Stimme ist ständig angeschlagen

  • Ersteller Metcrys
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Absolute Tongrenzen zur Stimmfacheinteilung sind - wir hatten das schon öfter - umstritten und eigentlich nicht eindeutiger "State of the Art".

Wobei ich - rein klanglich - Kenshi auch nicht unmittelbar als Bariton erkannt hätte. Aber das will nix heißen. Ich kann in der Höhe auch tenorähnlich klingen.

Ich glaube es liegt mal wieder (wie so oft) an allgemeiner Fachbegriffsverwirrung. Dazu muss ich sagen, dass ich es generell nicht gut finde, wenn man Begriffe aus der Klassik verwendet (wie auch Kopfstimme bspw. aber eben auch Bass/Bariton/Tenor) und sie dann sozusagen neu "umdefiniert". Wenn man schon klassische Begriffe verwendet, sollte man das auch in ihrer klassischen Bedeutung tun, sonst sorgt das nur für Verwirrung. Ich gebe dir aber auf jeden Fall recht, dass die klassische Einteilung der Stimmfächer für Contemporary-Gesang nur sehr bedingt passend ist.

Mit dem Begriff Kopfstimme ist es das selbe. In der Klassik ist er eindeutig phänomenologisch definiert. Einige Contemporary-Lehrer setzen aber heute Kopfstimme = Randstimme, wodurch sie plötzlich nicht mehr phänomenologisch sondern physiologisch definiert ist. Folge ist allgemeine Verwirrung.

Ähnlich ist es bei den Bezeichnungen der Stimmfächer. Dazu muss ich etwas weiter ausholen wie ich glaube, dass die Stimmfächer (physiologisch) zustande kommen:

Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig die Einteilung in Stimmtypen 2-dimensional zu machen. Diese beiden Dimensionen sind "Höhe der Stimme" und "Schwere der Stimme". Ich vermute, dass diese beiden Dimensionen sich physiologisch in der Höhe des Kehlkopfes und in der Masse bzw. der Größe der Stimmlippen niederschlagen. Die Höhe des Kehlkopfes ist dabei die Einteilung im klassischen Sinne zwischen Bass/Bariton und Tenor. Ich vermute, dass bei (klassischen) Tenören im Allgemeinen der Kehlkopf etwas höher sitzt, was den von Jones angesprochenen "Mechanismus zum Singen des c''" ermöglicht. Möglicherweise hängt dieser Mechanismus tatsächlich mit dem Tilt in der Vollstimme zusammen. Der etwas höher sitzende Kehlkopf sorgt zudem dafür, dass Tenöre im Allgemeinen ein helleres Timbre als Baritone/Bässe haben.

Die neuere (contemporary) Einteilung dreht dieses Konzept meiner Meinung nach um. Die Bezeichnungen Bass/Baritone/Tenor richten sich nach der Schwere der Stimme und die Bezeichnungen "low, medium, high" bezeichnen die Höhe des Kehlkopfes, also das Timbre.

Das Problem beider Einteilungen ist meiner Meinung nach, dass sie jeweils einer der beiden Eigenschaften (die Klassiker der Höhe, die Contemporären der Schwere) den Vorrang geben, indem sie es "mit Namen benennen" und die andere Eigenschaft nur als Adjektiv dazu stellen. Das ist in gewissem Maße nachvollziehbar, weil in der Klassik die Höhe sehr wichtig ist, wenn bestimmte Literatur in einer bestimmten Klangqualität gesungen werden soll. Contemporär hingegen ist die Höhe inbesondere dann nicht mehr so wichtig, wenn "im Mix", also ohne Belt, gesungen wird. Im Belt ist die Höhe aber dennoch wichtig, weil sie dort entscheidet, bis wohin vollstimmig gesungen werden kann (wenn man es denn will).

Bezogen auf den Fall von Kenshi würde ich sagen, dass er nach klassischer Definition ein dramatischer Tenor ist, evtl. ein Baritenor (also ein sehr schwerer Tenor), nach contemporary-Einteilung ist er ein "high baritone", weil er eine schwere, aber hohe Stimme hat.

Dementsprechend kann Kenshi die hohen Tenortöne singen, es ist für ihn aufgrund seiner schweren Stimme aber sehr anstrengend und erfordert sehr großen "Körpereinsatz". Meiner Meinung nach sind diese Dimensionen Schwere und Höhe der Stimme relativ unabhängig voneinander, deshalb kann es für einen leichten Bariton durchaus weniger anstrengend sein z.B. ein hohes a' vollstimmig zu singen als für einen schweren Tenor.

In der Tiefe ist es dann aber wieder umgekehrt. Für den Grenzton in der Tiefe ist die Masse der Stimmlippen ausschlaggebend und nicht die Höhe des Kehlkopfes. Deshalb kann ein schwerer Tenor (wie es z.B. auch Freddy Mercury war) auch noch sehr tief in Vollstimme singen, es fehlt ihm durch seinen höheren Kehlkopf lediglich das warme Timbre eines echten Bariton. Ein schwerer Tenor kann deshalb möglicherweise durchaus tiefer singen als ein leichter Bariton.

Letztendlich treffen hier wohl zwei Definitionen aufeinander, die durch die Verwendung identischer Fachbegriffe für unterschiedliche Konzepte für totale Verwirrung sorgen. Nach klassischer Einteilung würde ich sagen Kenshi ist ein dramatischer Tenor, nach Contemporary-Einteilung ist er ein "high baritone". Ich plädiere hier mal dafür zur Charakterisierung einer Stimme ein 2-dimensionales Konzept zu verwenden und zur Vermeidung von Verwirrung die klassischen Begriffe einfach über Bord zu werfen, danach würde ich sagen: Kenshi hat eine hohe, aber schwere Stimme.

Von der Höhe haben sich schon viele Lehrer irritieren lassen. ^^ Das war letztenendes auch das, was mich zur Stimmtherapie getrieben hat, weil niemand so recht wusste, wie er mit mir umzugehen hat.

Die Anhaltspunkte für den Bariton sind die relativ tiefe Sprechstimme (klingt zwar hell, liegt aber bei A bzw. A#), die absolute Tonuntergrenze bei D, die unangestrenge Mittellage in der ungestrichenen Oktave sowie die Tatsache, dass ich schon ab c' anfange zu belten.
Der Belt ist bei mir auch zunächst eher blechig und erdig und kriegt die strahlende "Powerhöhe", die ihr gehört habt, erst ab g# (der Punkt ab dem ich im Mix komplett in die Kopfstimme übergeblendet habe.)

Ich wende beim Singen auch eine stärkere Körperlichkeit an, als der handelsübliche Tenor.

Ich persönlich teile die Stimmfäche nach dem tiefsten möglichen Ton, sowie dem Punkt an dem die Stimme ohne Technikanwendung in die Kopfstimme wechselt. Diesen natürlichen Switchpunkt findet man leicht, indem man den Schüler langsam im Vocalfry in die Höhe knattern lässt.
Der Schüler merkt dann selbst sehr deutlich wo der wechsel ist und bei den meisten (insbesondere bei Anfängern) hört man es auch sehr gut.

Die Indikatoren, die du hier nennst, passen alle genau zu dem, was ich oben zu Foxx Beitrag geschrieben habe. Der relativ tiefe Grenzton, das frühe Anfangen mit dem Belt, unangestrengte Mittellage, tiefe aber helle Sprechstimme, stärkere Körperlichkeit: das spricht alles sehr stark dafür, dass deine Stimme schwer ist. Wenn man einen Bariton über die Schwere der Stimme definiert, dann bist du definitiv einer. Wenn man ihn über die Höhe definiert, bist du ein Tenor.

Meiner Meinung nach sollte man, wenn man schon historische Fachbegriffe verwendet, nicht ihre Definition verändern, d.h. Bass/Bariton/Tenor (wenn man sie schon verwendet) sollte weiterhin für die Höhe der Stimme stehen. Deshalb verwende ich persönlich die Begriffe (genauso wie Kopfstimme) eher in klassischer Weise, die aber wie schon gesagt, für Contemporary-Gesang nicht wirklich passend ist.

Ich vermute, dass du genau aus diesem Grund ein "schwieriger Fall" für einen Gesangslehrer bist, weil ein Klassiker dich als Tenor einstufen würde und ein Contemporary-Lehrer eher als Bariton. Das rührt glaube ich daher, dass sich viele nicht klar sind, dass es wirklich zwei entscheidende Größen für den Stimmtyp gibt. Viele denken halt, die Einteilung in Bass/Bariton/Tenor ist die wichtige und die Untereinteilung bezieht sich halt nur auf die Stimmfarbe, die lediglich klanglich Relevanz hat. Dem ist meiner Meinung nach nicht so.

Ich kann das ein wenig nachvollziehen, weil ich selbst eine sehr schwere Stimme habe. Meine Sprechtonlage liegt so um E/F, demnach müsste ich eigentlich ein waschechter Bass sein. Ein Klassiker würde mich vermutlich auch als Bass einteilen (vielleicht noch als Bassbariton), in der Contemporary-Definition bin ich halt ein low Baritone. Die Auswirkungen sind ähnlich wie bei dir. Weil ich (der Höhe nach) ein Bariton bin, kann ich beim Singen nicht das typische "wuchtige" Timbre eines echten Basses generieren (obwohl ich sehr tief singen kann). Ich kann zwar die hohen Töne eines Baritons belten, aber auch nur mit ähnlich hohem Körpereinsatz wie du es bei den hohen Tenor-Tönen machst.

Der Vorteil dabei, eine schwere Stimme zu haben, ist es allerdings, dass man insgesamt gesehen eine extrem große Range haben kann (um die 4 Oktaven, wenn man Pfeifstimme und reinen Untertongesang außen vor lässt). Alle Sänger, die dafür bekannt sind, eine sehr große Range zu haben (ob nun Baritone wie Axl Rose oder Tenöre wie Freddie Mercury) teilen sich die Eigenschaft "schwere" Stimmen zu haben.

EDIT: Deine Einteilung der Stimmtypen ist im Übrigen definitiv nach "Dicke" der Stimmlippen. Denn der tiefste "singbare Ton" (ohne Untertongesang) wird ja gerade dadurch bestimmt. Auch der techniklose Wechsel in die Randstimme muss bei schweren Stimmen früher erfolgen, weil diese ja stärker komprimiert werden müssen als dünnere Stimmlippen. Dadurch ist beim gleichen Ton die Spannung der Stimmlippen bei dicken höher als bei dünnen. Bei konstantem Atemdruck können dicke Stimmlippen also schon früher nicht mehr in Schwingung versetzt werden und man muss in die Randstimme (die Alternative ist halt den Atemdruck zu erhöhen = Belting).

Aber auch die Höhe des Kehlkopfes ist ein wichtiger Parameter, weil sie halt das Ende der Vollstimme und das Timbre bestimmt (bei dir ist er offensichtlich hoch, deshalb ist dein Timbre hell und deine Vollstimme geht weit nach oben).

Ein weiteres prominentes Beispiel mit dem gleichen "Schicksal" wie du ist übrigens Elvis Presley. Bei ihm streiten sich die Experten seit je her, ob er ein Tenor oder ein Bariton war. Die moderen Einteilung bezeichnet ihn i.d.R. (genau wie dich) als "high baritone", aber es gibt auch von ihm Aufnahmen bei denen er durchaus zumindest auf h' beltet. Elvis macht die Verwirrung dadurch noch komplett das er gerade in seiner späteren Karriere stark abgedunkelt hat (fast schon Richtung Klassik) und dadurch sogar noch sein (eigentlich helles) Timbre vertieft hat. Auch Elvis hat übrigens eine vergleichsweise tiefe Sprechstimme gehabt. In seinen früheren Songs (z.B. Jailhouse Rock oder Hound Dog) klingt er aber sehr sehr ähnlich wie du, weil er da eben noch nicht abgedunkelt hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hab mal eine Vergleichsaufnahme zu der von Kenshi gemacht, indem ich versucht habe, das einfach nachzusingen (was ist das überhaupt für ein Song?). Da meine Vollstimme nicht so weit hoch geht singe ich in Randstimme + Twang. Ich denke der klangliche Unterschied zur "offenen" Randstimme (oder Falsett wem das lieber ist), die Kenshi demonstriert hat, ist ziemlich deutlich. Ist vielleicht etwas übertrieben getwangt, aber es soll ja den Effekt verdeutlichen. Ich habe auch eine kurze Ansage gemacht zum Vergleich der Sprechstimme.

 

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