Bei der Gestaltung der Oberfläche ergeben sich so einige Möglichkeiten, bei denen man zwischen Zweckmäßigkei, Optik und Aufwand (finanziell und handwerklich) abwägen muß. Vier für mich in Frage kommende davon will ich kurz anreißen:
- Bezug mit Filz
- Bezug mit Kunstleder
- Klarlack auf Holzoberfläche
- Strukturlack
Der Filzbezug...
...erfreut sich mittlerweile zumindest bei vielen Herstellern großer Beliebtheit, denn er ist sehr strapazierfähig - kleinere Kollisionen tauchen in den Teppichflor ein und es bedarf schon eines größeren Unfalls um einen wirklich sichtbaren Schaden zu hinterlassen. Es wird unterschieden zwischen Walzware, die in Bahnen aufgeklebt wird und Beflockungen, die in einer Art elektrostatischem Spritzverfahren aufgebracht werden. Für den Heimwerker kommt wohl nur erstere Methode in Frage - geeignetes Material in verschiedenen Farben und Stärken gibt es z.B. bei ebay. Ich persönlich habe oder hatte einige Amps und Boxen mit dieser Oberfläche (z.B. oben verlinikte Eden Box oder den
line6 Würfel und weiß daher: ich mag keine Filzbezüge, mögen sie noch so strapazierfähig sein!
Es bleibt alles mögliche dran hängen, sie sind wahre Staub- und Schmutzmagneten und nach einem Kneipengig riechen sie ggfls wochenlang nach Rauch...
Kunstlederbezüge...
...sind seit den frühen 60er Jahren verbreitet und werden auch oft als 'Tolex' bezeichnet, obwohl das eine Herstellerbezeichnung ist, die heute im Wesentlichen nur noch für Produkte von Fender und Rickenbacker zutrifft. Eigentlich ist Kunstleder eine feine Sache, aber nicht ganz ohne Aufwand zu verarbeiten. Ich habe schon bei einigen Projekten damit gearbeitet, so z.B. zuletzt bei einem
kleinen Basskoffer.
War das Kunstleder bis in die 80er Jahre überwiegend in schwarz bekannt und im Handel, so ist mittlerweile farblich und strukturell so einiges möglich - und genau darin liegt auch der Reiz dieser Variante. Wem also etwas abgefahrenes à la Schlangenleder - oder gelbe Front mit blauen Seiten vorschwebt, der kann sich hier am ehesten austoben. Von der Strapazierfähigkeit liegt es im Mittelfeld, kleine Rempeleien steckt es weg, wird es etwas härter, gibts mindestens bleibende Kratzer, im worst case eingerissene Winkel.
Klarlack (bei HiFi-Boxen gelegentlich auch nur Wachs)
auf Naturholz...
...ist eine Möglichkeit bei besonders schönen Holzoberflächen, allerdings ist diese Variante nicht sonderlich robust (und insofern eher weniger für Musikerboxen geeignet) und vom Aufwand her eher nicht mehr im Bastelbereich anzusiedeln. Bei Akustikverstärkern (obiger Link) gibt es einige Produkte in diesem finish, man geht wahrscheinlich davon aus, daß diese Amps von 'Einzeltätern' betrieben werden und deshalb nicht so roadtauglich sein müssen wie zB ein Gitarristen Fullstack. Zwar gibt es z.B. Parkettlacke hoher Festigkeit, aber auch die sind nicht beliebig belastbar und wer will schon ständig irgendwelche Schrammen 'wegbohnern'...
Bei meiner Box habe ich indessen die Chance auf eine Klarlackierung eigentlich schon verspielt, denn zum einen habe ich dafür schon an einigen Stellen zu ungenau gearbeitet ("...weil ja der Bezug eh alles verdeckt") und zum anderen sind mittlerweile für meinen Geschmack auch schon zu viele Schrauben von außen sichtbar, von denen man entweder den Kopf oder die zugespachtelte Bohrung sehen würde. Das auf Kante geschraubte Multiplex-Holz hinterläßt an einer der Seiten auch zwangsläufig den Blick auf den Schichtholzschnitt, wenn man nicht mit Gehrung arbeitet, oder das Gesamtwerk hinterher noch furniert. Zu Beginn der Konstruktion hatte ich kurz mit dem Gedanken an eine Klarlackierung gespielt, deshalb zB versuchsweise die obere und untere vordere MuX-Schnittkante mit einer Leiste verdeckt, bin dann aber ziemlich schnell davon abgekommen.
Das ist aber alles höhere Schreiner-Mathematik und sicher nicht Anfänger-kompatibel, also überlasse ich diese Möglichkeit der Industrie, zumal meine innere Entscheidung längst schon gegen die Klarlackierung gefallen war, sonst hätte ich sicher auch einiges anders gelöst, so zB die Versteifungsleisten nicht von außen verschraubt oder die Ecken nicht so stark beschliffen (die dann ja ohne Schutzecken geblieben wären) etc...
Strukturlack...
...der mittlerweile von vielen Herstellern, besonders im PA-Bereich, verwendet wird. Eine sehr eindrucksvolle Führung durch eine Lackierstraße von Hughes&Kettner konnten MusikerBoard Mitglieder im Oktober 2012 erleben, da fiel mir der Lack erstmals auf und ich erkundigte mich nach dem
Produkt. Tatsächlich ist der Lack mittlerweile auch in Kilodosen zu haben, besteht nicht mehr zwangsläufig aus zwei Komponenten und kann angeblich auch mit einer Rolle aufgetragen werden, so daß er mir zumindest von diesen Voraussetzungen her Heimwerker-geeignet erscheint.
Ich entscheide mich nicht zuletzt für den Strukturlack, weil auch mein oben verlinkter Ibanez Combo, mit dem die Box ja zusammen betrieben werden soll, mit Strukturlack gespritzt ist und ich mir daher die bestmögliche optische Angleichung verspreche. Ganz leicht fällt die Entscheidung nicht, denn ich hatte mich gedanklich schon auf einen Kunstlederbezug eingeschossen und einige Übergänge so beschliffen, daß sie davon kaschiert worden wären. Ob das mit dem Strukturlack auch funktioniert, wird sich herausstellen.
Ein weiterer Grund ist zugegebenermaßen auch Experimentierfreude, denn dem Strukturlack wurde lange Zeit nachgesagt, daß man nur im Spritzverfahren gute Ergebnisse erzielen kann, wie es auch in der Industrie gehandhabt wird. Bei H&K wird sowohl durch Lackierroboter als auch von Hand gespritzt, wie ich es
hier dokumentiert habe.
Vor vielen Jahren habe ich gelegentlich Nitrolacke mit Hammerschlagstruktur beruflich verarbeitet, da gab es gar keine Alternative zum Druckluft spritzen...die gewünschte Struktur entstand nur bei dieser Vorgehensweise, anderenfalls war das Objekt halt hinterher nur grau - aber ohne Hammerschlag-Effekt. Ich bin gespannt, in wie weit man mit einer kleinen Handwalze den Effekt des Strukturlacks erzeugen kann, so daß er den industriellen Ergebnissen halbwegs ähnlich wird. Das Ergebnis ist sicher in jedem Fall interessant, sei es auch im schlimmsten Fall nur, um für künftige Projekte zu wissen, wie man es nicht machen kann oder sollte.