Tonansprache von Stimmzungen

Akkordeonengel
Akkordeonengel
Helpful & Friendly User
HFU
Zuletzt hier
02.11.24
Registriert
18.01.16
Beiträge
1.166
Kekse
21.476
Ort
Westslowakei
Hallo,

ein wesentliches Merkmal von Stimmzungen wird in diesem Forum oft erwähnt: die Tonansprache. Gerade für fortgeschrittene Musiker ist es sehr wichtig, aber es ist nicht die einzige erforderliche Eigenschaft, die Stimmzungen haben müssen (andere sind z.B. großer Dynamikbereich, Klangstabilität und Stimmstabilität). Wie kann selbst ein Laie die Tonansprache seines Akkordeons ausprobieren? Ganz einfach:
  • Nehmen Sie Ihr Instrument, wählen Sie im Diskant (oder im Bass, wo es möglich ist – zum Beispiel bei einem Instrument mit melodischem Bass) ein Register mit einem einzigen Chor (meistens Fagott oder Klarinette).
  • Machen Sie sich bereit, schnallen Sie die Balg-Halter ab.
  • Drücken Sie eine Taste (oder den Knopf) = nur einen Ton! - ohne den Balg zu bewegen.
  • Beginnen Sie dann ganz langsam, den Balgdruck durch Ziehen ("Zug“) zu erhöhen, bis der Ton ertönt. Wiederholen Sie den Vorgang mit "Druck“.
  • Beobachten Sie, wie schnell der Ton "ertönt", bei welchem Luftdruck und ob vorher ein Luftstrom („Luftpfeifen“) zu hören ist.
  • Probieren Sie mehr Tone aus, sowohl auf Zug- als auch Druck, hauptsächlich in dem Bereich, in dem Sie am meisten spielen (nicht sehr tiefe oder hohe Noten, sie verhalten sich anders): Probieren Sie Noten ca. um das mittlere C aus (Vorsicht, man muss im Fagott eine Oktave höher spielen)
Je weniger Luftdruck zum Einsetzen des Tons ohne hörbaren Luftstrom notwendig ist, desto besser ist das Material. Ich habe die folgenden Stimmzungen auf meinen Instrumenten (siehe bitte HIER):

A/ Konzertinstrument mit melodischem Bass (Dineta). Im Diskantbereich beginnen die Töne fast unmittelbar nach der Bewegung des Balgs. Es ist keine blasende Luft zu hören. Tipo-A-mano, optimiert:
1730485686533.png
1730485718127.png


Im Bass Im Bass sind spezielle Stimmzungen verbaut, die ihrer Form (zur Spitze hin schmaler, schmalere Basis) und der Form der Vernietung eher maschinell genietet sind. Sie haben eine sehr charakteristische und einzigartige Tonansprache. Neben den Luftgeräuschen ist fast von Anfang an eine schwache Tonsprache zu hören, die immer ausgeprägter wird und mit höherem Druck ein regulärer Ton einsetzt:
1730485815376.png
1730485873948.png


B/ Delicia Carlo: Stimmplatten und Stimmzungen mit der niedrigsten Qualität (historische, "tschechoslowakische", aus Louny): Es ist nahezu unmöglich, die Stimmzungen dieses Instruments im Pianissimo "laufen" (=vibrieren) zu lassen. Fürchterlich hoher Luftverbrauch. Wenn Sie das Instrument durch das Spielen eines Akkords im Diskant „losgehen“ möchten, vergessen Sie sogar ein zufriedenstellendes Pianissimo. Es eignet sich aber zum Spielen bei Kälte und höherer Luftfeuchtigkeit. :evil:
1730485930233.png
1730485957045.png


C/ Lignatone Melodia II: Sie ist 61 Jahre alt und hat bemerkenswerte italienische maschinell genietete Zungen im Inneren. Sie setzen bemerkenswert schnell ein, haben aber nicht viel "Schwung“ (=Dynamik). Beim Spielen ist der Luftverbrauch höher.
1730486046155.png
1730486073034.png


D/ Cantus V: im Inneren befindet sich die sogenannte Supermensur, die direkt in Klingenthal hergestellt wurde. Seine Tonansprache ist bisschen verzögert, man hört auch ausströmende Luft, diese Stimmzungen haben jedoch eine enorme Klangdynamik, Tonstabilität und einen äußerst geringen Luftverbrauch. Gemeinsam mit der extremen Luftdichtigkeit des Instruments und dem hohen Gegendruck der Tastenfedern entsteht ein hervorragender Klangeffekt. Erstklassiges Profi-Instrument.
1730486179301.png
1730486223067.png


Meine Eindrücke:
  • Es gibt eigentlich kein "schlechtes" Akkordeon oder schlechte Stimmzungen!
  • Für Anfänger, die die Bewegungen ihrer Hände und Finger koordinieren müssen und sich freuen, wenn sie es überhaupt können, ist das Material niedrigster Qualität völlig ausreichend. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Anfänger ein sechsjähriges Kind ist oder ein sechzigjähriger Profi-Schlagzeuger, der sich die Zeit genommen hat, den Thread „Akkordeon lernen mit 50+“ zu lesen.
  • Mit wachsendem Können und musikalischem Empfinden des Akkordeonisten steigen jedoch auch die Anforderungen: Es wird eine Phase kommen, in der er den Unterschied in der Qualität der Stimmplatten/Stimmzungen spüren und hören und ihn wertschätzen wird.
Ein kleiner Witz zum Schluss: Ich konnte die Stimmzungen, die ich für den Bass meines Konzertinstruments oben aufgelistet habe, keinem Hersteller zuordnen. Sie kommen sowohl bei alten italienischen (Settimio Soprani, Scandalli) als auch bei tschechischen Instrumenten vor. Deshalb habe ich Tschechen und Italienern geschrieben und ein Foto dieser Stimmzungen mit der Bitte um Identifizierung beigefügt. Die Antworten lauteten:
Tschechen: Das sind billige italienische Stimmplatten.
Italiener: Das sind sicherlich keine italienischen Stimmzungen, sondern eine tschechische.

Fazit: Wenn jemand eine dumme Frage stellt, wird er eine dumme Antwort bekommen.

Sind Sie mit der Tonqualität und Tonansprache Ihrer Instrumente zufrieden? ;)

Liebe Grüße, Vladimir
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Sind Sie mit der Tonqualität und Tonansprache Ihrer Instrumente zufrieden? ;)
natürlich nicht!

Von der Tonansprache im Diskant war ich früher mit meiner alten Tango IIIM zufrieden... die Ansprache insgesamt war lausig aber alle Töne kamen gleichzeitig - fand ich richtig gut. Bass war defintiv nicht so besonders.

Beim Wechsel auf meine Morino fand ich die Ansprache sehr viel besser und den Klang und alles viel besser... aber ich habe dann kennengelernt dass manche Töne nicht gleichzeitig kommen und dass das nur bis zu einem gewissen Punkt behebbar ist. ... aber ich war einigermaßen zufrieden damit.

... zufrieden...

... bis mir mein Trauminstrument über den Weg gelaufen ist... und ganz klar: das Bessere ist des guten Feind!.. und ab dem Moment hat s mir nicht mehr soviel Spaß gemacht Morino zu spielen. Einfach auch deswegen weil gegenüber dem "Trauminstrument" die Morino einfach klar schlechter in Ansprache und allem war.

Aber auch klar: Mit dem Essen kommt der Appetit und die Qualitätsansprüche steigen auch mit der Qualität des Instruments... und so finde ich auch immer wieder ein paar Punkte bei meinem "Trauminstrument" die mich immer wieder mal stören. Aber auch hier habe ich inzwischen gelernt dass man zwar vieles (ständig) ausbessern und verbessern kann, aber dass es keinen Sinn macht, nur um der Sache selbst Willen das immer auf Höchstniveau zu halten, wenn es mich beim Spiel nicht stört.

... Also auch hier: es gibt immer etwas was man bemängeln kann, aber mittlerweile ist das ein Meckern auf höchstem Niveau. ...Und um keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen: Ich spiel mein Instrument sehr sehr gerne und kann mit den Mängeln leben - also aus meiner Sicht nicht perfekt aber schon sehr gut! ... immer gemäß dem Lebensmotto: Nicht das Maximale ist das Ziel sondern das Optimum ist das was realistisch ist! :hat:
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer
Es gibt eigentlich kein "schlechtes" Akkordeon oder schlechte Stimmzungen!
Wirklich nicht?

Also ich bin in der Hinsicht höchst unzufrieden mit all meinen Instrumenten.
Jedes hat so seinen Sweetspot, in dem es ok klingt und auch gut und gleichmäßig anspricht. Aber abgelegene Bereiche miteinander zu kombinieren ist fast nicht möglich, denn die schwächste Zunge diktiert die Dynamik.

Sie verlangt den grössten Druck um überhaupt hörbar zu werden und mit diesem Druck knallen andere gleichzeitig gespielte Töne nur so raus. Das merkt sogar jeder Anfänger und kommentiert zum Beispiel mit den Worten, "Der Bass ist so laut".
Wenn Du leiser spielst, kommt im gleichzeitig gehaltenen Diskant womöglich überhaupt nichts.

Es ist auch nicht nur die Ansprache. Auch das Timbre und die Lautstärke sollte bei gleichem Druck gleich oder zumindest ausgeglichen sein.
Doch oft hat jeder Ton seinen eigenen Charakter und möchte mit "Sie" angesprochen werden, dh. verlangt eine individuelle Behandlung vom Spieler.

Mein Tipp, für solche Tests wie von @Akkordeonengel beschrieben,
Balg Stillstand -> langsam lauter werden. Genau richtig.
Allerdings nicht nur einen Ton verwenden, sondern mindestens 2 gleichzeitig gedrückt halten. Einer wird immer der erste sein und der andere später.
Gern auch links / rechts oder mehrere Chöre auf einem Ton (Mixregister) Es ist erstaunlich wie laut man manche Töne spielen muss, um alle Chöre des Registers überhaupt hören zu können.

Ein anderer Test:
Bei gleichbleibendem Minimaldruck eine schnelle Leiter von der Mitte unten oder nach oben ... Es wird eine Offenbarung!!
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Für Anfänger, die die Bewegungen ihrer Hände und Finger koordinieren müssen und sich freuen, wenn sie es überhaupt können, ist das Material niedrigster Qualität völlig ausreichend. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Anfänger ein sechsjähriges Kind ist oder ein sechzigjähriger Profi-Schlagzeuger, der sich die Zeit genommen hat, den Thread „Akkordeon lernen mit 50+“ zu lesen.
Das finde ich gar nicht sinnvoll. So müssen die Anfänger nämlich an vielen Fronten gleichzeitig kämpfen. Ich denke man würde viel schneller mit gutem Material lernen.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Guten Tag,

So müssen die Anfänger nämlich an vielen Fronten gleichzeitig kämpfen.
Ich respektiere Deine Meinung, aber ich habe es anders gemeint. Ich erinnere mich noch gut an meine Kindheit, als mir zum ersten Mal ein Akkordeon auf die Beine gestellt wurde. Obwohl es sich um einen 48er-Bässiges Instrument für Kinder handelte, kam er mir riesig vor, weil ich ein kleines Kind war. In den ersten Wochen und Monaten konzentrierte ich mich auf das „Erzeugen“ des Tons durch Bewegen des Balgs und dann auf die schwierige Koordination der Finger der linken Hand beim Drücken der Knöpfe und gleichzeitigem Ziehen am Balg. Ich war sehr erfreut, wenn meine Mühe überhaupt ein Klang von sich gab. Das Phrasieren und Balgtechnik im Sinne einer Klangkultivierung kam viel, viel später. Mittlerweile hatte ich es (als relativ kräftiges Kind) sogar geschafft, ein paar Stimmzungen zu brechen. In meinem Fall war es so, dass ich nach meinem ersten Kinderlagerfeuerholz ein besseres Instrument bekam.
man würde viel schneller mit gutem Material lernen.
(y)
Und ja, es war für mich im Nachhinein sehr motivierend, weil ich den Qualitätsunterschied bereits mochte und schätzen konnte. :)

Mit dem Essen kommt der Appetit und die Qualitätsansprüche steigen auch mit der Qualität des Instruments...
Ich stimme voll und ganz zu. Um die Qualität der Stimmzungen eines bestimmten Instruments schätzen zu können, muss man allmählich erwachsen werden und nach und nach Instrumente von niedrigerer zu höherer Qualität ausprobieren. Bei mir war es genauso.

Also ich bin in der Hinsicht höchst unzufrieden mit all meinen Instrumenten.
Jedes hat so seinen Sweetspot, in dem es ok klingt und auch gut und gleichmäßig anspricht. Aber abgelegene Bereiche miteinander zu kombinieren ist fast nicht möglich, denn die schwächste Zunge diktiert die Dynamik.
danke @Klangbutter , es ist genau so, wie Du schreibst!
Balg Stillstand -> langsam lauter werden. Genau richtig.
Allerdings nicht nur einen Ton verwenden, sondern mindestens 2 gleichzeitig gedrückt halten.
Man muss nicht einmal zwei Tasten/Knöpfen drücken, eine einzige Taste mit mehreren Chören reicht aus. Auf der folgenden Aufnahme erklingt zuerst a´(440Hz, cassotto), gefolgt von seiner Kombination (a´+a˳) , dann eine Kombination beider Töne außerhalb des Cassottos (a°+a˳) und schließlich eine dreifache Tremolo (a˳+a´+a°):

Es ist schön zu hören, wie die Töne miteinander um Luft "konkurrieren" und daher nie gleichzeitig erklingen. Es ist immer nur der erste einzelner Ton zu hören, erst danach kommen mit zunehmendem Luftdruck weitere Töne hinzu. Aber das ist in Ordnung, die Gesetze der Physik lassen dich nicht los...
Aber abgelegene Bereiche miteinander zu kombinieren ist fast nicht möglich, denn die schwächste Zunge diktiert die Dynamik. Sie verlangt den grössten Druck um überhaupt hörbar zu werden und mit diesem Druck knallen andere gleichzeitig gespielte Töne nur so raus. Das merkt sogar jeder Anfänger und kommentiert zum Beispiel mit den Worten, "Der Bass ist so laut".
:D(y) Ja...
Ja, genau. Der Bass nimmt einen großen Anteil der Luft ein, daher hat die Piccolo Pech und erklingt deutlich später:

(Klangprobe: Bass: 32´+16´+8´; Diskant: Piccolo, a´´´´). Bitte auch HIER.

Allerdings gilt: Je einfacher die Stimmzungen, desto ausgeprägter sind diese Effekte. Und bei Profis kommt es auf die Details an, zum Beispiel bei Aufnahmen im Studio, bei denen absolut alles zu hören ist...

Ich wünsche allen ein schönes Wochenende! :hat:

Herzliche Grüße, Vladimir
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben