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Verknackt wegen des gleichen "Funks": Pharell & Robin Thicke

  • Ersteller BonedoRalf
  • Erstellt am
Und diese Motown-Band, die für Marvin Gaye gespielt hat war wahrscheinlich so eine Band, die Tag für Tag zusammen gespielt, gejammt und aufgenommen hat. Und irgendwann haben sie vermutlich diesen Groove gespielt, über den Marvin Gaye dann seinen Song gesungen hat.
der von Antipasti bereits erwähnte Film 'Standing in the Shadows of Motown' dürfte da sehr auschlussreich sein
es gab zwar Freiheiten (besonders für den Bassisten James Jamerson), aber im grossen und ganz waren die Arrangement festgetackert
und es war ein Job der nach Stunden bezahlt wurde - nix jammen und Kreativität ausleben
das haben sie nach Feierabend in den Clubs von Detroit... ;)

cheers, Tom

ps: der Film ist äusserst unterhaltsam
 
nicht wirklich... für das Zusammenspiel sicher förderlich, aber Motown war im Grunde eine reine Musik-Fabrik
... bei der Ertrag ganz weit oben in den Prioritäten stand
Berry Gordy als Chef vom Ganzen und Holland-Dozier-Holland als Songschreiber am Fliessband
schon damals gab es Auseinandersetzungen um 'royalties' - bezeichnenderweise war Gordys Schwester Anna die Frau von Marvin Gaye... :D
die Funkbrothers lieferten einfach Background und Teppich für die (Vokal) Solisten ab und bingo

cheers, Tom
 
Wenn dann noch dummerweise die verfängliche Entstehungsgeschichte erzählt wird, so fällt dem Gericht die Entscheidung um so leichter.
Fuer mich ist das aus der reinen Praxis-Sicht der springende Punkt - die Kollegen haben doch mit diesem Statement ueberhaupt die Tuer fuer die Ansprueche geoeffnet. Das war ja ein oeffentliches Gestaendnis, und das duerfte in der Diskussion der Jury doch einiges and Gewicht gehabt haben, denke ich. Wer weiss, vielleicht hat es auch gerade diese Oeffentlichkeit erst dazu kommen lassen, dass der Gaye-Clan ueberhaupt Fahrt aufgenommen hat in der Sache?

Und man muss ja auch sagen - es ist recht selten, dass das so prominent verhandelt wird und zum Urteil kommt (und das sogar relativ schnell... man siehe nur die diversen Ex-Rock-Combos, die immer noch ueber Namen, Songs, etc. streiten)... hier hat man sicherlich auch im Verlauf der vorgerichtlichen Diskussion auch versaeumt, vielleicht eine guetliche Einigung (die sicherlich guenstiger haette ausfaellen koennen...) zu erzielen. Wer dann bis vor's Gericht geht, dem kann halt "irgendwas" passieren (gerade in den USA - aber in DE ist das ja nicht viel anders).

Ich meine, sowas kann ja wie hier im Thread beschrieben auch "aus Versehen" passieren. Man hoert viel Musik, spielt viel nach, und zack hat man was Altes kopiert und denkt es ist seins (siehe "My Sweet Lord" als unbewusstes Plagiat). Nur kann man eben entweder um sein Recht streiten, was hier gemacht wurde, oder kann sagen "ach stimmt, das ist aehnlich, da hat unser grosses Vorbild noch mitgewirkt... also sehen wir das ein und bieten dafuer XYZ an".

Jeder, wie er will.

Will sagen: "richtige" Musiker wird es nicht schocken. Wenn man einen Welthit schreibt, wo man doch irgendwie unbewusst ein deutliches Plagiat abgeliefert hat, dann muss man nachtraeglich ein bisschen was von den Millionen abgeben. Nun denn.
Schwerer wird's fuer die Copy&Paste-Fraktion, wo ohne Instrumente und mit mehr oder minder geklauten Grooves gearbeitet und perfektioniert wird. Finde ich nicht schlimm.
 
wobei ich gerade bei Williams einen kalkulierten Publicity Effekt nicht unterschätzen würde
sein Name auf x-beliebigen Tonträgern garantiert Erfolge im obersten Bereich
(wer kannte in den USA Daft Punk bevor Williams in's Spiel kam ?)
nun hat er weltweite Presse praktisch für umme und darf sich zur Abwechslung mal in der Rolle des underdog zeigen :D

cheers, Tom
 
wobei ich gerade bei Williams einen kalkulierten Publicity Effekt nicht unterschätzen würde
Fuer 7 Millionen Dollar? Das faellt mir schwer zu glauben. Geht auch billiger.
Ausserdem bin ich ja der Meinung, dass Daft Punk mehr der Strat von Nile Rodgers verdanken als Pharrell... aber naja, das ist muessig zu diskutieren.

Es ist ja auch nicht so, dass der Mr Williams nix kann - "Happy" ist ja wohl einer DER Songs der letzten Jahre, und da hat noch keiner "der ist aber von da und da geklaut" geschrien....
 
ob 2, 5 oder 7 Millionen... abzüglich Steuervorteil... ist ein Schnäppchen für diese Bandbreite und Medienabdeckung
vor allem ist er in einer fast 'menschlichen' Rolle unterwegs, nicht mehr als abgehobener Über-Produzent
wer Pharell Williams noch nicht kannte, kennt ihn spätestens jetzt - von der Antarktis bis Wladiwostok

cheers, Tom
 
Wenn man davon ausgeht, daß im vorliegenen Fall, das "Substantielle des Gaye-Songs" übernommen wurde, so läge keine "freie Benutzung" vor. Es wäre, bezogen auf das Gebiet der Literatur, vergleichbar damit, wenn die Handlung einer Fabel komplett übernommen, die Gestaltung aber verändert wurde. Es könnte z.B. ein anderer Standort, andere Personen, eine andere Zeit usw. gewählt werden; das Substanzielle bliebe aber gleich.
Das sehe ich komplett anders, denn das würde ja bedeuten dass man Melodie und Text von "Got to give it up" übernehmen könnte, wenn man den Rhythmus ändern würde. Die Handlung eines Songs sind doch gerade Melodie und Text, der Rhythmus ist die Welt, in der diese Handlung spielt.

Aber mal davon abgesehen kann man Literatur nicht mit Musik vergleichen, das sind zwei verschiedene Mediengattungen.


Ja, die Rhythmus-Patterns allein sind wohl nicht geschützt, da zu wenig individuell. Das trifft wohl auch auf Ausschnitte aus dem Bass des Originals zu, auf die Instrumentierung usw.
Entscheidend für den Fall ist m.E., daß die Summe der einzelnen Komponenten des Thicke/Williams-Songs nicht individuell genug sind. Kenner werden sofort an den Gaye-Song erinnert, an seine Individualität, obwohl alle Bestandteile mehr oder weniger verändert wurden.
Die deutsche Rechtsprechung hält sich recht strikt an das Prinzip Schöpfungshöhe. Siehe z.B. der Fall McDonalds-Jingle, obwohl sehr charakteristisch und mit extrem hohem Wiedererkennungswert, hat ein Gericht festgestellt, dass er nicht die Kriterien für die erforderliche Schöpfungshöhe erreicht, um als eigenständiges Werk zu gelten und urheberrechtlichen Schutz zu genießen.

Es gibt sehr viele Rhythmen die unheimlich charakteristisch sind und uns sofort an bestimmte Songs erinnern (zB die ersten Takte von "Take On Me", "We Will Rock You" oder "In the Air Tonite", fallen mir gerade spontan ein), aber dennoch erreichen diese ohne die zugehörige Melodie und Text keinen urheberrechtlichen Schutz.

Daher meine Einschätzung, dass das Rhythmus-Pattern des Gaye-Songs schlicht und einfach nicht schutzfähig ist und man somit auch keine Urheberrechtsverletzung begehen kann, wenn man diesen Rhythmus übernimmt.


Zum Thema Individualität des Williams/Thicke-Songs: Darüber können wir uns jetzt natürlich ewig streiten, da der Song jedoch komplett eigene Melodie und Text enthält (die ich für weitaus einprägsamer halte als die Gaye-Version), ist in meinen Augen ausreichend Individualität gegeben, um die notwendige Schöpfungshöhe zu erreichen und somit als eigenständiges Werk zu gelten.
 
...wobei ich dann doch ketzerisch von der Seite anmerken muss, dass zwischen kontinentaleuropaeischem Recht mit seinen klaren Gesetzen und dem angloamerikanischen Rechtssystem mit seinem Case Law / Praezedenzfaellen eben durchaus ein krasser Unterschied besteht. Und sowieso nicht jeder Einzelfall mit geltenden Regelungen klar entscheidbar ist (sonst braeuchte es ja keine Gerichte und Rechtsanwaelte, gell?)

Oder anders ausgedrueckt: Unabhaengig davon, was die Meinung der hochgeschaetzten Kenner des (deutschen) Urheberrechts ist - es gibt erstmal eine klare Gerichtsentscheidung in den USA. Mal sehen, ob es weitere Instanzen gibt - ich recherchiere da auch gerade, hat da jemand was zu gehoert?

Interessante Randnotiz ist auch, dass es ja Pharrell und Co. waren, die geklagt hatten, nachdem Gaye-Family eine Klage angedroht hatte... und das auch noch Funkadelic involviert war, mit denen man sich aber einigen konnte (http://www.rollingstone.com/music/news/robin-thicke-and-pharrell-lose-blurred-lines-lawsuit-20150310)...

Bei "Sexy Ways" faellt es mir aber wirklich schwer, einen Vergleich zu finden...
 
(wer kannte in den USA Daft Punk bevor Williams in's Spiel kam ?)
Heyhey, mal ganz ruhig. Wer kannte denn in Deutschland denn Daft Punk bevor Williams dazu kam? Daft Punk wurde durch Lucky auch dem Radio Pubikum bekannt. Unbekannt waren sie aber wirklich nicht.
 
dir scheint die Dimension einer #1 Platzierung in den US Album Charts nicht wirklich bewusst zu sein... ;)
das vorher erfolgreichste Album Discovery erreichte in Deutschland immerhin Platz 5, in den USA 23

cheers, Tom
 
Schöne Diskussion hier!

Ich finde interessant bei dem Urteil und auch bei der Diskussion, dass der Vorsatz zu kopieren überhaupt eine Rolle spielt. Moralisch ist das natürlich wichtig ob mit oder ohne Vorsatz aber rechtlich??? Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass ich ungestraft kopieren darf, wenn ich nachweisen kann, dass es ohne Vorsatz geschehen ist !?
(Bevor jetzt entsprechende Erwiderungen kommen: das ist natürlich eine rein theoretische Überlegung, mir ist schon klar, dass es nahezu unmöglich sein sollte, fehlenden Vorsatz beim Kopieren von Musik zu beweisen!)
Ich bin überzeugt davon, dass es genug Lieder gibt, die in der Absicht entstanden sind, ein vorhandenes Lied bis zu einem gewissen Grade nachzuahmen. Ob es da ein bestimmter Groove ist, die Stimmung oder die beiden seltsamen Akkorde am Ende des Refrains oder diese leise Drehleier im Hintergrund oder, oder, oder ....
Viele Komponisten fangen so an, lassen sich inspirieren, ahmen nach und ändern dann nachträglich ab um identische Schnipsel zu eliminieren und was eigenes draus zu machen. Vielleicht fliegt die Drehleier irgendwann auch wieder raus, weil man es geschafft hat, die gewollte, persönlich empfundene Stimmung anders zu erzeugen. Einige der so erzeugten Ergebnisse haben dann praktisch keine Ähnlichkeit mehr mit dem ursprünglichen Vorbild, andere haben leichte Ähnlichkeit. Aber egal wie, wer nicht bescheuert ist, sollte so lange an dem Stück rumfeilen bis er selbst davon überzeugt ist, dass er kein Risiko mehr eingeht, mit allem anderen schadet man sich doch selbst (die meisten Plagiatsvorwürfe werden schließlich gegen bereits erfolgreiche Komponisten oder Musiker erhoben).

Ich fand das Urteil beim ersten Lesen VÖLLIG absurd. Dank der qualitativ hochwertigen Diskussion hier im Board bin ich aber ins Grübeln gekommen. Trotzdem bleibt ein unguter Beigeschmack, weil einfach eine Grenze überschritten wurde. Wenn ich Thicke wäre (Vorsatz oder kein Vorsatz sei mal dahingestellt), hätte mich das Urteil überrascht. Ich glaube auch nicht, dass solche Publicity für Williams und Thicke irgendwas nutzt. Viel bekannter als die beiden kann man beim eigenen Zielpublikum kaum werden.
 
wer redet denn beim Marketing von der bereíts erreichten Zielgruppe ?
es geht um neue Märkte - und da kann sich der reine Bekanntheitsgrad drastisch auswirken
Apple hat Dr. Dre die Beats Klitsche sicher nicht wegen musikalischer Verdienste für einen 3-stelligen Millionenbetrag abgekauft
er ist aber der Typ, der aus relativen nobodies wie Calvin Broadus oder Marshall Mathers zu Ikonen gemacht hat... ;)

für mich war und ist diese unsägliche 'Mercy' Nummer von ex-celtic-folk Duffy eine ebensolche stilistische Kopie ... von 'I Heard it throught the Grapevine'
(sie kann natürlich nichts dafür, ist Werk des Produzenten - nach dem Motto: wie schnitzen wir uns einen Hit ?)
bekannt wurde der Titel in der Marvin Gaye Version, wie die Rechte daran verteilt sind, weiss ich allerdings nicht

cheers, Tom
 
Zuletzt bearbeitet:
Die deutsche Rechtsprechung hält sich recht strikt an das Prinzip Schöpfungshöhe.

...und im amerikanischen Recht gibt es den entsprechenden Begriff "threshold of originality".
The threshold of originality is a concept in Anglo-American-based copyright law systems that is used to assess whether a particular work can be copyrighted. It is used to distinguish works that are sufficiently original to warrant copyright protection from those that are not. In this context, "originality" refers to "coming from someone as the originator/author" (insofar as it somehow reflects the author's personality), rather than "never having occurred or existed before"
http://en.wikipedia.org/wiki/Threshold_of_originality
Bitte beachten, daß ich bereits ausgedrückt habe, daß ich den Rhythmus allein und die Kuhglocken allein nicht für schutzwürdig erachte.

Der Haken bei dem Thicke/Williams-Song ist, wie ebenfalls schon ausgedrückt, daß die Gesamtheit aller Elemente, sich zu nahe an die Vorlage anlehnen. In meinen Ohren und wurde genau "the author's personality" des Originalsongs geklaut.

Aus dem Urteil herauslesen zu wollen, daß ein Genre, e.g. Funk-Groove allgemein, monopolisiert wird, halte ich für weit überzogen. Man höre sich mal alle Funk-Hits vor 1977 an, man wird keinen einzigen Song finden, der dem Original so ähnlich ist, wie der Thicke/Williams-Song. Es ist also legitim, daß aus den gefüllten Taschen von Thicke/Williams einiges in die Taschen der Gaye-Familie transferiert wird.
Dieses Urteil war eine Einzelfallprüfung und man sollte nicht vorschnell auf weitere Fälle schließen. Es wird sicher künftige Fälle geben, die entsprechend abgelehnt werden und es wird genauer definiert werden, wo die Grenze zwischen Kopie und Original verläuft.

Interessant, daß die Jury, nach sieben Verhandlungslagen und detaillierten Untersuchungen von mehreren Musikologen zu dem Urteil gekommen ist, ohne die beiden Songs insgesamt anzuhören. Das wurde nämlich vom Thicke/Williams-Anwalt untersagt und die Gaye-Familie befüchtete deshalb Nachteile:
.. the judge looked to old standards under the 1909 Copyright Act and concluded that the Gaye family hadn't sufficiently shown it made necessary deposits of the "Got to Give It Up" sound recording at the Copyright Office. As such, Gaye's copyrights on the song were limited to the sheet music compositions.
...
"Pharrell Williams and Robin Thicke started this lawsuit against the Gaye family, but then filed motions asking the court to prohibit the playing of Marvin Gaye's song, which prevents the jury from comparing the songs," says Busch. "We know of no similar case where this has occurred, and do not believe that a truly fair trial can take place if the jury cannot hear and compare both songs. We are currently exploring all of our options."
...
"A truly fair trial requires only a comparison of the compositions, not the sound recording, which is not owned by the Gayes," says King. "Given the fact that the compositions have absolutely no substantial similarities, there is little chance the Gayes can prevail at trial or on any threatened appeal."
Quelle: Eriq Gardner: Marvin Gaye's Family Doubts "Fair Trial" In 'Blurred Lines' Lawsuit

The eight jurors in the case were instructed by the judge, John A. Kronstadt of United States District Court, to compare “Blurred Lines” and “Got to Give It Up” only on the basis of their “sheet music” versions — meaning their fundamental chords, melodies and lyrics, and not the sounds of their commercial recordings.
Quelle: BEN SISARIO and NOAH SMITH: ‘Blurred Lines’ Infringed on Marvin Gaye Copyright, Jury Rules

Das Urteil untersuchte nicht nur eine Komponente, wie z.B. früher meist die Melodie, sondern es wurden mehrere genauestens untersucht.

Die Originalität der Melodie spielt in der heutigen Musik eine deutliche geringere Rolle als früher. Der Schutz von Originalen muß sich daher stärker als früher durch andere erweiterte Betrachtungen manifestieren. Dies gilt um so mehr, als daß es mit den heutigen technischen Methoden, ein leichtes wäre, sich ein Original vorzuknöpfen und "mechanisch" die Forderungen früherer Rechtsprechung nachträglich einzubauen.

Es wird ja auch vielfach die mangelnde Qualität heutiger Popmusik beklagt, welche mit einer unkreativen Produktionsweise in Verbindung gebracht wird.

Elton John wäre sogar für ein (undurchführbares) Experiment:
I do think it would be an incredible experiment to shut down the whole internet for five years and see what sort of art is produced over that span. There’s too much technology available. I’m sure, as far as music goes, it would be much more interesting than it is today.
...
In the early ‘70s there were at least ten albums released every week that were fantastic. Now you’re lucky to find ten albums a year of that quality.
Quelle: Elton John: Shut Down The Internet

Kaum ein Komponist in der Musikgeschichte ist ohne Vorbilder ausgekommen. Einer lernt vom anderen und entwickelt daraus sein eigenes.

Völlig korrekt. Man studiert die Vorbilder, imitiert sie sehr lange und allmählich entwickelt sich etwas Eigens. Es muß aber etwas wirklich "Eigens" sein. Wird das Stück bekannt und man verdient viel Geld damit, ist es wahrscheinlich, daß genau überprüft wird, inwiefern es etwas "Eigenes" ist.
Die wirklich kreativen Künstler, sind nicht an Vorlagen interessiert, sondern sie möchten Neuland erobern. Und genau diese Künstler mögen wir so gerne und sie dienen lange Zeit als Vorbilder für nachfolgende Generationen von Künstlern.

Daß Thicke abgekupfert hat, steht mich für mich eigentlich außer Frage. Nur daß der Funk-Groove eine originäre Erfindung Marvin Gayes war, glaube ich nicht.

Im ersten Satz stimmen wir überein und beim zweiten Satz könntest Du durchaus recht haben. Doch eine Rechtsprechung ist auf Beweise angewiesen - Glaube zählt nicht.

Wenn der Beweis erbracht wird, auch nach Jahrzehnten, so wird auch entsprechend gerichtlich entschieden, wie z.B. bei dem alten Hit "The Lion Sleeps Tonight". Die musikalische Vorlage wurde zunächst (gerne) für ein Volkslied gehalten, bis gezeigt wurde, daß Solomon Linda ihn 1939 für seine Auftritte in Johannesburger Bars und Kneipen geschrieben hatte. Seine Familie erhält jetzt Einnahmen:
Im Februar 2006 einigten sich die Erben mit dem Verlag Abilene Music, der inzwischen als Inhaber der Rechte an Mbube agierte, über eine Zahlung von Lizenzgebühren für die weltweite Nutzung der Komposition...
http://de.wikipedia.org/wiki/Solomon_Linda

Mbube - Solomon Linda's Original Evening Birds- Wimoweh.wmv


Tokens - The Lion Sleeps Tonight


Auch in diesem Fall wurde die Originalität des Songs (author's personality) übernommen, der Rest war in großen Teilen nicht schutzwürdiges kompositorisches Handwerk, ist aber dennoch eine schützenswerte Bearbeitung.

Für Bearbeitungen ist die Lizenz des Urhebers erforderlich (bzw. desjenigen, der seine Rechte wahrnimmt).

Viele Grüße

Klaus
 
Da ich wie gesagt von US-Urheberrecht keine Ahnung habe, hab ich mich durch einige amerikanische Artikel gewühlt um eine belastbare Aussage zur rechtlichen Lage zu erhalten. Das einzige Statement eines Experten (ein Professor für Musiktheorie an der New Yorker Universität) habe ich hier gefunden:
They are very similar in their rhythmic structure and their “vibe,” but up until this particular case, that was never a copyright-able thing ... When we think of copyright infringement, we think of a melody being stolen ... That’s always been the main indicator of copyright.
http://www.vulture.com/2015/03/what-the-blurred-lines-ruling-means-for-music.html

Verhält sich also wohl ähnlich wie in Deutschland.


Der Tenor ist insgesamt, dass das Urteil wohl recht stark durch das dämliche Verhalten von Robin Thicke beeinflusst wurde. Viele Stimmen befürchten nun eine Klagewelle in ähnlich gelagerten Fällen, in denen Songs ähnliche Strukturen und "Feelings" enthalten.

http://www.laweekly.com/music/great-now-blurred-lines-has-ruined-the-entire-music-industry-5427407
http://www.hollywoodreporter.com/th...ial-marvin-gayes-779673?mobile_redirect=false
http://createdigitalmusic.com/2015/03/robin-thicke-judgment-day-copyright-law-died/
 
Der Tenor ist insgesamt, dass das Urteil wohl recht stark durch das dämliche Verhalten von Robin Thicke beeinflusst wurde. Viele Stimmen befürchten nun eine Klagewelle in ähnlich gelagerten Fällen, in denen Songs ähnliche Strukturen und "Feelings" enthalten.

Trotz massiver Antipathie gegen Thicke und den Song finde ich das Urteil aus künstlerischer Sicht auch nicht gerechtfertigt.

Ich für meinen Teil seh auch nichts verwerfliches daran sich Vorlagen zu nehmen und auf Basis dessen aufzubauen.

Die meisten Musiker brauchen ja auch gar nich so vermessen zu sein, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Wenn ich jetz sage, dass ich beispielsweise ne Punkband gründe, dann unterwerfe ich mich musikalisch eben auch nem ganzen Katalog an Vorgaben, damit am Ende auch eine Punkband dabei rauskommt.
Anhand dieses Urteils müsste eigentlich nun weltweit Millionen von Musikern verklagt werden bzw. sich gegenseitig verklagen. Denk ich allein mal an "Trademarks" von Genres, die immer wieder auftauchen..... z.B. den typischen Wobble-Part im Dubstep oder nen Breakdown in irgendnem Hardcore/Metalcore/Deathcore-Zusammenhang oder oder oder oder oder oder....

Dieser vorliegende Fall reicht auf jeden fall bei Weitem nicht aus um von einem Plagiat zu sprechen.
 
Doch eine Rechtsprechung ist auf Beweise angewiesen - Glaube zählt nicht.
Das ist schon klar. Nur mich persönlich interessiert halt das Urteil von an dem Prozeß beteiligten Anwälten, Richtern, Gutachtern, Klägern und Beklagten nicht sonderlich. Ich glaube nicht, daß da ein unabhängiges, neutrales und wissenschaftlich belastbares Ergebnis herauskommt, wenn die das untersuchen, da sie ja alle irgendwie befangen sind.

Den historischen Ablauf von solchen Vorgängen an sich finde ich aber schon interessant. Den findet man aber am besten von einem rein musikwissenschaftlichen bzw. musikhistorischen Standpunkt heraus, nicht von einem juristischen. Und das vielleicht erst in 10 oder 20 Jahren.

Was die mit ihrer Kohle für Probleme haben, geht mir ansonsten reichlich am Sitzfleisch vorbei ...

Viele Grüße,
McCoy
 
@ambee
Danke für die Stellungnahme von Lauretta Charlton - eine der seltenen, die detaillierter auf den Fall eingeht.

Sie schreibt:
Is it horrible because people are going to have to think twice about stealing someone else’s groove? ...
I don’t see this decision as being a bad thing. ...
The laws are antiquated because we need to be able to look at a recording. If you play these two songs on a piano back to back, it’s clear they’re not the same song. If you play them with the rhythm and the drums and the cowbells and everything, they start to sound very, very similar. ...
We’ve got to get some language to determine where the [copyright-infringment] line exists.
http://www.vulture.com/2015/03/what-the-blurred-lines-ruling-means-for-music.html

Das ist genau der Punkt, auf den ich abhob. Es ist heute ein leichtes, jeden beliebigen Hit, gerade so zu verändern, das die die Details aus den bisherigen Gerichtsurteilen gerade noch erfüllt werden. Man kümmert sich dabei nicht um den "Geist" der das Urheberrecht erfüllt, sondern nur um die (bisherigen) Buchstaben.
Mit Lauretta Charlton denke ich, daß das Recht angepasst werden muß. Die heutige fabrikmäßige Konstruktion von Hits, welche auch gezielt vergangene Hits ausschlachtet, würde den Kern des Urheberrechts aushebeln.

Eine Experten-Gegenmeinung vertritt Dr. E. Michael Harrington (Professor of intellectual property at Belmont University in Nashville, TN and has served as an expert witness in numerous music copyright cases.)
And I would choose Robin Thicke’s side. I don’t think he has infringed copyright because of the big big “M word” – MELODY.
http://www.emichaelmusic.com/my-interview-with-the-canadian-broadcasting-corporation-day-6/
Daß die Rolle der Melodie heute tiefer gehängt werden sollte, hatte ich bereits hervorgehoben.

Ein weiterer Experte (Harvey Gellar, a veteran music industry litigator at the firm Gradstein & Marzano) ist der Meinung, daß sich nach diesem Urteil die Musiker
weiterhin von früheren Werken inspirieren lassen, jedoch muß sich ihre Musik substanziell von ihr unterscheiden:
Will this make artists more nervous when it comes to who influences them when they're writing songs?

Gellar: No. Infringement cases have been going on for years and it's not just in the music area, you see it in film as well. Rarely do they have a chilling effect. You still have to meet the standard in an infringement case that you actually copied or that you had access to the other person's property, recording or movie, and that what you created is substantially similar to theirs. That's what the jury concluded here, but it's not going to stop artists from being inspired by earlier works.
http://www.scpr.org/programs/the-fr...d-lines-trial-gaye-estate-awarded-nearly-7-4/

Ein weiterer Experte der Musikindustrie, Andy Saunders (Velocity Communications) unterstreicht, was ich ebenfalls betonte: Es ist Nonsens, zu behaupten, das Urteil würde die Kreativität mindern. Es stärkt die Rechte der Kreativen und man kann nicht die Kreativität anderer aus kommerziellen Gründen für seine eigene ausgeben:
... the jury reached the right verdict and said it is "a nonsense argument" to say it will impinge on artists' creativity.
It reinforces the idea of copyright which is the one thing that content owners and songwriters have, and the fact that you just cannot go around abusing copyright. So from that point of view it reinforces something that the music industry feels very strongly about - the right to protect intellectual property. ...
You cannot appropriate somebody else's creativity and claim it for your own for commercial reasons. You simply can't do that.
If we do that, that not only affects big corporations, the major labels and so forth, what it affects is songwriters, it affects the ability of creative people to make a living. ...
Mr Saunders said he does not think the case will necessarily impact on Williams, but he thinks the famous singer will "think twice before doing it again".
http://www.mirror.co.uk/3am/celebrity-news/blurred-lines-robin-thicke-pharrell-5313534

Schließlich Judith Finell, eine der Gutachterinnen vor Gericht:
In her years as a music expert consulting on copyright cases and reviewing compositions for potential infringement, the similarities between the two songs were “highly unusual,” she testified.
http://www.latimes.com/local/lanow/la-me-ln-expert-blurred-lines-trial-20150226-story.html

Es wird sich zeigen, ob die Entscheidung eher Zufall war, oder ob die Rechtsprechung jetzt die Wandlungen der Musik und der heutige Kompositionspraxis in der Popmusik-Industrie gezielt berücksichtigt.

Ich glaube nicht, daß da ein unabhängiges, neutrales und wissenschaftlich belastbares Ergebnis herauskommt, wenn die das untersuchen, da sie ja alle irgendwie befangen sind.
Mit Wissenschaft allein kommt man dem nicht bei, wegen der obigen Veränderungen, welche das Unterlaufen des Urheberrechts zur Folge hätten. Ansonsten: Das Recht wird von realen Menschen gesprochen. Zweifelhafte Gottesurteile sind uns aus dem Mittelalter bekannt.
Was kann mehr getan werden, als die Experten BEIDER Parteien vorsprechen zu lassen und eine möglichst neutrale achtköpfige Jury zusammenzustellen, die ein Urteil fällt? Oder gibt es konkrete Hinweise auf Befangenheit? Befangene Richter und Jurymitgleider können bekanntlich abgelehnt werden.

Die Jurymitglieder könnten allenfalls - mehr als Berufsrichter - von der Tagespresse beeinflusst werden und somit der Meldung, daß Thicke zugab, gelogen zu haben. Ich finde es nicht schlimm, daß Lügner vor Gericht Nachteile haben. Leute diesen Charakters, kümmern sich innerlich wahrscheinlich einen Dreck um das, weshalb das Urheberrecht geschaffen wurde: Dem Schutz der Leistung der Urheber.

Viele Grüße
Klaus
 
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Trotzdem bleibt die Frage, ob mit dem Urteil nicht ein gewaltiges Fass aufgemacht wurde !?





Ich hab mich wirklich nicht hingesetzt und nach "Dubletten" gesucht, sondern nur zufällig beim Hören des mir vorher wenig bekannten Chart-Hits gedacht, "das klingt vertraut!".
Wer weiß, was hier im Bord unsere Cracks noch für Mengen an Dubletten finden, wenn sie unter den Kriterien des Urteils gezielt anfangen zu suchen.
 
Ich werde meine Masterarbeit über ein Thema schreiben, welches dem Diskussionsthema sehr ähnlich ist. Nur etwas historischer.
Nur werde ich versuchen das nicht als Klau zu bezeichnen und böswillige Absichten zu unterstellen, sondern die Begrifflichkeit des Ideentransfers an Hand eines bestimmten Beispiels prägen.
Natürlich hat das um 1850 wirklich niemanden interessiert, aber wieso werden heute Menschen verurteilt, die aus ihrer musikalischen Sozialisierung heraus und durch ihre eigene Historie geprägt einen Klang nachahmen oder sich an einen bestimmten Stil anlehnen? Musik kann nicht neu erfunden werden, sondern basiert doch hauptsächlich auf Konventionen, die sich über Jahrzehnte hinweg zwar leicht ändern können, aber deren Geschichtlichkeit doch kaum zu leugnen ist. Dass irgendwann eine Reminiszenz stattfindet ist demnach kaum zu vermeiden. Zu jedem geschriebenen Song kann man bestimmt eine Parallele zu schon etwas Bestehendem ziehen und diese eventuell auch nach geltendem Recht als Grundlage für einen Gerichtsprozess nutzen. Aber wem ist damit geholfen? In meinen Augen geht es hauptsächlich ums Geldscheffeln, Neid oder irgendein anderes belangloses Befinden.
 
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