Naja, nochmal zurück zum Eingangsposting. Die Töne einer Skala ergeben sich halt aus einer Rehie von Obertönen. Diese Obertöne kommen nicht da raus, wo sie heute auf dem Klavier sind. Früher musste man ein Instrument auf eine bestimmte Tonart stimmen. Innerhalb dieser Grundtonart klangen dann alle "abhängigen" Akkorde.
Das heißt, mal in C-Dur gesprochen, dass bei einem G7 die Töne allesamt woanders sind, als wenn das Instrument in G-Dur gestimmt ist, und man einen Dur-Skala mit "kleiner 7" spielt. Beim "Dominantseptakkord" G7 ist die G-Dur nämlich auf den Tönen der C-Dur gestimmt. Vor diesem Hintergrund machen auch die ganzen Kirchentonarten wieder Sinn, denn ein G mixo klingt halt einfach anders als ein G ionisch mit b7, reine Stimmung vorausgesetzt.
Irgendwann hat man aus rein praktischen Gründen eine Stimmung gefunden, in der man einen Mittelweg zwischen den Unterschieden aus dem oben beschriebenen Dilemma gefunden hat: Man hat die Tonleiter in 12 gleiche Abstände eingeteilt (nach einigen anderen Versuchen). Das war ein langsamer Prozess, denn die Ohren mussten sich daran gewöhnen. Das klang ursprünglich einfach mal nur falsch, genauso falsch wie's heut klingt, wenn man "rein" stimmt. Die Schwebungen sind eben anders als man gewöhnt ist, und die "chromatische Intonation", die wir heute (hoffentlich) sicher treffen, die gab's halt nicht.
Also die Chromatik ist eine recht "neue" Erfindung, die sich aus einem faulen Kompromiss ergeben hat.
Übrigens haben wir es dem daraus entstandenen Verschiebe-Effekt zu verdanken, dass es heute einen Unterschied macht, in welcher Tonart ein Stück geschrieben wird: Jede Tonart klingt ein bisschen anders, weil ihre Töne mehr oder weniger von der "reinen" Stimmung abweichen. Ist bei einer Tonart die große Terz ein wenig enger, klingt sie "molliger", sind Terz, 4 und 7 relativ weit, klingt die Tonart eher hell. Vor der Umstellung auf temperierte Stimmung gab es diesen Unterschied in dieser Form allerhöchstens durch sich aus der Tonhöhe ergebende Klangfarbeneffekte.
Also hat uns die Chromatik, obwohl sie ursprünglich einen faulen Kompromiss darstellte, zwar der Bedeutung der Kirchentonarten beraubt, uns aber mit den neuen, verschiedenen Klangfarben der Dur und Moll-Skalen bereichert. Manchmal fällt's beim Transponieren auf, dass ein Stück wegen einiger typischer Stellen in einer anderen Tonart einfach nicht richtig "klingt".
Liebe Grüße
Dana