"Sänger" ist kein geschützter Begriff, viele bezeichnen sich als solche, und es steht mir frei, sie schlecht zu finden. Du magst das als Härte und Anspruchsdenken empfinden - ich bezeichne es als Respekt vor wirklich gutem Gesang.
Die Frage ist, wo ist die Grenze? Wann ist ein Sänger "schlecht"? Wenn er gar keinen Ton trifft? Wenn er ab und an einen Ton nicht trifft, aber wirklich Ausdruck reinbringt? Ist er dann schlecht, nur weil ein paar Töne um ein paar Cent danebenliegen? Wenn er haucht, was andernorts wieder als Stilmittel eingesetzt wird? Wenn er dieses oder jenes Genre nicht beherrscht, aber in seinem perfekt ist? Wenn er in allen Genres singen kann, aber jeweils nicht perfekt?
Nimm mich als Beispiel: ich kann nicht Gitarre spielen, obwohl ich Gitarre spiele. Soll heißen: seit Jahrzehnten schrammele ich vor mich hin, okay, sonderlich üben tue ich nicht mehr, aber es ist eh Hopfen und Malz verloren - ich bin grottenschlecht.
Da isses wieder. Ich wette, so gar schrecklich ist Dein Gitarrespiel nicht. Und ich wette, Du könntest, wenn Du wirklich wolltest, weiter kommen. Es ist nicht Deine Priorität, das ist ok. Aber da scheint mir ein Anspruchsdenken da zu sein, das hemmend wirkt.
Ich kann prinzipiell auch Gitarre, die Leut würden schon nicht schreiend davon rennen. Ich wäre kein Jimmy Hendrix oder keine Julia Malischnig, aber anhören könnte man sich's schon, wenn ich üben würde. Und auch die beiden genannten, wie auch die Sängerinnen, haben irgendwann mal klein angefangen. Die waren irgendwann auch mal "mittelmäßig", vielleicht sogar "schlecht".
Die haben sich halt irgendwann hingestellt und sind aufgetreten, und dann nahmen die Dinge ihren Lauf.
Ich spiele nicht deswegen nicht Gitarre, weil ich meine, es nicht zu können. Die Arme hat es halt einfach nicht leicht mit mir - sie wird einfach keine Harfe (welche ich immer noch nicht spielen kann, aus diversen Gründen).
Dabei würde ich wahnsinnig gern. Ich würde gerne so gut Gitarre spielen können, daß ich mich auf der Bühne selbst begleiten könnte. Ich habe jahrelang davon geträumt. Aber daraus wurde nix. So what ?
Dann schmeiss die Selbstzweifel weg, üb a weng, stell Dich ihn und spiel. Dein Publikum wird bei weitem nicht so kritisch sein wie Du Dir selber gegenüber, da bin ich mir sehr sicher. Um Dich selber zu begleiten, musst Du nicht Otmar Liebert sein, wirklich nicht. Und Leute, die in etwas, auch im Gesang, besser sind als sie selber, werden auch Celine Dion oder Christina Aguilera finden, wenn sie denn suchen
P.S. "pädagogisch wertvoll" und "politisch korrekt" zu sein, ist nicht gerade meine Stärke, da gibt es Berufenere als mich.
Hoppala, als Pädagogin, und Gesangslehrer gehören da dazu, sollte man aber zumindest seinen Schülern gegenüber pädagogisch wertvoll sein. Wobei ich glaube, dass Du Dich auch da schlechter siehst, als Du bist. Denn was ich bisher von Dir gelesen habe, wenn es um Deine Schüler geht, klang durchaus pädagogisch wertvoll.
Stimme17, richtig, es ging nicht darum, zu klingen wie Christine Aguilera etc. Aber wie willst Du beurteilen, ob jemand so gut singt wie sie, woran willst Du das festmachen? Was ist das, "gut"?
antipasti schrieb:
Ein Vergleich: Ein Porsche fährt schneller als ein Golf, weil er mehr Leistung bringt.
Ach, das macht gar nichts. Am Porsche zieh ich mit einem Golf locker vorbei, wenn der in der Werkstatt steht oder auf dem Bordstein oder der Spur auf dem Feldweg aufgesesessen ist
Das ist eine Tatsache. Wenn mein Lieblingstempo aber nunmal 110 km/H ist und mich alles schnellere total nervt, ich den Golf auch hübscher und praktischer finde, dann nützt es dem Porsche nichts, dass er das bessere Auto ist.
Je nu. Ist er das
bessere Auto? Doch für den, der gern bei 110 km/h max fährt und ein praktisches Auto braucht, nicht, oder?
Bewerten ist schon manchmal was schönes, aber ich finde, es wird in Deutschland übertrieben. Vor allem, dass darauf geschaut wird, was schlecht gemacht wird. Die Amis sind meiner Erfahrung nach das andere extrem - die schauen zu sehr, was gut ist. Aber das Lernen in der Schule (zumindest dort, wo ich ausgeholfen habe) dort ist um Klassen angenehmer und somit letztlich effektiver, weil eben das Gute hervorgehoben wird. Und darauf springen Menschen nun mal besser an. Wenn es sinnvoll eingesetzt wird, also auch nur das gelobt wird, was man ehrlich als gut befindet. Da auch gern auf das Individuum gesehen, aber nicht ausschließlich.
Insofern, 1788, war "selbstverschuldete" Unmündigkeit schon wirklich saublöd ausgedrückt. Die Leut sind nicht schuld, sie haben es nur nicht anders gelernt.
edit: Ich schreib zu langsam
Shana, genau, das ist es. Ich stimme Dir in allem zu, außer bei Grönemeyer - ich kenne mindestens eine Person, die ihn gerne anders hören würde. Ich denke mir nämlich immer wieder, Junge, so schöne Lieder, aber warum singst Du die selbst?! Sein Stil macht mich kirre und verleidet mir die Lieder.