wollte, sondern extra aus dem beschaulichen Pirmasens in Rheinland-Pfalz nach Neu-Kölln/Berlin gezogen ist, um
ein einigermaßen glaubhaftes Gangster-Image aufbauen zu können.
Pan MC hat über diese Maschen - auch der Labels - einen entlarvenden Song gemacht, der bis heute immer noch nichts an seiner Gültigkeit verloren hat. Siehe letztes Jahr die Kontroverse um Kollegah und Farid Bang:
EDIT:
"Streets of London"
oder auch ähnliches Positiv-Beispiel, meiner Meinung nach:
Lou Reeds "Dirty Boulevard"