Hi dodi,
neben all den guten Tipps weiter oben, habe ich noch ein paar Anregungen, die sich eher auf die Struktur von Soli beziehen, wobei ein Hintergrund ist, dass mich persönlich nichts so sehr langweilt wie Soli, die aus vielen hintereinander gespielten Noten bestehen (und ja: das ist Geschmacksache):
1. Laß Dir beim Einsatz vom Solo Zeit. Lass eine Pause - das erzeugt Spannung. Jeder Ton, der nach einer Pause kommt, hat auf alle Fälle mehr Aufmerksamkeit.
2. Versuch mal folgendes: Spiel ruhig eine passende Penta, ruhig Ton um Ton auf jeder Zählzeit. Und jetzt läßt Du einfach ein paar Töne aus - läßt aber die Pausen, die dadurch entstehen so wie sie sind. Schon merkst Du, wie sich die Konzentration völlig verändert: es entsteht automatisch sowas wie ein tonales Zentrum, ganz einfach, weil davor und danach eine Pause da ist. Nimm dann den oder die Fetzen, die Dir besonders gefallen, weil sie Spannung erzeugen oder besonders melodisch sind und nimm sie als Ausgangspunkt, um da Neues drum rum zu stricken.
3. Achte darauf, dass Du einige Töne verkürzt und andere dehnst und wiederholst. Soli haben eine Bewegung, beziehen sich aber auf die darunter liegenden Rhytmen und Bewegungen. Dadurch gewinnen Soli Eigenständigkeit. Kann sein, dass Dir diese Loslösung als Rhytmus-Gitarrist eher leicht fällt, ich vermute, es fällt Dir eher nicht so leicht. Du kannst die rein rhytmische Struktur eines Solos im Ansatz erst mal mit einem bis drei Tönen versuchen. Du spielst solange damit rum bis Du eine rhytmische Spannung hast, die Dir sehr gefällt. Und dann fängst Du auf Grundlage dieses Rhytmus an, ihn melodisch zu füllen - und weichst dann natürlich auch davon ab - Du hast dann aber erst mal ein eigenes rhytmisches Bezugssystem für Dein Solo.
4. Wenn Du beim Improvisieren oder beim Skalen- bzw. Pentadudeln etwas findest, das Dich begeistert und von dem Du denkst, dass es der Höhepunkt Deines Solos sein könnte, dann nimm das und setz es an die Mitte oder in das letzte Drittel Deines Solos. Und dann gehst Du hin und fragst Dich, wie Du diesen Höhepunkt gut vorbereiten kannst, wie Du vielleicht kleine Fetzen davon kurz vorher anklingen läßt, wie Du melodisch und rhytmisch die Spannung erzeugst, die Dein Höhepunkt braucht und wie Du die Hörer auf diesen Höhepunkt vorbereitest. Dann hast Du den ersten Teil Deines Solos. Und dann wendest Du Dich der Frage zu, wie Du die Hörer wieder aus dem Höhepunkt entlassen willst: auf dem Höhepunkt der Spannung oder eher auflösend, leiser werdend etc. Du kannst Du das Ganze, wenn Dir das leichter fällt, wie ein kleines Drehbuch vorstellen oder wenn Du willst, malst Du sowas wie eine Spannungskurve Deines Solos - Visualisierungen finde ich persönlich sehr hilfreich, auch weil es die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt lenkt: Spannungserzeugung und Spannungsabfall.
5. Binde Deine Mitspieler in Dein Solo ein. Entweder Ihr improvisiert gemeinsam über Deine Soloidee oder Du gibst Anweisungen bzw. Anregungen: Beispielsweise sagst Du dem Bassisten und drummer: An dieser Stelle bzw. in dieser Passage möchte ich, dass Ihr Dampf und Druck macht, an dieser Stelle möchte ich, dass wir eine gemeinsame Pause machen, an dieser Stelle möchte ich, dass Ihr sehr reduziert spielt ... Du wirst sehen, dass sich die Wirkung Deines Solos extrem steigert und dass es Deinen Mitspielern wesentlich mehr Spass macht, ihren passenden Senf zu Deiner Solo-Bratwurst hinzuzugeben als wenn sie einfach weiterspielen. Weihe Sie in Deine Vorstellung von Spannungserzeugung und Spannungsabfall ein und lass sie Wege finden, wie sie Dich und das Solo durch ihr Spiel verstärken und gut untermalen können.
Viel Spaß und Erfolg!
x-Riff
P.S.: Das alles ist als Anregung zu verstehen - natürlich gibt es auch klasse Soli, die aus dem Gesang überlappen und nicht mit einer Pause anfangen, klar gibt es auch effektvolle und gute Soli oder Passagen, wo haufenweise Töne schnell hintereinander gespielt werden etc. usw. usf. - es gibt wahrscheinlich für jede Regel mindestens fünf Ausnahmen - aber das Gesagte ist auch nicht als Regelwerk zu verstehen, sondern als ein paar Anregungen, die man mal ausprobieren kann und gegen die man natürlich aufs Heftigste verstoßen sollte, wenn es einem gefällt ...