Warum schreiben die Leute immer "Jazz, Swing..." ?

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Hallo,

ich seh es ja überall im Internet stehen (eben auch irgendwo hier im Board). Im Prinzip ist es nicht wichtig, aber ich frag mich echt, wieso Leute immer Jazz und Swing getrennt nennen, als ob es Zwei Sachen wären, die nichts miteinander zu tun hätten. Also z.B.
"ich höre gerne Rock'n'Roll, Jazz, Swing und Schllager. "

Immer wenn ich Swing höre, denke ich auch an Jazz. Ist es aber eingetlich nicht so? Oder wie oder was?
 
Eigenschaft
 
Tach auch,

na ja, Swing ist eine Unterform des Jazz. Swing par excellance spielt die Count Baise Bigband.
Sun Ra kann zwar swingen, ist dann aber eher dem Jazz zuzuorden.:D
Bis denne

Matt
 
und außerdem hat "echter" Jazz mit Swing nicht mehr viel zu tun. "Echter" Jazz ist für verwöhnte Weißbrote etwas schwierige Kost, während Swing mehr oder weniger total glattgebügelte Weicheiermusik ist :p
 
Ich tagge meine MP3s einfach so:

Wenn es swingt, ist es Jazz.
Wenn es nicht swingt ist es Rock.
Wenn es nicht swingt und auch nicht rockt, trotzdem gruhft wie die Sau, ist es Reggae. :)
 
...und dann wäre da noch ein Teil der Schlagermusik der 50iger Jahre in Europa - das ist Swing, aber kein Jazz...
 
Eine wichtige Eigenschaft des Jazz ist auch, dass viel Improvisiert wird. Beim Swing ist das meiste ausnotiert, oft sogar die Soli. Deshalb ordnen einige Swing nicht direkt als Jazz ein.
 
Ach Wiese
du mußt nicht alles so ernst nehmen, was Kulturbanausen so absondern.
Klassik ist sowohl ein Oberbegriff wie auch ein Genrebegriff. Die echte deutsche Klassik ist ja auch nicht Barock oder Renaissance.
Ähnlich im Jazz. Da gibt es auch den Oberbegriff und den Genrebegriff. Echter Jazz ist ein Genre. Der Swing hat auch mehrere Gesichter, die stilistisch unterschiedllich sind.
Wollte man das jetzt genauer und historisch belegen, gäbe wohl einige empörte Aufschreie.

während Swing mehr oder weniger total glattgebügelte Weicheiermusik ist
Das ist genau so dämlich als wenn ein Klassiker die echte Klassik und Romantik für "Weicheiermusik" erklären würde. Karajan und Bernstein wären dann die Schnulzenpäpste.
Ich weiß nicht was du unter "Echtem" Jazz verstehst. Bebop und Nachfolger sind es jedenfalls nicht! Richtig ist, dass "echter" Jazz etwas schwierige Kost ist.
Sun Ra kann zwar swingen, ist dann aber eher dem Jazz zuzuorden.
Bis denne
Matt
Ja was denn nun Matt? Spielt der auch Dixieland oder nicht? Oder ist Dixieland kein Jazz? Ich vermute das mal.

Bei solchen Fragen winkt leider Streit, da verschieden Welten aufeinandertreffen, die sich besser aus dem Wege gingen. Ich wäre dafür das Forum hier aufzuteilen in Hot Jazz und moddern Jazz oder Bebop oder wie auch immer. Dann könnte man den vorprogrammierten Konflikten aus dem Wege gehen.
Hallo Mods - wie wäre das?
 
Du kannst davon ausgehen, wenn jemand "ich höre gerne Rock'n'Roll, Jazz, Swing und Schllager. " sagt, dann hört er weder echten Jazz noch echten Swing.
 
@tantrix:
Man kanns auch übertreiben. Hier hat's nie Streit gegeben, höchstens eine zwar recht interessante aber irgendwo auch sinnlose Diskussion. Einen "Konflikt" zwischen "Hot Jazz" und "Modern Jazz" kann man da nun wirklich nicht reinprojezieren...
 
Naja ich würde Swing als die "popversion" von Jazz bezeichnen. Halt etwas massentauglicher gestrickt.

und außerdem hat "echter" Jazz mit Swing nicht mehr viel zu tun.
Das würde ich so nicht unterschreiben. Das eine schließt das andere doch nicht aus.

Es grüßt
Django
 
und außerdem hat "echter" Jazz mit Swing nicht mehr viel zu tun. "Echter" Jazz ist für verwöhnte Weißbrote etwas schwierige Kost, während Swing mehr oder weniger total glattgebügelte Weicheiermusik ist :p

Da frage ich mich, ob du nicht mal die Atomic Basie oder die Basie Straight Ahead dir anhören kannst und das nochmal wiederholen. (Ja, ich bin Basie Fan)

Also die ganze Entwicklung Bebop etc pp kommt doch vom Swing.. ich find jedenfalls, dass alles Zusammengehört.
 
@ lucjesu...
O. K. ich gebe zu man kann es auch übertreiben.
Die harmonischen Gewagtheiten zu Beginn des modern Jazz sind heute eher harmlos. Dies prophezeite anfang der 50er schon der Musikwissenschaftler Alfred Baresel.

@ Wiese
die Musikgeschichte ist nicht von Weiterentwicklungen geprägt, sondern durch Brüche. Niemand hat Bach oder Beethoven weiterentwickelt. Mozart ist keine weiterentwicklung von Bach oder sonstwem.
Bebop ist ein Bruch mit allem vorhergehenden. Swing ist ein Bruch mit dem alten Jazz aus New Orleans und Chicago. Als Quelle sehe ich Kansas an. Über den Kansas City Stil und den Western Stil findet sich was bei Wikipedia. Allerdings sind dort nicht die konzertanten Kompositionen der übergangszeit erwähnt. Da steht mal wieder nur die halbe Wahrheit.
Das eigentliche Thema ist daher dass man eine Gebrauchsanweisung für Kriterien der Wertschätzung braucht. Ohne diese ist mir chinesische Oper oder indianische Weihnachtslieder unverständlich. Musikalische Kriterien wären Rhythmik, Melodik, Harmonik, Form. Mit Entwicklung der Electronik kamen in den 60ern Soundexperimente dazu. Ein als wunderschön empfundene Melodik etwa aus dem Folkbereich kann man nicht gegenrechnen mit raffinierter Harmonik eines anderen Genres. Musiken stellen einen Bereich in den Vordergrund, andere ordnen sich dem unter. Im Oldtime Jazz kamen auch Harmonien vor, aber die sind nicht wichtig. Hauptsache sie stören nicht. Die alten Jazzer waren Rhythmiker. Modern Jazzer sind Harmoniker. Dazwischen liegen die Melodiker. Dazu fällt mir Barmusik und auch Ella Fitzgerald zu ein. Klassik ist eine Kunst der Form. Aber ich lasse mich gerne korrigieren.
 
Ja, vor allem kann der liebe Helge richtig fein Klavier spielen!
 
@ Wiese
die Musikgeschichte ist nicht von Weiterentwicklungen geprägt, sondern durch Brüche. Niemand hat Bach oder Beethoven weiterentwickelt. Mozart ist keine weiterentwicklung von Bach oder sonstwem.

Naja, also ich halte Brahms-Sinfonien schon für "Weiterentwicklungen" von Beethoven. Und Max Reger hat sich mehr als nur einmal bei Johann Sebastian bedient, wie viele andere Romantiker übrigens auch. Und ähnlich ist es beim Jazz: Die Bopper haben mit etwas gebrochen, was sie sehr gut kannten. Das ist etwa auch meine persönliche Deutung von Musikgeschichte: Lerne das alte Zeugs, lerne es gut, versuche es nachzuahmen, dann schmeiß alles in den Müll und mach was neues. Ergebnis: Etwas Neues, aber immer in einer bestimmten Form durchtränkt mit dem, was früher war. Und wenns die brutale Negation dessen ist.... ;)

Klassik ist eine Kunst der Form. Aber ich lasse mich gerne korrigieren.

Oder der Un-Form, wie bei John Cage. Da fällt mir ein: es gibt ein Klavierstück von Beethoven, das swingt wie die Sau. Kennt das jemand? Habs vor einigen Jahren mal im Radio gehört und dachte an Oscar Peterson solo. Und dann wars Brendel mit einer abgelegenen Beethoven-Miniatur. Manchmal gibt es Sachen, die wos einfach fast nicht geben tut.... ;)

Gruß Martin
 
Hhhhhmmmm,

vielleicht schafft Helge Schneiders Film "Jazzclub" Erleuchtung.:D
http://www.zeit.de/2004/15/Helge_Schneider
Schadet jedenfalls nich, dat Teil anzuschauen.
Bis denne

Matt.

Den hab' ich gesehen. Und war ziemlich müde dabei. Bin immer eingeschlafen und an den Musikstellen aufgewacht und hab zugehört. Helge ist sowieso geil was Mucke angeht. Seine Scherze sind manchmal auch lustig. Manchmal find ich ihn auch einfach nur unlustig.
 
Aber erst der Film mit Harry Belafonte. "Kansas City"!!!
Hinreissende Sax Solis und battles. Man fragt sich, wo hat der die excellenten Leute aufgetrieben. Der Film ist sehr liebevoll gemacht und gibt die Athmosphäre in Kansas zur Zeit der Entstehung des Swings ausgezeichnet wieder. Ich war und bin begeistert.
http://www.amazon.de/Kansas-City-Je...ef=sr_1_2?ie=UTF8&s=dvd&qid=1208864557&sr=1-2

Was heute nicht mehr so recht nachvollziehbar ist, das ist die Rassentrennung. Es gab nicht nur weiße und schwarze Läden, Bürgersteige, Sitzplätze und Clos und anderen unwürdigen Rassismus. Es gab auch schwarze und weiße Musik. Der Black Bottom z.B. war für den schwarzen Markt. R&B für den weißen. Der Oldtime Jazz war schwarze Musik - Bebop dagegen weiße. (Das war ein Bruch). Auch wenn da Schwarze mitspielten. Da die Oldtime- und Swing- Musiker sich auch gesellschaftspolitisch engagierten und gemischte Bands aufmachten, konnten auch weiße Musiker angegriffen werden. So erwischte es Jack Teagarden, der mit Pops durch die Lande zog. Aber auch Bennie Goodman, dem vorgeworfen wurde er haben den schwarzen Jazz weiß gemacht. Das war als Diffamierung gemeint. Verfolgt man seine Spielweise, stellt man fest, dass er das Idiom der schwarzen Musik beherrschte und neben Johnny Dodds hätte bestehen können. Er selbst spielte wrklich schwarz. Seine Arrangements waren manchmal weiß, aber eine Bigband ist auch ein Wirtschaftsunternehmen. Es gab auch schwarzen und weißen Swing, der für das jeweilige Publikum gemacht wurde. Letztere ist schmalziger. Nur der schwarze Jazz galt als echt. Der Weiße Jazz als minderwertige jazzoide Kopie der Musikindustrie aus kapitalistischen kommerziellen Interessen für den weißen Konsumenten.

Zwei besonders erwähnenswerte Protagonisten für die Menscherechte wären Harry Belafonte, der mit King die Menschenrechtsorganisation aufbaute und bis heute leitet. Aber auch Paul Robeson, der auch in Deutschland anerkannt wurde.

Bebop und Cool waren die Musik in den weißen Existentialistenkellern, der weißen Beatgeneration, der weißen Hipster, des weißen Undergrounds wo sich Künstler, Literaten, Philosophen ihrem weißen "Neo Nihilismus" frönten. Man muss sich diesen gesellschaftlichen, Lebensanschaulichen und Philosophischen Hintergrund schon verdeutlichen.
Das ist nicht so leicht nachzuvollziehen und ich kann das nicht so recht belegen. Daher verweise ich auf die Musikwissenschaftler Aaron Copland, Alfred Baresel und Hugues Panassier. Aber auch Max Horkheimer (Musiksoziologe) und Adorno, Satre und die Literaten dieser Zeit. http://de.wikipedia.org/wiki/Beat_Generation

Den heute schwerverständlichen, beinahe albernen Streit und Rassismus zu erklären ist nicht leicht. Ich will nicht seitenweise zitieren, sondern versuche es mal in einer Sprache von heute, etwas satirisch:
Es gab mal eine Zeit, wo man zu recht böse auf die moddern Fritzen war. Ihre neue Musik war keine Revolution im Sinne von re-vovolvere= das Rad weiterdrehen, sondern ein Bruch. Aber die Neuen hatten den alten Markennamen "Jazz" angenommen.
Das gab Proteste. Stell dir vor, jemand bringt eine neue Brause auf den Markt und verwendet einen etablierten Biernamen wie z.B. hier aus dem kleinen sauerländischen Ort W. Kein Wunder das die Firma einen dicken Hals kriegt. Mag ja sein dass das Zeug lecker ist - wenn man sich erstmal dran gewöhnt hat. Der eine mag die Brause, der andere das Bier und manche beides. Aber ich möchte vorher wissen was drin ist und nicht erst über die Theke reihern müssen weil ich plötzlich die ungeliebte Brühe im Halse habe. Alles klar? Wäre der Name Jazz ein eigetragenes, geschütztes Markenzeichen, hätte man die Strolche ja abmahnen oder gar bestrafen können.
Der Name "Jazz" ist kein eingetragenes Markenzeichen, daher der Markenklau nicht strafbar, aber wie unredlich ist die Verwendung?


Swing kennzeichnet auch die Integrationsbemühungen und Aufhebung des Rassismus. In den 50ern war der alte schwarze Jazz noch präsent und nicht unpolitisch. Mit der Flower Power Zeit wurde er weiß und unpolitischer. Spätestens mit dem Punk war diese Musik unbedeutend geworden. Ob heute sich noch Jazzmusiker mit dem Engagement finden weiß ich nicht. Unter den Musikern an sich viell. Bono, aber da steckt Harry Belafonte hinter. Ansonsten viell. bei den Hiphoppern, da bin ich nicht drin, aber auf jeden Fall in der "Rechten" Scene mit Blood&Horror (Bericht bei Arte). Vielleicht irre ich mich auch, aber Ich frage mich warum so wenig Gegengewicht?
 

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