Schade, dass dieses doch recht interessante Thema nicht weiter trägt. Wahrscheinlich kommt man bei genauerer Betrachtung doch schnell wieder auf ganz andere Fragestellungen, die den Titel/das Ursprungsthema schnell sprengen..
Das Forum scheint allgemein zuviele Rubriken zu haben, dass sich mal mehr als 5-10 User über ein Thema unterhalten und die 10 haben meist schon alles durchgekaut
Aber das ist nur ne Randbemerkung.
Zur ursprünglichen Fragestellung kann ich noch nen Link/Studie nachreichen:
Vielfalt schwindet auch in der Musik
[...] Die Tonhöhe wird zunehmend begrenzt und zeigt weniger Variationen, die Palette der Klangfarben wird kontinuierlich einheitlicher, die häufigen Klangfarben werden noch häufiger. Und die durchschnittliche Lautstärke nimmt stetig weiter zu und bedroht, so die Wissenschaftler, den "dynamischen Reichtum, der bis heute erhalten geblieben ist). Was wir als neu wahrnehmen, hat danach einfachere Tonhöhenfrequenzen, modische Klangfarbenmischungen und eine größere Lautstärke. Ganz einfach wäre es daher, alte Songs mit einfacheren Akkordfolgen, neuen Klangfarben von Instrumenten und neuer Aufnahmetechnik, die die Lautstärke anhebt, als "neuartig, modisch und originell" erscheinen zu lassen. Die stetige Erhöhung der Lautstärke ist für die Wissenschaftler ein Zeichen für den "Lautstärkenkrieg", der geführt wird, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer gegen die Konkurrenz noch einfangen zu können.
http://www.heise.de/tp/blogs/10/152476
Deutlich geworden ist recht schnell, dass die Harmonik allein als Kriterium zur Beurteilung der Modernität eines Songs nicht wirklich taugt.
Auch mir ist der theoretische Ansatz dahinter deutlich zu verkopft, ich vertrete die - sicher überzogene - These, dass gute/frische Songs niemals auf dem Reißbrett entstehen.
Für mich ist Musiktheorie nicht mehr als eine Krücke, die besonders dann dramatisch zuschlägt, wenn man a) nur die Hälfte davon verinnerlicht hat und b) trotzdem meint, sich sklavisch an die Regeln halten zu müssen.
Dann kommen halt "nur" Songs mit T - S - D - T heraus, was an sich nicht schlimm ist, so lang man sich dieser Simplifizierung nur bewusst bleibt
Meinethalben wird aber insgesamt der Theorie gern zu viel Bedeutung beigemessen.
Eigentlich ist das doch eher ein Hilfsmittel, um im Nachhinein eine Komposition/einen Song auseinander nehmen und analysieren zu können. Oder sich ab und zu mal der Regeln zu bedienen, wenn man grad aus dem Flow gekommen ist.
Wie ich glaub ich schon im anderen Thread hier geschrieben hab, Harmonik ist notwendig aber nicht hinreichend für Hits, zumindest bei der breiten Masse, die Musik mit den Ohren und nicht mit dem Hirn hört und oft keine Kriterien wie harmonische Ästhetik im Kopf hat wie jemand der an der Musikhochschule war. Das ist mir schon des öfteren hier im Forum aufgefallen, dass teilweise auf Hans Zimmers harmonische Vielfalt eingedroschen wird, der Mann aber mehr mit Klangfarben und Stimmungen experimentiert hat als oft alle klassischen Filmkomponisten zusammen, bei denen man auch nichts anderes als die typischen Orchesterinstrumente und die damit verbundene Harmonik hört. Morricone ist einer der wenigen die da einen Kompromiss gefunden haben scheinen.
Empirisch auffällig ist auch, dass viele der studierten Musiker doch offensichtlich keine Hitproduzenten geschweige denn bekannte Musiker werden später. Die Theorie hilft hier wenig, sie schadet nicht, aber die Kreativität und Motivation muss woanders herkommen m.M.. Zwei aktuelle Bands die mit eigener Harmonik und Klangfarbenspektrum abseits des verdancten Pop-Mainstreams in letzter Zeit aufgefallen sind wären Gossip und Caravan Palace. Der Rest was ich mometan so höre (hab gestern mal wieder seit langem die Viva Charts gehört) ist Einweg-Beat Pop, bei jedem zweiten Chart-"Hit" irgendein
[* * *] [durch die Moderation herauseditiert] der was in Mikro rülpst in der Mitte des Songs. Da werden Songs wie T-shirts produziert und es tun sich richtige Abgründe auf. Die Studie oben trifft das genau, wir sind hier beim kleinsten gemeinsamen Nenner angekommen, "Hits" nach 0815. Bands wie Caravan Palace muss man suchen. Komposition scheint fast nur noch daraus zu bestehen alte Hits mit anderen aber nicht neuen Klangfarben wieder aufzuwärmen. Dass da mal ungewohnte Intervalle exploriert werden ist scheinbar den Aufwand nicht wert, wobei das das Erste ist neben anderen Klangfarben worauf ich mich fokussieren würde wenn die Ideen ausgehen. Klaus hat das ja oben schön beschrieben. Gerade in der Volkmusik und Pop werden eben immer wieder die gleichen Akkordfolgen runtergeleiert und grössere Intervallsprünge muss man mit der Lupe suchen (das alle meine Entchen Schema).
Musik ist noch viel mehr. Aus meiner Sicht spielen Groove, Rhythmus, Klang, Emotion, Dynamik, Arrangement und Melodie eine mindestens gleichwertige, eher aber noch größere Rolle.
Gerade auch, um Modernität von Songs beeinflussen und (im Nachhinein) beurteilen zu können.
Warum werden (auch hier im Forum) diese wesentliche Bestandteile des Songwritings oft deutlich vernachlässigt bis ganz ignoriert?
Ist "man" der Meinung, dass diese Einzelteile nichts mehr mit dem Songwriting an sich zu tun haben?
Oder fällt es uns leichter, uns in rationellen Regeln zu bewegen, zu argumentieren....?
Ein Musiktheoretiker wird dir eben Kompostion mit Musiktheorie erklären, weil er es hauptsächlich so gelernt hat mehrere Jahre an der Uni. Wenn man da schon beigebracht kriegt ja nicht mit Klangfarben zu experimentieren wie es Hans Zimmer oder Aphex Twin tun, die nie eine Musikhochschule besucht haben, ist das auch nicht verwunderlich. Ich bin Physiker, nicht dass man denkt, dass ich jetzt über die Akademie ablästern will. Theorien können mächtige Werkzeuge sein, aber oft sind alte Theorien und Denkschulen mit Heerscharen von Anhängern oft die grössten Hürden für weiteren Fortschritt. Weswegen es dann oft die Aussenseiter sind, die hier Paradigmen umgehen, nicht beachten, Musik oder Physik teilweise neu erfinden. Es sind dann oft junge experimentierfreudige unverschulte Motivierte die ein Fach vorantreiben. Und ein grosser Vorteil ist, dass ihr Kopf oft gerade nicht voller Theorien und Handlungsanweisungen ist, wie man ein Problem angehen sollte/müsste/dürfte.
Wenn du gute Musik machen willst, experimentier auf alle möglichen Arten und Weisen, noch keiner ist ein Star geworden, weil er sich nen Wolf gelesen hat in Musikforen, an der Uni, oder 100 Youtube Tutorials inhaliert hat. Eigentlich kannst du hier nur lernen wie man es nicht machen sollte. Deswegen beteilige ich mich im Grunde auch nur an Meta-Diskussionen zur Komposition. Natürlich hab ich mich auch mit Musiktheorie mal beschäftigt, ein paar Daumenregeln der Komposition (Kontrapunkt, Akkordfolgen etc.), harmonische Muster und Gesetzmässigkeiten der Psychoakustik sind wirklich förderlich und helfen an den richtigen Stellen zu suchen oder zu experimentieren (richtig googlen kann man auch nur wenn man die Suchoperatoren kennt und gute Allgemeinbildung hat), sei es Komposition oder Sounddesign. Man muss das Rad nicht neu erfinden. Aber ansonsten bringt mir die harmonische Analyse von Hits und das nachahmen und variieren wenig, was mich mehr interessiert ist der Workflow, das reverse engineering des Zustandekommen eines Hits. Was war zuerst da, das Gitarrensoli, die Bassline, die vocals. Einen Workflow zu finden mit dem man kontinuierlich gute Musik schreibt scheint mir viel wichtiger als das beste Theorieverständnis. Denn das führt letztendlich nur zu Routine, und die will man in der Kunst doch gerade vermeiden.
Was ist mit den anderen, teilweise "weicheren" Parametern, über die man doch mindestens genauso viel auszutauschen hätte?
Sollten wir nicht alle bemüht sein, den Stein der Weisen da zu suchen?
Ich setze sogar noch einen drauf und behaupte, dass die großen Neuigkeiten/Trends nicht dort entstehen werden, wo man zu sehr bemüht und darauf bedacht ist, alles "richtig" zu machen.
Die Harmonik ist eben der einzige Teilaspekt, den man sehr gut verstanden hat, also wird das meist gelehrt. Wenn man nur einen Hammer hat, sieht alles wie ein Nagel aus
Was mich z.B. persönlich viel mehr interessieren würde, wie kombiniert man Klangfarben (Stichwort Klangfarbenkomposition), wie entsteht überhaupt eine Klangfarbe im Hirn. Hier weiss man wenig bis nichts. Da wird die Hirnforschung evtl. in den nächsten Dekaden Aufschluss geben können dank besserer Messmethoden. Die bisherige Musikwissenschaft ist grösstenteils rein phänomenologisch, man bildet sich einen Reim aufgrund beliebter Akkordfolgen und psychoakustischer Gesetzmässigkeiten (Oktave, Schwebung, Dissonanz.....). Warum erzeugen manche Klangfarben ganz bestimmte Emotionen und Stimmungen beim Hörer. Hier wäre ein Theorie mal wirklich hilfreich, denn ich sortiere meine Songs im mp3-Folder nicht nach Harmonik sondern hptsl. nach Tempo, Groove, Stimmung. Und auch die Komposition würde es leichter machen, man bräuchte nicht dutzende von versch. Klangfarben am Synthie aufeinander per Trial und Error abzustimmen, deswegen werden ja die immer selben Instrumente grösstenteils genommen. Die meisten fühlen sich ja von einem Synthie mit dutzenden von Stellschrauben (und bei den Software-Synthies ist es fast noch ne Grössenordnung mehr) zu Recht erschlagen. Mit etwas physikalischen und psychoakustischen Verständnis/Theorie spart man hier schon enorm Zeit beim Finden neuer Klänge, aber wie gesagt, man sollte den spielerischen Faktor erhalten hier in seinem Workflow, deswegen büffel ich hier Theorie nicht bis zum Umfallen, gerade wenn deren Erklärungspotential doch recht beschränkt ist und andere Faktoren ausgeklammert werden. Vielleicht sollten die Musikhochschulen mal Sounddesign als Studiengang oder zumindest solche möglichen Schwerpunkte im Studium anbieten statt dem altbewährten Fokussieren auf ein akust. Instrument bei dem offensichtilch grösstenteils Orchester-Musiker rauskommen, aber wenig kreative Köpfe mit eigenen Ideen. Diese Art von Verschulung des Studium ist seit der Bologna-Reform eines der Haupt-Mankos. Wenn man den Studenten nur noch die besten und wichtigsten Theorien im Schnelldurchlauf eintrichtert, kommt eben hinterher auch nicht mehr raus als das Nachbeten dieser. Fortschritt braucht immer Reflektion und alternative Konzepte.