War vor 3 Wochen nachmittags bei Hans in gegenseitigen Boxenangelegenheiten, hauptsächlich ging's aber um ne geschlossene 410er für mich.
Hier mal meine Eindrücke:
Im Gepäck hatte ich zwei Precis, einen alten 4-Saiter und einen 5-Saiter P/J/MM.
Dazu meine Barefaced Compact II 115 und meinen Ampeg V4B Reissue.
Hans war scharf drauf, endlich mal eine Barefaced in die Finger zu bekommen, ich war auf der Suche nach der perfekten 410er für Preci/V4B und neugierig auf die 118er.
1. 410er Vergleich
Hans hatte mir vier Boxen zum Vergleichen vorbereitet: 410 Retro mit Sicas, 410H Retro mit Eminence-Bestückung, 410H Ultralight (Neos), 410H Neo2.
Letztere ebenfalls im kleineren 62x62x41 Gehäuse, gibt's so nicht in der Typenliste. War vielleicht eine Kunden-Sonderanfertigung oder ein hauseigener Versuch, hab' vergessen zu fragen.
Beide Neo-Boxen waren rearported, und es lagen Akustikgitarren-Schalloch-Abdeckungen bereit, somit konnten die beiden ebenfalls verschlossen werden. Das macht sie natürlich ggü. den beiden Retros flexibler, ändert aber in sich nicht viel am Klangcharakter - außer vielleicht im zweistelligen Hz-Bereich.
Da es um Preci, kleine Vollröhre und teils geplekten Classic Rock ging, waren alle Hochtöner immer aus.
Die 410H Neo2 war mir wohlvertraut, sehr offen, linear, fast gelangweilt (hochbelastbare 1200 W RMS) - genau wie meine beiden scheidenden 210 Neo Deluxe übereinandergestapelt. Die drücken und schieben noch etwas mehr, haben halt auch gemeinsam mehr Volumen.
Mit geschlossenen Ports konnte ich keinen Unterschied zum Betrieb mit offenen Ports feststellen, wir haben aber auch die ganze Zeit ziemlich viel am V4B Preamp rumgeschraubt... - da kann also auch der recht unproblematische Showroom/-keller und Nuancen am Bassregler Schuld sein, oder mein wenig geschultes Gehör.
Die 410H UL passte meinem Geschmack nach, offen wie verschlossen, deutlich besser zum V4B, hatte irgendwie charakterstärkere Mitten, vielleicht so um 800-1kHz. Gefiel mir gut und wäre superflexibel für alles mögliche zu gebrauchen. Aber für die gesuchte Nische noch nicht optimal.
Bei der 410 Retro Sica ging's dann sehr deutlich in die typische Ampeg-Richtung, mit im Vergleich zu den Neo-Boxen deutlicher Speakerkompression. Das war schon ziemlich genau der gesuchte Sound, den ich noch von vor anderthalb Jahren im Ohr hatte, als ich die Kombination durch den mitgebrachten V4B eines anderen Kunden in Hansens Keller gehört hatte. Diese Box ist eben kein Generalist mehr wie die beiden Neos, sondern schon sehr in eine bestimmte Richtung spezialisiert.
Schön für mich, weil ich in die Richtung klingen will.
Zuletzt zum Vergleich noch die 410H Retro mit Emis (auch wieder ohne "H" betrieben): dunkler, weniger Hochmitten als die Sica-Retro, noch mehr Mitten- und Tiefmittenknurr und eingebildet noch einen Tick mehr Kompression.
Es gibt leider nur einen 1:1-Ampeg-Arsch-auf-Eimer-kleiner-Kühlschrank-Sound und das ist er. Ampeg's 410HE in 16 kg leichter - perfekt. Nochmal zurück zur Sica-Retro und wieder auf die Emi-Retro gekabelt, ganz zum Schluss auch nochmal rückwärts zu den Neos.
Die Eminence-bestückte Retro klingt nach meinem Geschmack mit Preci am V4B am Besten, und zwar im gesamten Spektrum der typischen Ampeg-Sounds, von Ultra-Low Badewanne bis Dengel-Mittenboost, geplekt wie gefingert.
Leider muss ich also tatsächlich den knappen Hunni Aufpreis für genau diese Treiber berappen, wenn ich für diese spezialisierte Nische die Box mit Sahnehäubchensound haben will. Aber für Lautsprecherpreise kann Hans ja auch nix...
Wie war das nochmal mit "Außer dem Basser selbst merkt eh keiner die kleinen Feinheiten in der Soundkette..."? - Egal, GAS gewinnt am Schluss ja doch immer.
2. Hans und die Barefaced Compact aus der 2nd Generation
Ich habe seit einigen Monaten eine Barefaced Compact II 115, von User ratking übernommen, und bin mit ihr sehr zufrieden. Hans war scharf darauf, mal ein Konkurrenzprodukt aus diesem Haus in die Finger zu bekommen, also habe ich sie ihm mitgebracht.
Vom geringen Gewicht (ca. 12 kg) und der nichtsdestotrotz makellosen Steifheit des Gehäuses war er durchaus beindruckt. Gerne hätte ich ihm den gewünschten Blick ins Innere ermöglicht, letztendlich hat er das Öffnen der Box aber sein lassen. Sie hat kein abschraubbares Stecker-Anschlussfeld, durch das man einen Blick hätte werfen können. Wir hätten den Treiber aus der Frontplatte schrauben müssen, was schon daran scheiterte, dass wir den stoffbezogenen Frontrahmen nicht ohne Gehäuseschäden mit dem Schraubenzieher von seiner Klettbefestigung lösen konnten. Mit mehreren großflächigeren Hebelwerkzeugen wie zum Beispiel Spachteln wäre es sicher kein Problem gewesen, aber wir haben es sein lassen.
Blieben also noch äußere Verarbeitung und Funktion/Sound zu checken.
Bis auf den Frontrahmen mit Fenderartigem Grillcloth ist die Box mit schwarzem Strukturlack versehen und hat Chromecken. Der Strukturlack ist von vielen PA-Gehäusen wohlbekannt, ich finde die Optik gut und schätze die Empfindlichkeit zwischen Tolex und Filz ein. Macken, die helles Holz sichtbar werden lassen, kann man gut mit Edding wieder verschwinden lassen.
Dem Premiumpreis des Produkts nicht angemessen war die Tatsache, dass Hans unter dem Lack kleine Dellen erfühlen konnte (ca. 2mm Durchmesser, max. 0,5 mm tief), die von unverspachtelten Nagelstiften stammen müssen, mit denen die inneren Verstrebungen an den Außenplatten befestigt sind. Der seitliche Tragegriff ist auch etwas windig und mit nur zwei Holzschrauben befestigt, funktioniert aber durch das geringe Gewicht der Box halbwegs vertrauenerweckend.
Zum Soundcheck hat Hans die Box dann nicht nur mit meinem Preci & V4B, sondern auch mit seinen eigenen Referenzen Glockenklang HeartCore und Jazzbass sowie gegen eine aktuelle neue FMC 115H Ultralight getestet.
Vom Sound der Barefaced war Hans ebenfalls angetan, sie reicht von sehr gut kontrollierbaren Bässen auch ohne Hochtöner sehr schön weit hinauf, geschätzt auf über 6 kHz, und ist somit eine sehr flexible und relativ neutrale, kompakte und uber-ultraleichte Bassbox.
Hans konnte sogar mit ziemlicher Sicherheit den Typ des Treibers heraushören, ich hab aber die genannte Hersteller-/Modellbezeichnung vergessen.
Im Vergleich hat die FMC 115H UL nicht viel zurückgestanden, aber ich konnte als Laie erstmals genau den Unterschied zwischen einem eingespielten und einem noch steifen brandneuen Treiber erkennen und hören. Die FMC dürfte auch etwas weniger Volumen haben, wobei ich die deutlich geringere Gehäusetiefe der Barefaced (33cm zu 41cm bei der FMC) für bei mir sehr häufige sehr enge Bühnensituationen bevorzuge (spiele regelmäßig mit 12-15 Mann auf unter 15m2, inkl. u.a. Drumkit, Perkussion, Keyboard & Lapsteel). Ist noch kuschliger als es sich anhört.
Jedenfalls hat Hans die Barefaced gefallen, es ist ein anderes Produkt mit anderen Schwer- bzw. "Leicht"-punkten. Der teilweise wehende Hype um die Firma ist jedenfalls nicht berechtigt. Meine Compact II ist nicht lauter oder besser als andere europäische oder nordamerikanische Boutique-Cabs.
In der Verarbeitung leistet sie sich sogar kleine Schwächen, dafür ist das Verhältnis von niedrigem Gewicht zu Strukturstabilität sensationell.
Hans meinte noch, es würde ihn schon auch mal reizen, in Richtung Ultra-Leichtbau mit 12mm Materialstärke zu experimentieren. Er würde für solche Produkte aber leider auch wegen aufwändigerer Gehäusestrukturen mit deutlichen Kosten-/Preissteigerungen bis in Barefaced-Regionen rechnen müssen - das Ganze nur wegen 2-3 kg weniger Gewicht (bei diesem Format).
Ich glaube, dass er gut beraten ist, mit dem weitaus größten Teil seiner Produktpalette in seiner Nische ("Premiumboxen zum Mittelklassepreis") zu bleiben. Schon jetzt erfährt er von seinen Kunden und Fans etwas Gegenwind für seine aktuelle Tolex-Politik. Was vor einigen Jahren noch ohne oder mit geringem Aufpreis möglich war, kostet (nach einem Versuchsballon mit einem externen Zulieferer der tolexbezogenen Gehäuse) nun €200-300 Aufpreis pro Box.
Der Preis ist für mich nachvollziehbar, wegen bestem Material und nötiger Arbeitszeit, und weil ich vor Ort an einem frischen Kundenmodell die tadellose Verarbeitung ohne Stoßkanten und sogar mit Binding-Kordel für die versenkte Rückwandplatte bewundern konnte. Eine ähnlich gute Tolex-Verarbeitungsqualität habe ich noch nicht gesehen, hier müsste man evtl. mal mit Herstellern wie Bergantino u.ä. vergleichen.
Trotzdem kommt meine oben erwähnte zukünftige FMC 410H Retro mit Emis, Tolex und Stofffront damit auf um die €900, und somit deutlich höher als selbst das Original Ampeg 410HE neu kostet.
Ich kritisiere die Preispolitik bei FMC nicht, ich glaube aber auch, dass "Premium zu Premiumpreisen" für Hans nicht als Kerngeschäft funktionieren würde. Egal, ob wegen Tolex oder Ultra-Leichtbau.
Aber ich freue mich, dass er ein so großes Spektrum an Optionen und Individualität anbietet und immer für überraschende Experimente gut ist.
3. Erkenntnisse zum V4B RI
Als ich vor ca. anderthalb Jahren bei Hans war, um meine 1153 Neo Deluxe abzuholen, war noch ein anderer Kunde da und hat mit seinem Ampeg V4B Reissue Boxen angetestet. Hans und ich, aber auch der Kunde waren von der Kombi V4B, FMC 410 Retro und Preci extrem angetan. Einige Monate später habe ich mir einen V4B als B-Stock vom Thomann kommen lassen und nach ausgiebigem Test behalten.
An meinen 210ern und 1153ern Neos war der Sound zwar viel offener, neutraler und etwas langweiliger, aber immer noch schön vollröhrig. Er durfte also bleiben und bekommt jetzt endlich die passende Box.
Dennoch ist er nicht auf Ewigkeit gesetzt, oft muss ich je nach Raum und Box viel und lange an ihm rumschrauben und bin manchmal mit dem erzielbaren Ergebnis nicht ganz zufrieden. Der Grund liegt für mich im Preamp-Design und in den Unterschieden zu seinen großen SVT-Brüdern.
Die Ultra-Low Badewanne per Switch ist oft viel zuviel des Guten, die Bässe anschließend mit Bass-Regler trotz Linksanschlag kaum zu bändigen und auch die 450Hz Absenkung zu stark und breit.
Lieber würde ich die 450 Hz per Mittenregler sanfter absenken, aber der V4B-Mittenregler kann nur 220, 800 und 3000 Hz. Tausendmal lieber hätte ich z.B. irgendwas um die 120-150, 450-500 und 1200-1500 Hz.
Was mir sehr gut gefällt, ist der FMC Retrobass Preamp in den Poweramp Eingang des V4B. Aber warum muss der Poweramp In unbedingt hinter dem Mastervolume und somit nicht regelbare volle Lautstärke sein?!
Ich freu' mich auf die geschlossene 410er Box zum V4B, werde aber in den kommenden Jahren wahrscheinlich noch alternative Tops erforschen (Bassman 100T, 800, 135 Vintage, Tecamp BadBull u.a.). Wahrscheinlich habe ich auch deshalb schonmal vorsorglich die Box bei Hans in Fender-Optik bestellt und sein Angebot ausgeschlagen, extra zum V4B passendes Ampeg Silvergrey Grillcloth zu besorgen...
4. Antesten FMC 118MH Pro2
Nach den 410ern und dem 115er UL / Barefaced Vergleich durfte auch noch die 118 ran, weil ich dieses Format noch nie gehört habe. Also V4B dran, 5-Saiter Preci rausgeholt, B-Saite leer angeschlagen und:.... - Ton stehen lassen, weil ich vergessen hab', was ich grad spielen wollte.
Was für eine Druckwelle! Hans muss auch grinsen.
Ich bin von meinen beiden 1153ern ja verwöhnt und kenne auch die vier Dynacord 118er Subs meiner Band-PA an ihren 3,2 kW ganz gut. Aber nicht in so einem kleinen Raum. Die 118 kann vielleicht nicht so laut wie die beiden 1153 zusammen, aber ich schreibe den beindruckenden Tiefbass-Schub mal laienhaft der deutlich besseren Grundton-Wiedergabe zu, als die 1153er das können.
Auf die Idee, die 118 noch mit einer 115 HR zu vergleichen, der Tiefbasswiedergabe wegen, bin ich leider nicht gekommen. Die FMC 118er ist einfach krass, aber schön! Leider würde man ihr realistischerweise für die meisten Situationen/Probenräume/Bühnen viel von dem Spaß wieder rausdrehen müssen. Für Droptuning-Metaller kann ich mir aber nix Besseres für tief UND clean vorstellen - wobei ich wie gesagt die 115 HR diesmal nicht kennengelernt hab.
Aber wir haben dann noch 410 Retro, 410 UL und 212M Pro auf die 118MH Pro2 gestellt.
118 mit 410 Retro geht gar nicht gut zusammen. Entweder dreht man am Amp die Bässe soweit raus, dass die 410 Retro ihren Signature-Sound gut fahren kann, dann schmollt die 118 nur vor sich hin und ist überflüssig.
Oder man dreht Bässe für die 118 rein, dann droht die geschlossene 410 Retro laut furzend mit unmittelbar bevorstehendem Treibertod. Ist vielleicht mit "nur" 50 Röhrenwatt vom V4B nicht so kritisch, klingt aber extrem unsouverän.
Mit der 410 UL klingt das Ganze schon viel besser, weil beide Boxen eher neutral sind. Aber auch hier fangen die 410er Pappen hörbar zu flattern an, bevor die 118 richtig Spaß macht.
Auch der Wechsel vom V4B auf Hansens HeartCore bringt nur anderen Charakter, löst aber nicht das Problem, dass in diesem Stack immer entweder die 410er überfordert oder die 118er unterfordert klingen.
Ein gut funktionierender Mittelweg ist nur bei für einen solchen Turm uninteressant niedrigen Lautstärken möglich.
Mit der 212M Pro2 wurd's dann unproblematisch.
118 plus 410 würde ich nach diesem Test nur in einem Bi-Amping Setup mit Lowcut-Möglichkeit für die 410er betreiben.
118+212 ist das neue 115+210.
---------------------------
Letztendlich hab' ich auch noch Tom kennengelernt, Hans' gehäusebauenden neuen Mitarbeiter. Ein sehr netter Typ. - Gitarrist, aber nobody's perfect.
Zur Barefaced meinte er beim Anheben nur: "Da is' aber scho' auch scho' a Lautsprecher scho' drin, oder!?"
Tut mir leid, dass ich dieses Mal keine Fotos fürs Forum gemacht habe, aber
Hansens Showroom dürfte ja hinlänglich bekannt sein, und ich hab's vor lauter busy und fokussiert einfach vergessen...