Gestern bin ich nochmal über den "Gibson ist pleite" Thread gestolpert und fragte mich, wie lange es denn dauert, bis ein Totgesagter wirklich Alles von sich streckt....
In weiterer Folge habe ich mir dann erneut die Artikel zur Prognose der Stromgitarre generell angesehen. Dort war beschrieben, dass beide Branchenriesen, also Gibson und Fender rückläufige Zahlen verbuchen, große Musikhäuser bereits in den roten Zahlen stecken. Natürlich wurde in diesem Zusammenhang auch einmal mehr die E-Gitarre als Synonym für die Popularmusik infrage gestellt. Zu Recht.
Zwar ist es nicht nur so wie beschrieben, dass die verbliebenen Gitarrenhelden noch ihre Ehrenrunden drehen bis die E-Gitarre final eingeäschert wird, aber dass der innovative Nachschub in der Popularmusik nicht mehrheitlich von Gitarristen geliefert wird lässt sich gut beobachten. Obwohl der Analogsynthesizer vergleichbar alt ist wie die Stromgitarre kommt ein Gros der musikalischen Neuerscheinungen aus eben ihm oder dem Notebook....
Mir gefällt elektronische Musik. Dabei ist es mir grundsätzlich egal, ob über Sequenzer eingespielt oder traditionell von Hand. Ich besitze selbst zwei Analoge, einen Digitalen und einen Sampler, ist meine zweite musikalische Leidenschaft.
Trotz dieses Trends ist es mir selbst aber ist wichtig auch noch ein langwieriges "Handwerk" gelernt zu haben, was mit der Gitarre und all ihren zu erlernenden Techniken und zu beachtenden spielerischen Eigenheiten und analog dazu den Genres gewährleistet ist.
In den Artikeln hiess es auch, dass der Gitarrenmarkt eine flächige Sättigung erfahren hat. Auch sei es aktuell so, dass viele Sammler ihre Instrumente abstoßen. All dies habe ich auch beobachtet und die Kleinanzeigenpreise und die immer längeren Verkaufsintervalle sprechen an dieser Stelle eine recht eindeutige Sprache.
Was soll nun all dies mit diesem Userthread zu tun haben? Nun, auch ich habe mein Gear reduziert. Übrig geblieben ist das, was ich wirklich benötige und was auch tatsächlich regelmäßig genutzt wird. Dies sind zwei Akustiks, drei Halbakustische und zwei Solidbodies. Gleich zwei dieser verbliebenen Gitarren sind Heritages, meine H535, die ich mit einem Charlie Christian PU am Neck und einem Domino P 90 am Steg ausgestattet habe und meine mit SD Antiquities bestückte H150, die nach '59 Burst Vorbild gefertig wurde. Beide Gitarren standen zum Zeitpunkt ihres Kaufes in einem sehr guten Preis- Leistungs Verhältnis, die aktuellen Gebrauchtpreise hingegen sind geradezu inflationär für solch überdurchschnittlich gute Instrumente. Traurig für das Firmenimage, erfreulich für den potenziellen Käufer.
Dies führt mich zum letzten Punkt über den ich mir den Kopf zerbrochen habe. Angesichts dieser Marktsituation hätte ich gemutmaßt, dass Heritage seine Politik bezüglich der Neupreise überdenkt, aber dies scheint nicht der Fall zu sein, im Gegenteil! Das verwundert mich insofern noch mehr, als dass aktuell nur noch drei verbliebene Modelle bei Thomann angeboten werden. Sieht so aus, als würde man die Zusammenarbeit nicht fortsetzen wollen..... Wenn das symtomatisch ist frage ich mich, wie lange solch kleine Betriebe, die noch von Hand fertigen überleben können.
Die hochpreisige Politik hingegen sehe ich z.B. auch bei Gretsch und Höfner. Beide haben mein Augenmerk, weil ich eine G6120-1959 und eine New President besitze. Letztere wird nicht mehr hergestellt. Ich hatte seinerzeit für diese 16" Jazzbox € 3000 bezahlt. Die nahezu baugleich gefertigte 17" Chancellor wird heute für stolze € 7890 angeboten. Auch die hochwertigen Gretches residieren jenseits der 3000er Marke.
Ich bin gespannt ob, bzw. wann die Renaissance der Gitarre eingleutet wird, oder ob der Gitarrist aufgefordert ist sein Instrument neu zu interpretieren. Aus meiner Sicht wird man heute mit antiquiertem Spiel nur noch bei antiquiertem Publikum etwas. Mir geht es heute so, dass ich nicht "einfach drauflosspiele", sondern mir Gedanken darüber mache, was dieses Instrument ausmacht und wo es einmalig, alternativlos
ist. Dazu braucht es viel Übung und viele Techniken - und ein sehr gutes Instrument!
Ich glaube, dass man traditionelles Spiel in ein neues (aber passendes) Environment einbetteten muss und/oder die Gitarre dort in den Vordergrund bringt wo sie über ein Alleinstellungsmerkmal verfügt. Die Zeiten aber, dass die Stromgitarre als Synonym der Moderne gilt und die gesamte Songstruktur abdeckt scheint mir vorbei. Die Genres reproduzieren sich selbst, hinterlassen den faden Nachgeschmack dass Dogmen verwaltet werden. Vielmehr reiht sich die Stromgitarre nun ein, in das gleichwertige Spektrum aller verfügbaren Instrumente und genau deshalb sollten auch in Zukunft wertige, vermutlich nur nicht mehr solche Massen an Gitarren hergestellt werden!
Edit: Ich sehe gerade, dass ich offensichtlich mittlerweile der größte Heritage Fanboy bin.