Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich, aber ich finde den Kochvergleich recht treffend:
-) Es gibt eine recht überschaubare Menge an "Grundzutaten", die sich in nahezu unendlicher Weise kombinieren lassen. Im Falle der Musik 7 Stammtöne + Versetzungszeichen bzw 12 chromatische Töne, im Bezug aufs Kochen möge jeder an eine halbwegs normal ausgestattete Küche denken.
-) Es gibt einige sehr gängige Konventionen, z.B., dass man süß und salzig normalerweise nicht mischt, dass man meist mehr als 3 aber weniger als 10 Zutaten verwendet und die meisten würden vermutlich damit einverstanden sein, dass Walnuss-Knoblauch als Grundbasis ein ziemlich exotischer Ansatz wäre. Daraus ergeben sich sehr gängige, viel verwendete Konventionen ("Tonleitern"), z.B. dass verdammt viele "Kochtonleitern" (ich will bewusst nicht "Rezepte" schreiben, ein Rezept ist eine +- exakte Anleitung, es geht in dem Vergleich um mehr und weniger gängige Konventionen) mit dem Anrösten von Zwiebeln oder dem Erhitzen von gesalzenem Wasser anfangen. Was aber natürlich nicht bedeutet, dass das die einzig gangbaren Wege sind. Es sind nur die simpelsten und haben sich bewährt, man weiß, dass damit ganz gut etwas brauchbares herauskommt. Aber auch, dass es wie
@turko schon geschrieben hat recht schnell eintönig wird, wenn man sich stets strikt an das meistbenutzte simple Schema F hält.
-) Eine Tonart ist dann das fertige Gericht mit allen Eindrücken, die es im Mund verursacht. Tonartwechsel das pendeln zwischen Beilage und Hauptgericht bzw. die Abfolge mehrerer Gerichte und was
@Claus in seinem vorletzten Absatz gemeint hat
können einzelne Töne, Tonleiterfragmente und Akkorde im musikalischen Abschnitt einer Tonart vorhanden sein, die selbst gar nicht zu den jeweiligen Tonleitern bzw. Akkordskalen und damit zur Tonart gehören.
ist z.B. der Zucker in einem sonst sauren Salatdressing.
Es gibt auch genug Umstände die zeigen, dass man noch so viele Regeln aufstellen kann was man womit kombinieren soll und womit nicht, und man kann auch noch soviel "analysieren", was gängige Konventionen sind, trotzdem wird irgendwer vielleicht einen Weg finden, Chilischoten, Schokolade und Fisch so zu kombinieren, dass daraus ein kreatives "funktionierendes" Gericht wird. Je exotischer es wird, umso polarisierender wird es natürlich. Wenn die Chili-Schoko-Fisch-Eintopfs-Torte für so manchen Gourmet die kreativste Schöpfung seit der Jahrtausendwende ist, wird sie für viele andere Kenner trotzdem einfach nicht zusagen und Otto-Normal-Hobbykoch wird sich vermutlich sowieso an den Kopf greifen und weiter seine Kartoffelpüree mit Schweinemedaillons nach dem Standardschema herstellen - und mal ein anderes Gewürz ausprobieren wenn es ihm zu eintönig wird.
Was ihn aber nicht daran hindert, sich in einem Restaurant von Leuten, die das professionell betreiben was-weiß-ich kochen zu lassen weil er es eben einfach mag (das wäre dann der Konzertbesuch
) und was er da jetzt ganz genau isst bzw. wie es genau hergestellt wurde interessiert ihn vermutlich eher rudimentär- genauso wie er z.B. ein Riesenfan von Progressive Metal sein kann obwohl er weder weiß, was ein Tonart- noch was ein Taktwechsel ist. Muss er ja auch nicht, es reicht, dass er den "Geschmack" mag, den sie im Ohr verursachen.
Grüße