Was macht eigentlich mein Overdrive Pedal (mit z.B. einem 440Hz-Sinuston)?

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Hi Leute!
Also heute schreibe ich, weil ich wieder man geflasht bin von meiner Unwissenheit. Jetzt beschäftige ich schon seit 20 Jahren mit der elektrischen Gitarre und bekomme immer noch Einsichten die mir die Sprache verschlagen. Aber zunächst mal langsam.
Vor einiger Zeit habe ich ein Thema gepostet in dem es um TonsSucker ging. Dabei habe ich Frequenzgänge von Effektgeräten im ausgeschalteten Zustand untersucht. Der Ausgangspunkt war, dass mein Pedalboard mit ausgeschalteten Effekten nicht so klang wie die Gitarre direkt am Amp. Zuletzt konnte ich einen Frequenzgang der Gitarre zum Amp erreichen, welcher einem direkten Einstöpseln entspricht (siehe https://www.musiker-board.de/threads/tonschlucker-unter-den-pedalen.699911/). Dieses Thema hier und das o.g. Thema haben wohl einige Gemeinsamkeiten aber sicher zwei unterschiedliche Ansätze. Da ich nun leider feststellen musste, dass mein Effektboard zwar bzgl. des Frequenzganges keine Abweichungen zeigt, habe ich nun die Auswirkungen auf einen 440Hz SinusTon untersucht. Das geschah wohlgemerkt auf den lapidaren Kommentar meines geschätzten Bruders als ich vollmundig behauptet habe, dass aus meinem Effektboard nun ein sehr ähnliches Signal käme wie aus meiner Gitarre. Ob ich mir mal das Clipping angeschaut hätte hat er dann gesagt… Nein, hatte ich nicht! Aber jetzt. Und nun erschließen sich mir neue Welten. Erstens, wie im o.g. Thread erwähnt kommt aus meinem Effektboard doch ein sehr deutlich verändertes Signal aber dieser Sache gehe ich noch nach. Viel Interessanter ist jetzt was mit der Sinuswelle passiert wenn man ein Overdrive-Pedal darin benutzt.
Um dies zu untersuchen sende ich ein 440Hz Ton ins aktivierte Pedal und messe mit dem Plug in JScope, einem Oszilloskop, das was wieder zurück kommt. Hier sei nur am Rande angemerkt, dass die Auswirkungen auf andere Frequenzen anders sind und erst recht auf eine Summe an Sinuswellen.
In diesem Video-Beispiel zeige ich ein Xotic BB-Preamp. Dabei drehe ich an allen Reglern außer dem Gain-Regler, denn dieser hat (für mich völlig überraschend) keinen Einfluss auf die Kurve im Oszilloskop. Die Regler werden in folgender Reihenfolge bewegt: Aktivierung(0:02),Volume(0:05), Treble(0:018) und Bass(0:28).


Man sieht hier ganz eindeutig, dass die Sinuskurve nach dem Aktivieren des Pedals mit allen Reglern in Mittelstellung ein Clipping ausweist; dieses ist asymmetrisch. Mit zunehmendem Volume wird es symmetrisch. Mit zunehmendem Treble gibt es eine veränderte Darstellung des Plateaus. Verschiedene Reglereinstellungen beeinflussen den Slope des Plateaus. Und der Bass erwirkt sogar eine Reduktion der Amplitude und eine Veränderung des Clippingverhaltens wenn man ihn auf 0 stellt. Damit ergeben sich ja unendlich viele Möglichkeiten alleine mit diesem Pedal; vor allem, wenn man bedenkt, dass sich die Regler noch gegenseitig beeinflussen. Ich habe verschiedene Einstellungen getestet und kein anderes Pedal hatte bis jetzt solche völlig unvorhersehbaren Einflüsse auf das Signalverhalten gezeigt, waren aber durchaus ähnlich Komplex. Das Ds1 hat massive Auswirkungen auf das Signal; es wirkt sehr stark deformierend. Das Jan Ray wirkt sich recht subtil aus und mit einem leichten negativen Slope des Plateaus. Hier muss explizit angemerkt werden, dass die Auswirkungen des Clippings auf jede Frequenz anders ausfallen. Dies würde sich allenfalls integrativ erfassen lassen aber dafür habe ich noch keine gute Lösung gefunden. Diese Pedale alleine weisen eine so unfassbar große Komplexität auf mit dem was sie mit dem Sound machen! Wenn man jetzt auch noch komplexe Signale hereingibt und sagen wir mit einem Zerrsound mischt, entweder mit einem Verstärker oder einem anderen Effektpedal, ergeben sich unendlich viele Kombinationen und Möglichkeiten. Mir wird immer mehr klar warum es so unzählig viele Overdrive-Effektpedale gibt. Jedes macht etwas anderes! Mittlerweile ist dieses Thema zu komplex geworden, sodass ich wahrscheinlich demnächst in einem Video-Clip mache und alles anschaulich mit mehreren Grafiken demonstriere. Ich hoffe, dass meine Erfahrungen Euch auch etwas nutzen.

Beste Grüße J
 
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Wenn ich von Deinem Post ausgehe, insbesondere am Anfang, dann hat Dich überrascht, dass Gitarre mit Kabel direkt am Amp anders "klingt", als mit einem Pedal oder Pedalboard davor. Dazu ein paar Gedanken meinerseits.

Wenn man nicht ganz so "technikorientiert" Gitarre spielt, sind all diese Aspekte erst einmal völlig egal. Man möchte ein Pedal, z.B. einen Oberdrive, der die Vorstufe des Amps etwas "anbläst" und es soll noch Möglichkeit gut klingen, zumindest für einen selbst. Wird das erreicht, ist die Aufgabe erfüllt und weitere Gedanken sind überflüssig. Die Kompensation erfolgt dann am Amp, wie z.B. fehlende Höhen.

Steigert man seine Erwartungshaltung dahingehend, dass ein dazwischengeschaltetes Pedal, auch im ausgeschaltetem Zustand keinen oder minimalen Einfluss auf das Vergleichssignal hat, dann kann man das technisch bis zum "Exzess" treiben. Voraussetzung ist dann, dass man Kabel definiert und die Werte wie Widerstände, Kapazitäten, Impedanzen, Phaseneinfluß der verwendeten Pedale usw. kennt.

Will man das wirklich oder reicht es aus, wenn es funktioniert und gut klingt, damit ich damit "arbeiten" kann?

Natürlich kann man sich wissenschaftlich damit auseinandersetzen, aber was soll das Ziel sein? Ein Pedal, welches im ausgeschalteten Zustand keinen Einfluß auf das Signal nimmt oder die Feststellung des Einflusses, mit Bestimmung der Art muß dann erst einmal definiert werden.

Kompensation von "Verlusten" erfolgt normalerweise wie oben oder man macht den Amp etwas lauter usw. . Darüber hinaus, kann man auch über die eigentliche Signalkette nachdenken. Man kann z.B., insbesondere bei den Modulationseffekten, über einen parallelen Effektweg nachdenken, der eine Einflußnahme auf das Signal ohne Effekt erleichtert usw. ...

Aber wenn Du Spaß an der Forschung hast, ist das natürlich auch ok!
 
Aber wenn Du Spaß an der Forschung hast, ist das natürlich auch ok!

Selbstverständlich ist das ok.
Die Hinweise und Kommentare in Deinem Text sind zur Kenntnis genommen.
Trotzdem Danke für Deinen Beitrag zu diesem Thema.

Grüße J
 
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Ah, Samplitude ProX! :prost:

Ich finde das sehr spannend und würde mich über so ein Video sehr freuen. Das Oszi-Bild ist nicht immer leicht zu deuten und verhält sich g elegentlich auch nicht so wie man es erwarten würde. Interessanter finde ich meistens, wenn man sich das FFT dazu anschaut. Jede Verzerrung erzeugt ja Obertöne. Und da kommt es darauf an, welche Harmonische rauskommen (gerade oder ungerade, Level, dynamischer Verlauf, usw. Das ist schwer aus der Wellenform zu erkennen.
 
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Interessant.... Ich werde mir das bald abschauen. Grüße
 
Ah, Samplitude ProX! :prost:

Ich finde das sehr spannend und würde mich über so ein Video sehr freuen. Das Oszi-Bild ist nicht immer leicht zu deuten und verhält sich g elegentlich auch nicht so wie man es erwarten würde. Interessanter finde ich meistens, wenn man sich das FFT dazu anschaut. Jede Verzerrung erzeugt ja Obertöne. Und da kommt es darauf an, welche Harmonische rauskommen (gerade oder ungerade, Level, dynamischer Verlauf, usw. Das ist schwer aus der Wellenform zu erkennen.

Ohje...Du bringst mich vielleicht auf Ideen!
Ich habe deinen Vorgeschlagenen Ansatz mal probiert und bin wieder Überrascht von den Ergebnissen.
Zum Einen haben Geräte wie der TS9 oder das DS-1 bereits im ausgeschalteten Zustand eine ganze Reihe von Obertönen die sie erzeugen.
DS-1:
OFF_FFT.jpg


TS9:
OFF_FFT.jpg


Zum Vgl.; das Signal sollte eigentlich so aussehen(Bypass):
BypassFFT.jpg


Und zum Anderen sind die verschiedenen erzeugten Obertöne ganz verschieden laut bei den verschiedenen Herstellern. Hier gleicht keins meiner Pedale einem anderem. Es ist echt Wahnsinn wie vielfältig diese Pedale sind und wie verschieden. Natürlich hört man das auch allerdings ist man sich als Gitarrist nie so ganz sicher ob man das Gras wachsen hört aber offensichtlich sind diese marginalen Unterschiede tatsächlich objektivierbar. Dies relativiert im Übrigen die Ansicht einiger Toningenieure, die glauben, dass die Box den größten Einfluss auf den Ton hat. Das mag stimmen was das Frequenzspektrum einer Abnahme betrifft. Aber das Oberstonspektrum aus der Box und das Spielgefühl, welches durch bestimmte Kombinationen von Amps und OD-Pedalen entsteht. Damit ist die Kombination, die Suche nach dem perfekten Sound und eine detailreiche Auseinandersetzung mit unserem Equipment Teil des kreativen Prozesses des Gitarrespielens! Anders ausgedrückt, wir Gitarristen sind nicht ganz so doof wie von Toningenieuren behauptet wird. All diese Tests lassen sich sicherlich mit genauso vielfältigen Ergebnissen mit Verstärkern anstellen, bzw. dem was sich z.B. in den Vorstufen abspielt. Ggf. lässt sich das alles noch eskalieren in dem man diese Test mit verschiedenen Röhren in verschiedenen und gleichen Vorstufen und dann noch verschiedenen Kombinationen von Röhren untersucht. Leider ist meine Zeit sehr knapp bemessen und wenn ich mir das ansähe bliebe keine Zeit mehr zum Gitarrespielen hätte. Aber vielleicht eines Tages, wenn meine Hände zu alt zum Gitarrespielen sind, dann gehe ich dem weiter nach und poste meine Erfahrung. Falls dann überhaupt noch jemand Gitarre spielt ;-).

Ich könnte viele weitere Grafiken von meinen ODs posten aber ich glaube wirklich interessant ist nur der Vergleich vom Vemuram Jan Ray, vom TS9 und dem Ibanez/Vemuram, welcher aus den beiden vorher genannten Pedalen hervor gegangen sein soll. Ansonsten wären natürlich auch Vergleiche von Klons von Pedalen interessant. Ich habe aber leider keine Pärchen von Original und Klon. Deswegen zeige ich hier nur die Grafiken von Vemuram und Ibanez. Weil der TSV-808 wirklich Ähnlichkeiten mit dem Jan Ray aufweist!

TS9:
ON_FFT.jpg


Jan Ray:
ON_FFT.jpg


Ibanez/Vemuram TSV-808:
ON_FFT.jpg


Der Vollständigkeit sei hier noch gesagt, dass diese Grafiken natürlich mit einem 880Hz Ton gemacht wurden.
Ich habe jetzt gemerkt, dass diese Analysen so vielfältige Ergebnisse geben wie es Pedale gibt, und dass das Ganze auch durchaus sinnvoll ist. Ich werde weiter Pedale sammeln, diese aber höchstens auf Signalveränderungen im Bypassmodus testen. @901 Vielen Dank für diese interessante Idee.
Ich wünsche allen einen schönen Sonntagabend!

Beste Grüße J
 
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[...]
Ich habe jetzt gemerkt, dass diese Analysen so vielfältige Ergebnisse geben wie es Pedale gibt, und dass das Ganze auch durchaus sinnvoll ist. Ich werde weiter Pedale sammeln, diese aber höchstens auf Signalveränderungen im Bypassmodus testen. @901 Vielen Dank für diese interessante Idee.
Aber gerne! Ich wollte sowas auch schon mal machen. Ein weiterer interessanter Aspekt ist ja noch das Dynamikverhalten. Also welche Kompression erzeugt ein Pedal. Das kann man noch am ehesten in ei einem Wasserfalldiagramm darstellen. Muss ich die Tage unbedingt mal ausprobieren.
 
Es ist echt Wahnsinn wie vielfältig diese Pedale sind und wie verschieden. Natürlich hört man das auch allerdings ist man sich als Gitarrist nie so ganz sicher ob man das Gras wachsen hört aber offensichtlich sind diese marginalen Unterschiede tatsächlich objektivierbar. Dies relativiert im Übrigen die Ansicht einiger Toningenieure, die glauben, dass die Box den größten Einfluss auf den Ton hat. Das mag stimmen was das Frequenzspektrum einer Abnahme betrifft. Aber das Oberstonspektrum aus der Box und das Spielgefühl, welches durch bestimmte Kombinationen von Amps und OD-Pedalen entsteht. Damit ist die Kombination, die Suche nach dem perfekten Sound und eine detailreiche Auseinandersetzung mit unserem Equipment Teil des kreativen Prozesses des Gitarrespielens! Anders ausgedrückt, wir Gitarristen sind nicht ganz so doof wie von Toningenieuren behauptet wird. …
Respekt für all den Aufwand, aber diese Erkenntnis ist doch eher trivial. Das ein RAT komplett anders klingt, als ein TS, wird selbst jeder Nicht-Gitarrist hören.

Ursprünglich ging es ja mal um Tone-Sukker, also um Klang-Beeinflussung im By-Pass. Selbst da sind By-Pass-Schaltungen/OP-Amps halt auch unterschiedlich. JHS Pedals hat da ein schönes Video zu Boss Pedalen, die als Waza Craft Reissues wieder rausgebracht wurden, gemacht wo gut zu hören ist, dass die Waza Pedale durch die Bank „klarer“ klingen.

Aber insgesamt verstehe ich nicht so recht das Überraschende an der Erkenntnis, dass Effektgeräte den Sound verändern? Das ist doch Sinn und Zweck der ganzen Übung???
 
Den Wechsel von asymmetrisch zu symmetrisch bei zunehmender Amplitude finde ich irgendwie spannend. Bin da echt nicht sattelfest und bisher davon ausgegangen, dass ein Wechsel von asymmetrisch zu symmetrisch durch die Art des Clippings erzeugt wird. Beispiel EQD Plumes: Durch einen Schalter wählt man die Art des Clippings aus.

Ist das bei dem Pedal, das im Video gezeigt wurde, einfach schaltungsseitig anders gelöst oder wird asymmetrisch bei zunehmender Lautstärke immer symmetrisch :unsure:
Gut… wenn man die Preamps im Interface übersteuert sicherlich :p
 

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