Als Thread-Eröffner möchte ich mich nochmal ganz herzlich für all die guten Tipps und Ratschläge bedanken und euch - vielleicht abschließend - kurz über den Stand der Dinge informieren.
Vielleicht freut es ja den einen oder anderen, dass sein Engagement hier im Board hin und wieder auch Früchte trägt, d.h. dass Hilfestellungen u. Anregungen aufgegriffen werden und Newbies wie mir auch wirklich ein Stück weiterhelfen.
Lange Rede - kurzer Sinn: bei Tread-Eröffnung war bei mir beim Alternate Picking und Spielen von einfachen Scales bei 16tel/160bpm Ende der Fahnenstange. Heute, nach einem Monat, kriege ich das Gleiche mit 180bpm (!!) hin!! Und kurzfristig klappt´s sogar schon mit 200bpm. Aber das mach´ ich immer erst zum Ende meiner Übungen mehr so aus Spaß
.
Ich glaube, dass für meine Musik (Blues/Rock) Alternate Picking mit 180-190bpm eh erstmal reicht. Werde mich demnächst wohl zusätzlich mit dem
Legatospielen intensiver auseinandersetzen. Denke, dass das für mich sinnvoller ist als noch weiter an schnellerem Alternate Picking zu arbeiten. Außerdem paßt das stilistisch oft besser.
Ich denke, am meisten geholfen haben mir jedenfalls die Tipps mit dem
bewußt Langsamspielen sowie dem
Wechseln der Tempi, das was ich Intervall-Training genannt habe. Auch innerhalb einer Scale. Und natürlich bei verschiedenen Tönen anfangen und aufhören bzw. umkehren. Und innerhalb von Scales Mini-Riffs erkennen und abspielen, usw. usw.
Mein Hauptproblem ist wohl die rechte Hand, d.h. meine linke Hand ist schneller als die rechte. Und da haben mir Koordinationsübungen bei wechselnden Geschwindigkeiten ´ne Menge geholfen, denke ich. Habe auch in letzter Zeit wieder öfter mit dem
Metronom und weniger mit
Band-In-A-Box geübt.
Die Ursache dieses Koordinationsproblems liegt übrigens darin, dass ich nie in meinem Leben mit Plektrum gespielt habe und erst im OKT letzten Jahres damit angefangen habe. Das Plektrum ist insofern immer noch ein Stück Prothese für mich
. Dafür klappt´s aber mit dem Folk- u. Country Fingerpicking auf der Akustischen wieder ganz gut. Da ich das heute auch viel systematischer übe als früher, kann ich das mittlerweile besser als damals.... Aber das ist ein anderes Thema.
Ich möchte aber nochmal ein paar Worte zu den
"übungsphilosophischen Fragen" wie
Sinn und Zweck von Geschwindigkeit und
Sinn und Zweck von Tonleiter- u. Fingerübungen loswerden.
Wer einwendet, dass
schnelles Spielen noch lange keinen guten Gitarristen ausmacht, rennt bei mir offene Türen ein. Auf der anderen Seite, ja, ich möchte schnell spielen können - aber es nicht zu jeder Zeit und an jeder Stelle raushängen lassen. Darum geht´s natürlich gar nicht. Meine Maxime heißt "Im richtigen Moment den richtigen Ton spielen". Basta. Allerdings ist es manchmal chic, mit vielen schnellen Tönen zu dem Wunschton zu gelangen. Und wenn das Stück schnell ist, muß man manchmal auch schnell spielen, sonst paßt das alles irgendwie nicht zusammen. Und da waren mir 150bpm einfach ein bißchen zu lahm. Manchmal braucht´s einfach ein gewisses Tempo zur Spielauthentizität. Da habe ich z.B. letzte Woche zu einem 90bpm Internet Jam-Track mitgespielt, als meine Frau die Kopf in mein Zimmer steckte und fragte, ob ich das spiele oder ´ne CD läuft. Hey, will man(n) mehr???
Wahrscheinlich kennen die meisten von euch den
Acy von Häussel/AGL und seine Video Clips. Der Typ ist jedenfalls einer, bei dem die Töne wirklich aus den Fingern kommen und der lebende Beweis (für mich!) dafür, dass Geschwindigkeit keine stets notwendige Voraussetzung für gutes Gitarrespielen ist. Ist aber natürlich eine sehr persönliche Meinung und individuelle Empfindung.
Die Frage nach dem
Sinn und Zweck von Tonleiter- u. Fingerübungen ist etwas komplexer. Habe mir da speziell zu
relact´s Ausführungen Gedanken gemacht. Du hast da sicherlich irgendwie Recht. Aber mir hat das Lernen von Scales und den damit verbundenen Fingerübungen trotzdem ´ne Menge gebracht! Angefangen habe ich im letzten Jahr mit den 5 pentatonischen Tonleitern. Dadurch habe ich erstmal ´ne gewisse Struktur für den Blues auf dem Griffbrett erkannt. Das war für mich Neuland und quasi ´ne Offenbarung! Ich weiß nicht wie lange es gedauert hätte, zu diesen Erkenntnissen allein durch das Nachspielen von Solos zu kommen. Ähnliche Erfahrung mache ich z.Z. mit den 7 Dur-Tonleitern "3-tones-per-string". Vielleicht hat das auch alles ein wenig damit zu tun,
wie wir zu Lernen gelernt haben. Ich habe Zeit meines Lebens immer
deduktiv gelernt, d.h. von den Gesetzmäßigkeiten, der Theorie, immer die praktische, individuelle Anwendung abgeleitet. Wenn ich mir heute irgendwelche Licks oder Riffs bei YouTube abschaue, geht das mittlerweile 10x so schnell wie Ende letzten Jahres. Eben weil ich Gesetzmäßigkeiten wiedererkenne. Auch in anderen Kontexten.
Ich weiß aber auch, dass das zum großen Teil einfach nur eine gewisse Lernkultur, bzw. Lerngewohnheit ist. Die muß auch keinesfalls besser oder erfolgreicher sein als deine Herangehensweise. Ich war/bin relativ häufig in den USA, und da herrscht grundsätzlich eine völlig andere Lernkultur vor, die eher in deine Richtung geht und sehr viel
pragmatischer ausgerichtet ist. Und das fängt schon im Kindergarten dort an. Stichwort "
Learning by Doing". Da wird wesentlich weniger theoretisiert, sondern viel eher "gemacht". Halt alte Pionier-Philosophie, die damals notwendig, erfolgreich und überlebenswichtig war und dort bis heute in den normalen Alltag wirkt.
Vielleicht macht´s - wie so oft - die richtige Mischung aus beiden Ansätzen
Ich muß aber auch zugeben, dass es mir manchmal auch Spaß macht, Tonleitern zu üben und Fingerübungen zu machen. Ob das vielleicht das Emotionslose, Monotone, Disziplinarische ist, was man als Gegenpol zu den anderen, eher gefühlsbetonten Übungen braucht? Oder masochistische Reflexe aus meiner Klavierstundenzeit?
Keine Ahnung. Ich mach´s jedenfalls gar nicht so ungern. Und vielleicht hat so ein unangestrengten Dahinplätschern einer pentatoischen Tonleiter über 4 Oktaven ja auch ihren Reiz.....
Natürlich kippt die ganze Sache, wenn man "unsinnige" Übungen, ohne jeden praktischen Anwendungswert, zur Kompetenzmaxime eines Gitarristen erhebt. Wenn man als Gitarrist also erst dann gut ist, wenn man in 5 Sekunden über alle 6 Saiten das gesamte Griffbrett chromatisch einmal rauf- und runterspielen kann. Dazu gibt´s bei YouTube diesen Chromatischen Spinnengott
Pebber Brown. Im Anfang fand´ ich den ganz lustig, weil er in seinen "Lessons" seine Zuschauer mitunter richtig beschimpft, weil sie oft faul sind, sich leicht ablenken lassen, sich für die Größten halten, obwohl sie die einfachsten Fingersätze nicht beherrschen, nicht mindestens 4 Stunden am Tag (chromatische!) Scales üben etc.
Hier mal ein Beispiel. Es gibt aber noch krassere Ausführungen.
Er hat mich fast dazu gebracht, die nächsten 2 Jahre intensiv chromatische Scales zu üben - bis ich auf Videos mit Live Auftritten von ihm gestoßen bin. Hilfe ! ! !
Wenn es das sein soll, was dann ein "guter Gitarrist" auf der Bühne bringt - NEIN DANKE !
relact, da bin ich ganz bei dir!
http://www.youtube.com/watch?v=OiLXn1oO-jE&list=PL82EFC3479B0A4D63&index=18
ab 1:12 wird´s ja schon grotesk
Aber ´n Mords Fingersatz!
Und hier noch einer:
ab 0:45 wird´s doch zur Karikatur, oder?
Oder spiele ich noch nicht lange genug und weiß die sorgfältige Auswahl seiner Solo-Töne nur noch nicht zu wertschätzen??
In diesem Sinne - nochmal LG und danke für die Hilfen!